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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Julius, Leopold: Die neue Venus des Kapitol
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Verschiedenes und Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0233

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455

Kunstliteratur.

frei von Sinnlichkeit und Koketlerie, die Ausführung,
abgesehen von einigen etwas vernachlässigten Partien,
fleißig. Dennoch macht die Statue nicht, wie ähnliche
Darstellungen, einen vollkommen wohlthuenden und an-
genehmen Eindruck: ein Mangel an Frische, eine gewisse
Unfreiheit, ein, man möchte sagen, akademischer Zug
machl sich geltend. Dieser Umstand mag uns als Finger-
zeig für die Zeitbestimmung des Werkes dienen. Einen
verwandten, allerdings in noch höherem Grade unfreien
Eindruck machen eine Reihe von Statuen aus der Schule
des Pasiteles, als deren Hauptvertreter die Jünglings-
figur des Stephanos in der Villa Albani bekannt ist.
Und unsere Venus ist, obgleich im Motiv bedeutend
freier und lebendiger, in der äußern Gestaltung wirklich
die leibhaftige Schwester dieser Stephanosfignr, nur
steht sie in der Ausführung bedeutend höher. Wir
finden in beiden Figuren dieselbe Magerkeit, denselben
fast unnatürlich hohlen Rücken. Die Familienähnlich-
keit in beiden Köpfen, von denen derjenige der Benus im
Verhältniß zum Körper nur wenig größer als der der
Stephanosfigur ist, macht die Schulverwandtschaft der
Statuen ganz evident: in beiden das längliche Oval
des Gesichts, die stark gewölbte Stirn, der breite Nasen-
^ücken, die geschwungenen obern Augenhöhlenränder, die
kräftigen Unterkiefern, das stark hervortretende Kinn, die
hochsitzenden Ohren. Jm Auge der Venus finden wir
den Ausdruck des ziemlich stark betont. Die

Haare derselben sind auf dem Scheitel, am Schopfe und
im Nacken drahtartig behandelt, vorn in großen, an
archaische Weise erinnernden Locken über die Stirn gelegt,
ein Umstand, der auf das Beste für die Richtigkeit
unserer Bestimmung der Kunstschule spricht.

So gewinnen wir in unserer Statue einen neuen
Baustein zur Geschichte der antiken Kunst. Besonders
werthvoll ist derselbe, weil bisher noch keine nackte weib-
liche Gestalt aus der Schule des Pasiteles bekannt war,
dann aber, weil nnsere Fignr ein Mittelglied zwischen
dem Stephanosjüngling und der Gruppe des Menelaos
in der Villa Lndovisi bildet. Der erstere ist in Motiv
und Formengebung gebunden, die letztere, abgesehen von
leisen Anklängen an Älteres, in Beidem völlig frei, unsere
Venus dagegen im Motiv zwar frei, aber in der Formen-
gebung gebunden.

Rom. Leop. Julius.

K»»stliteratnr.

Dic Stadt Athen im Alterthmm von Knrt Wachs-

muth. Erster Band. Mit 2 lithographirten

Tafeln. Leipzig, B. G. Teubner. 1874. 767 S. 8°.

Endlich ist wenigstens der erste Band dieses Werkes
erschienen, welches sowohl der Autor als auch die Ver-
lagsbuchhandlung schon im Jahre 1869 angekündigt

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hatten- Wir schicken diese chronologische Bemerkung ,
voraus, um an sie sogleich anzuknüpfen, daß dieses Buch
eine erfreuliche Bestätigung des alten Satzes ist: Wa§
lange währt, wird gut. Es ist eine durchaus reift
Frucht langanhaltender, umfassender Studien, welch^
wir da erhalten. Durch seine gesunde und umsichtige
Kritik, welche sich gleich weit entfernt hält von unbe-
rechtigtem Zweifeln und phantasievoller KonstruktioN,
durch die Klarheit, mit welcher die einzelnen Problenie
aufgestellt und dann, durch Detailpolemik unentwegt,
theils gelöst, theils der Lösung zugeführt werden, endlich
durch eine Reihe vorsichtig gewonnener, neuer Resultate hat
der Vf. ein Werk geliefert, welches eine Rcihe kontro-
verser Punkte aus der athenischen Topographie befrie-
digend zum Abschluß bringt, in andern wenigstens deU
heutigen Stand der Erforschung klarlegt und daher
sowohl den Schlußpunkt einer Periode in der Entwick-
lung der erwähnten Wissenschaft bezeichnet, als auch
ver Ausgangspunkt der ferneren Forschungen auf diesew
Gebiete sein wird.

Der bisher erschienene 1. Band zerfällt in 4 Ab-
schnitte. Der erste derselben behandelt iu seltener Voll-
ständigkeit „die Quellen und Hilfsmittel unserer Kunde
des alten Athen", nämlich die gegenwärtige Oertlichkeit
mit den antiken Resten, die Zeugnisse der Alten und
die moderne, topographisch-antiquarische Wissenschaft-
Jch hebe hier nur als besonders interessant hervor, daß
Wachsmuth zum ersten Mal einen Deutschen, Georg
Transfeldt, unter den Entdeckern Athens aufführt. Ge-
boren in Danzig, Mitte des 17. Jahrh., gerieth er
1673 und 74 in türkische Gefangenschaft und war, als
Sklave, wie es scheint, in Athen, wo er das OlympieioU
und das Lysikratesdenkmal zuerst erkannte und richtig
benannte. Ferner ist die Entschiedenheit zu lobeu,
mit welcher die Schlüsse aus der Provenienz der Jn-
schriften, aus der lokalen Tradition und aus den Stätteu
christlicher Kirchen und Kapellen znrückgewiesen werden-'
es ist, als ob ein frischer Morgenwind in die über
den Thälern lagernden Nebel führe. Der zweite Ab-
schnitt ist der Beschreibung der attischen Ebene nach
Bodenbeschaffenheit, Klima und Athmosphäre gewidmet-
Zuerst sind hier die langjährigen, meteorologischen Beob-
achtungen von Julius Schmidt verwerthet. DeU
dritten Abschnitt nennt der Vf. bescheiden: „Bansteine zi»-'
Topcgraphie von Athen", indem er der Ansicht ist, daß
die Zeit noch nicht gekommen sei, um einen vollendeten
Bau (der athenischen Topographie) aufzurichten. 3^
zwei Kapiteln und zehn Abtheilungen werden eine Reihe
von streitigen Punkten besprochen, besonders auf's eiu-
gehendste und, wie ich glaube, abschließend die Art, wi^
die Stadtbeschreibung des Pausanias entstanden ist-
Das Resultat der Besprechung ist, daß Pausanias bei
seiner Periegese die topographische Reihenfolge einge-
 
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