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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Groller, Balduin: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0254

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^lett.Theresianumgasse
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zii richten.

21. Mai

Nr 32.

Inscrate

L 2S Ps. siir dic drei
Mal g-spalten- Petitzeile
werden von jeder Buch-
und Kunsthandlmig an-
genommen.

1873.

Beiblatt znr Zcitschrist snr bildcnde Knnst.

DieL Blatt, jede Woche am Freitag erscheinend, erhalten die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunst" gi'atis; für sich allein bezogen
tostet der Jahrgang 9 Mark sowohl im Buchhandel wie auch bei den deutschen und Lsterreichischen Postanstalteu.

'halt: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause II. — Falsche Regnault's. — Ueber einen Kupferstich Aldegrever's. — OaNisr, nonvoaux ms-
1rrnA68 ä'ar6Ü6o1o§i6. — Seidcl, k. Nesidenz in Müncheu. — P. Koerle -f. — Ausgrabungen in Pomveji. — Verein für Kunst des Mittelalters
in Berlin. — Wiener Preismedaillen; Auffindung vou Gemälden in dem Haag; Herzdenkmal in Erlangen. — Berliner Kunstauktionen; Die Fresken
der Casa Bartholdy verkäuflich; Auktion Fortuny. — Zeitschriften. — Jnserate.

^ie Ilihresansstelluilg im Wiener ÄünUlerhause.

ii.

Daß die Porträts auf der diesmaligen Jahres-
^usstellung eine herrschende Stellung eiunehmen, ist ein
^augel der Ausstellung nud zugleich ein Verdicnst
^ranz Lenbach's, der mit den sieben, vvn ihm aus-
8Estellten Bildnissen wohl noch auf einer bedeutenderen
^usstellung, als auf dieser, ein ganz hervorragcndes
>Niteresse für seine Leistungen beanspruchcn dürfte. Man
^'uircht nicht unbedingt auf die Lenbach'sche Kunstweise
^u schwören, um zugeben zu können, daß er eine in
nioderncn deutschen Kunstentwickelung cinzig dastehende
^^'scheinung ist, die mit einem imponirenden Nachdruck,
einxr geradezu zwingenden geistigen Wucht aufzu-
^eten vermag. Es mag Manches krankhaft erscheinen
^u diesen Bildnissen, in ihrem Kerne sind sie gesund,
die Jntcntionen kerngesund sind, aus welchcn heraus
H geschaffcn wurden. Ein frei erfindender schaffender
^eist jst xenbach nicht; scit Jahr nnd Tag, vielleicht
UU seiner gährenden Jugendzeit, in welcher fast jeder
^üiistler des ihm gesteckten Zieles nnbewußt bald da,
büld dort sucht und im Zweifel über sich selbst umher-
^stet, hat er kein Bild komponirt. Die Werke, die
UUien stlamen zuerst berühmt gemacht haben, sind Ko-
mie sie allerdings vollendeter und mit treuerem
^'Ugehcn in die Eigenthümlichkeiten der großen Vor-
^ilder vielleicht niemals gcschaffen worden sind. Diese
i'^bevolle Verscnkung in die Weise dcr altcn Meister
^ard jhm zum Segen, als cr sich später ausschließlich
Bildnißmalerei zuwandle. Man kann nicht sagen,
uß er ein Zmitatvr, noch wcniger, daß er ein Eklek-

tiker sei; er sieht mit eigenen Augen, nur die Kunst
des Sehens hat er von den Alten gelernt. Wie er
früher die Bilder eines Giorgione, Tizian vder Velas-
quez kopirte, so kopirt er jetzt die Jndividuen, die er
zu malen hat; wie er sich dort nicht mit dem äußer-
lichen Nachpinseln begnügte, sondern die Seelen der
Bilder mitmalte, so malt er auch hier nicht nur die
leere Form, sondern auch den Geist, der diese belebt.
Jn der malerischen Anordnung seiner Bildnisse, in der
Behandlung des Getheils (ich acceptirc dcn sinnigcn
Borschlag eines Kollegen, „Detail" durch „Getheil" zu
ersetzen) mag er leicht von Anderen übertroffen werden,
in der Hauptsache, in seiner Fähigkeit, eine ganze, volle
Jndividualität bei ihrem Kern zu fassen, sie rein heraus-
zuschälen, daß sie mit frappirender Klarheit vor den
Beschauer hintrete, darin braucht er vor keinem seiner
Zeitgenossenschaft die Waffen zu streck'en. Sein Gebiet
ist eng umgränzt, allein innerhalb dieser engen Gränzen
ist seine Kraft eine erstaunliche, und es zeigt von weiser,
künstlerischer Einsicht, daß er über diese Gränzen nicht
hinausstrebt. Das Menschenangesicht als Spiegel der
Seele ist ihm das wichtigste, aber auch das einzige
Problem; in dieses versenkt er sich mit einem Ernste,
der in seinem heißen Ringen und Mühen etwas Leiden-
schaftliches an sich hat. Hat er dieses Problem gelöst,
so ist seine Spannung geschwunden, sein Jnteresse, viel-
leicht anch seine Kraft gelähmt. Der Kops ist einmat
da, das Andere mag gehen oder stehen, wie es will.
Die Hauptsache ist fertig, der Rest — für ihn ist's ein
„schäbigcr" Rest, um wclchen sich zu mühen es nicht
verlohnt. So kommt es, daß man vor einem Lenbach'-
schen Bildnisse eher von einem vollendeten Werke, als
 
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