Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

DOI Artikel:
Der Sieger in der Konkurrenz um den Dresdener Theatervorhang
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0296

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
581

Der Sieger in der Konkurrenz um den Dresdener Theatervorhang.

582

vft wochen-, ja monatelanz dauernd, die Jagden in
Äegleitung einer Schaar von Jndianern, treuen und
vrfahrenen Dienern, das balk in idhllischer Einsamkeit
genossene Zeltleben mitten in tropischer, phantastischer
Tegetationsfülle, dem doch der heimische deutsche Herd
wcht fehlte, bald in dem bunten Rio de Janeiro mit
seiner bizarren und doch schönen, an Gegensätzen reichen
Natur und dem mannigfaltigen Treiben, wie es süd-
lichen Regionen eigen ist, mußte eine frische und reich-
begabte Künstlernatur mächtig ergreifen; der glückliche
Raturschwärmer nützte auch seine Zeit in nicht gewöhn-
iicher Weise aus. Alles wurde gezeichnet und gemalt,
tvas sich nur mit Stift und Pinsel beherrschen ließ,
Palmeu und Alligators, Wilde in allen möglichen Farben,
Nackt und tätowirt, mit der Federkrone auf dem Haupt
>m Lager, oder des Köchers und giftigen Pfeiles sich
bedienend gegen Bestien und menschliche Feinde, farben-
Prächtige Schlinggewächse, Papageien, Schmetterlinge
und schillernde Kolibri's, das Dickicht der vom Sonnen-
licht kaum durchdrungenen Wälder oder die einsamen,
Meit ausgedehnten Röhrichte der Flußufer, — kurz,
Alles wurde gemalt, und nicht blos gemalt, sondern
mit einer Naturtreue wiedergegeben, welche dem Natur-
sorscher imponirte, mit einem Geschmack und einem
künstlerischen Feingefühl, die jedes Malers Bewunderung
erregen mußte.

Unter denjenigen, welche Keller's über Tausend
zählende Studien nach seiner Rückkehr in's Baterland
aufrichtig bewunderteu, war Schirmer, von da an sein
treuer, Richtung gebender Lehrer, der an Keller eineu
ebenso dankbareu wie anhänglicheu Verehrer fand.

Die ersten Aufseheu erregenden Leistungen unseres
Freundes unter Schirmer's Leitung waren mehrere Bilder
aus den tropischen Wäldern, lebeudige und vriginelle
Kompositioneu von prächtigem Kolorit. Schirmer's Tod
>m Jahr 1863 unterbrach Keller's crste Lehrzeit, welche
Nur ein Jahr gedauert hatte, und er wandte sich der
Figurenmalerei zu, dem Gebiete, das ihm durch die
Zulässigkeit größeren Farbcn- und Formenreichthums
Mehr Befriedigung versprach als die Landschaftsmalerei.

Keller fand nun den ricktigen Führer in Canon,
der, noch zu Schirmer's Lebzeiten iu Karlsruhe thätig,
ihm das Berständniß der Antike und der alten Meister
eröffnete und ihm gleichzeitig auch die Kenntniß des
Menschlichen Körpers zugänglich machte; durch Canon
gewann Keller neue Anschauungen über die Prinzipien
der Komposition, und seine brillante Maltechnik, welche
er mit Meisterschaft übt, dankt er ihm.

Zuerst wurden genreartige Stoffe gewählt: „Die
Brieftaube", „Der Alchymist"; dann unternahm Keller
größerc Kompositionen historischen Jnhalts, wie „Phi-
lipp II. stirbt im Eskurial"; sein letztes Bild in dieser

Richtung „Nero" steht noch von ver Wiener Weltans-
stellung her in frischem Gedächtniß.

Jn den letzten sechs Jahren lebte Keller abwech-
selnd in Karlsruhe und in Rom, hier vorwiegend sich
dem Studium widmend; eine ganze Reihe von Schö-
pfungen verschiedenster Art datiren aus dieser Zeit; so
einige Gemälde, welche mythologische Stosse zum Bor-
wurf haben, „Aurora", „Hesperus", so ferner einige
Landschaften in Verbindung mit Architektur und Staf-
fagc, „Die Entführung", ein Motiv aus der Villa
d'Este in Tivoli, „H^inpllusuin", der Villa Borghese
in Rom entlehnt, endlich Wildstücke mit Figuren, eine
„Moderne Diana", ein „Page mit Reiher."

Auch in der Freskomalerei sich zu zeigen, fand
Keller Gelegenheit; die neurestaurirte Jesuitenkirche zu
Heidelberg enthält von ihm eine 25 Fuß hohe „Ver-
kündigung Mariä", und das Treppenhaus des fast voll-
endeten Gebäudes der vereinigten Sammlungen zu Karls-
ruhe wird durch eine Reihe von Freskogemälden seiner
Haud, jedes 30 Fuß lang, geschmückt: Darstellungen
der hervorragendsten Meister der Kunst und Wissenschaft
vom Alterthum bis auf die Gegenwart.

Unter der großen Anzahl von Porträts, welche
Keller in den letzten Jahren malte, erwähnen wir nur
das in Berlin ausgestellt gewesene des derzeitigen Theater-
direktors in Karlsruhe, von Putlitz; auch wollen wir
hier noch die Holzschnittzeichnungen in Erinnerung
bringen, welche unser Meister für das bei Engelhorn
erscheinende Prachtwerk über Jtalien lieferte.

Daß ein so vielseitig begabter Künstler, der bei
seltenem Talent auch über eine so ungewöhnliche Summe
von Kenntnissen und Fertigkeiten verfügen kann, ganz
besonders dazu berufen war, die in dem Dresdener
Konkurrenzausschreiben vorgelegene Aufgabe zu lösen,
hat der Erfolg bestätigt, und wir können ihm von Herzen
den zweiten Erfolg gönnen, daß ihm auch die Aus-
führung des Theatervorhangs übertragen wurde. Es
ist hier nicht der Ort, uns in eine kritische Beleuchtung
der vielen Schöpfungcn Keller's einzulassen, aber einige
allgemeine Bemerkungen über seine Kunst möchten wir
uns nicht versagen, aus welchen vielleicht von selbst her-
vorgeht, wie eine Berwechselung mit Makart möglich war.

Wer Keller's allererstes Urwaldbild gesehen hat
und seine letzten Arbeiten mit demselben vergleicht, wird,
auch ohne die Zwischenstufen seines Entwickelungsganges
zu berücksichtigen, die Einscitlichkeit dieser Künstler-
natur sowohl als ihre Originalität erkeunen, oder
mit anderen Worten, er wird darüber klar sein, daß
der erste Versuch nicht blos ein solcher war, sondern
daß derselbe schon eine ganz deutliche Jndividualität
verräth, welche nicht erst von anderer Seite erweckt zu
werden braucht, geschweige denn es nöthig hätte, in
irgend welches betretene Geleise einzulenken. Somit
 
Annotationen