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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Abrest, Paul d': Der Salon, [2]
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Der Salon.

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Aermel hinauf iu Gold galounirte Artillerieofsizier zieht
tief die Mütze und schickt sich aii umzukehreu, um die
Ordre seiues Chefs auszuführen. Beide Physiognomien
sind von frappanter Aehnlichkeit, Montauban, der alte
gebräunte rücksichtslose Haudegen, der Oberst, eine ele-
gante, zierlich aufgeputzte Erscheinung mit offenem Ge-
sichte und etwas schwärmerischen Zügen, die den künf-
tigen sentimentalcn Schriftsteller der Tagesbülletins der
Pariser Belagernng errathen lassen. Der junge Offizier
ist der berühmte P. O. Schmitz, dessen Namenszug
zehn Jahre später so rasch populär und mit den Er-
eignissen so eng verknüpft werden sollte. Unmittelbar
in der Nähe wüthet der Kampf. Im Halbkreise auf-
gestellt donnert die französische Artillerie gegen die chine-
sischen Positionen, deren Schlüssel die Brücke ist, eine
im kühnen Schwunge aufgeworfene, nur einen Bogen
starke Brücke, über deren Gemäuer Standarten und
Fähnlein der Himmlischen flattern. Den Vordergrund
des Bildes füllt martialisch die doppelte Veranschaulichung
einerseits des Vormarsches der französischen Jnfanterie
durch die Tabaksfelder, andererseits das Einbringen der
tartarischcn Gefangenen aus. Vou einer mit kurzen Kara-
binern bewaffneten Eskorte von Chasseurs d'Afrique um-
geben, marschiren die trctzig dreinblickenden Streiter des
chinesischen Kaisers zwei zu zwei auf. Jedes Gewehr
ist ihnen abgenommen worden, und sie sehcn in ihren
Zwilchanzügen fast mehr eingebrachten Landleuten als
Kriegsgefangenen Lhnlich. Zwei Mandarinen zu Pferd,
von denen der eine in einen merkwürdig hellblauen Kaftan
gehüllt ist, nehmen sich etwas kriegerischer aus. Der
eine wirft wehmuthsvolle Blicke auf die eroberten, mit
Drachen und sonstigen Symbolen gezierten Standarten,
welche die Chasseurs d'Afrique beutelustig schwingen.
Zwei Spahis, in rothe Mäntel gehüllt, betrachten
philosophisch dieses Defilä der Besiegten. Daß sich
diese nicht ganz gutmüthig ergeben haben und den Fran-
zosen nicht von selbst in die Hände fielen, sollen wohl
die zahlreichen chinesischen Leichen beweisen, mit welchen
der Weg besäet ist. Es ist dies das erste Mal, daß
wir Chinesen ohne langen Rock und ohne Zopf sehen,
die Kleidung ist durchaus europäisch zugestutzt und Hosen
und Kittel nchmen sich fast turnermäßig aus. Gegen
diese praktische Einfachheit protestiren .nur die Brust-
latze, auf welchen allerhand Thiere in Gold gestickt
sind. Chinesen wie Franzosen aber stechen durch die
Helligkeit ihrer Kleidung hervor. Die französischen Uni-
formen namentlich sind so untadelhaft sauber, jeder Knopf
glänzt so ungetrübt und so hell, daß diese Propretät
für den Schlachttag recht unwahrscheinlich ist. Das
ganze Bild frappirt auf den ersten Blick sehr wenig-
Man muß die Geduld haben, aus dem Einzelnen Ge-
nüsse herauszusuchen, nnd findet sie auch in der Grup-
pirung und i» den einzelnen Physiognomicn; auch die

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Ausführung der Landschaft, die aber wenig Chinesisches
an sich hat, ist rühmend anzuerkennen.

„Die freiwilligen Scharfschützen beim Kampf von
Malmaison am 2l. Oktober 1870" sind das neueste
Bild von Berne-Bellecour. Dieser Btaler erklonnn
durch seinen „Kanonenschuß" im Salon von 1872 die
erste Stufe der Ruhmesleiter. Dieses Gemälde ist sill'
ein Kriegsbild insofern originell, als sein Hauplverdienst
in einer peinlichen, nur durch besondere Ruhe und
eisernes Phlegma erreichbare Peinlichkeit der Auffassung
nnd Ausführung eines jeden Pinselstriches liegt. Belle-
cour bringt durch seine mathematische Genauigkeit Effekte
hervor, die man sonst nur vom Hauche einer höheren
Jnspiration zu erwarten gewohnt ist. Bekanntlich ver-
anstaltete Trochu an einem prachtvollen Herbstnachmittag
im Oktober einen Ausfall gegen die deutschen Positionen
oberhalb von St. Germain, um von diesen Höhen, deren
man sich zu bemächtigen hoffte, Versailles zu bedrohen-
Die Belagerer, in den Gehölzen von Marly und Lacelle-
St. Cloud tüchtig verschanzt, schlugen den Ausfall zurück
und zwangen die Pariser zum Rückzuge. An dieser
Expedition nahmen auch die „freiwilligen Scharfschützen
der Seine" Theil, ein aus Künstlern, Malern, Schau-
spielern, Journalisten u. s. w. zusammengesetztes Corps.
Herr Bellecour, der selbst demselben angehörte, zeigt
seine Kameraden, wie sie von den vergilbten Rebge-
länden aus gegen die hinter der Parkmauer von Buzenval
verschanzten Deutschen ein lebhaftes Feuer unterhalten
Die Tirailleurs liegen auf dem Bauche oder den Knieen,
es sind lauter Porträts und jeder der etlichen zwanzig
Köpfe, die aus der hellgrünen Monturkappe heraus-
blicken, schauen dem, der sich ein wenig in Künstlerkreisen
bewegt, wohlbekannt entgegen. Wir finden da den Maler'
Vibert, den Schauspieler Leroux vom Theatre Franyais,
den Dichter Sauvage und die blondbärtige Gestalt des
künftigen Abgeordneten Turquet, der sich hier seine Feld-
webelgalons verdiente. Ein rothhosiger Soldat blickt
nicht ohne einige Verwunderung auf die „Pekins", welche
die vom Park hcrüberdröhnende Füsillade wohlgemuth
ertragen. Die Oertlichkeit ist ebenso trefflich wiederge-
geben, wie die Gesichter der Combattanten. Man er-
kennt auf den ersten Blick das Gehöl; und das Schloß
von Buzenval, den Steg, der durch die Weinberge hinauf-
führt und die große Scheune rechts am Weg, die noch
jetzt die Spuren der Geschosse trägt.

Ein anderes Bild von Bellecour,
besitzt in noch höherem Grade jene malhematische Ge-
nauigkeit und die kraftvolle Porträtwahrheit, die man
bei dem obenerwähnten Gemälde rühmt. Eine Linien-
abtheilung dringt langsam Mann für Mann durch dsi
eben in eine Mauer praktizirte Oeffnung. Zwei Mann
verschwinden bereits schattenartig im Dickicht jenseits
der Steinmasse, drei andere Soldaten schleichen sich längs
 
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