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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Abrest, Paul d': Der Salon, [5]
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Illustrationswerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0329

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647

Jllustrationswerke.

648

Der Ausdruck der Physiognomie ist mit horrendem Rea-
lismus getroffen.

„Eine Sensationsnachricht" läßt Worms auf dem
Dorfplatz eines spanischen Ortes von dem Tambour
austrommeln, und vie Töne des Eselfells rufen eine
Menge Studienköpfe herbei, die offenbar einer gewissen-
haften Reisemappe entnommen sind. Wer jemals in
Spanien gewesen ist, wird hier wohlbekannte Gestalten
wiederfinden, wie derjenige, der einmal die Pußta bereist
hat, sich in den Bildern des Herrn Munkacsy anskennt-
Der klassische Berliner fehlt ebenso wenig wie der Mauren-
abkömmling mit dem Kupfergesichte, der pariamäßig
im Winkel steht.

Ueberhaupt waren Reiseskizzen aus den südlichen!
Ländern beliebte Stoffe. „Der Vorabend einer Hin-
richtung in Rom" und das „Hochzeitsessen in Capri"
können auf diesem Gebiete zu den besten Werken zählen.
Namentlich das letztere mit seiner ungeschminkten Dar-
stellung des Maccaronifanges aus der gemeinsameu
Schüssel, wobei nur die Gabeln der Mutter Natur Ge-
branch finden, ist recht lustig. Die Fiasconi des Land-
weines sind so nett und so zierlich, daß man recht gerne
sie ihres Jnhaltes berauben möchte.

Schenk, ein geborener Holsteiner, erzählt uns selbst-
verständlich mit dem Pinsel wieder ein kleines Malheur,
das ihm auf einer Reise in der Auvergne passirte. Ein
Sturmwind, wie er unerwartet in den Cevennergebirgen
selbst an den heitersten Tagen aufwirbelt, reißt den
Schirm weg, der das improvisirte Atelier des natur-
zeichnenden Künstlers beschützen soll, und schleudert ihn
mitten in eine arglos dahintrippelnde Schafheerde. Die
blökenden Thiere werden just so scheu, als wenn eine
Bombe in ihre Mitte gefallen wäre, die Hunde bellen,
und die Auvergner Hirten, die nur mit Mühe ihre
Kopfbedeckung gegen den Wind schützen, fluchen- Der
unglückliche Maler jagt mit Siebenmeilenstiefeln nach
dem nachsten Dache und merkt nicht, daß hinter ihm die
ganze Stafsage znsammenbricht. Jn dieser kräftig wieder-
gegebenen Scene kann man ohne Mühe ein gutes Stück
Landschafts- und Thiermalerei finden, dies Alles ohne
Prätention, wodurch der Werth noch erhöht wird-
Originell ist die ziemlich umfangreiche Komposition
Schützenberger's aus Straßburg, „Die sieben Tod-
sünden" darstellend. Das ist weder eine biblische noch
eine antike Allegorie. Der Tummelplatz der Sünden ist
ein Maskenball, auf dem stch Geiz, Zorn, Luxus, Neid
u. s. w. in verschiedenen Trachten begegnen. Schützen-
berger ist kein Kolorist von der Fortnny'schen oder
Regnault'schen Schule, er verwendet seine Farben rmt
haushälterischer Diskretion und treibt offenbar diese Ver-
achtung der „Effekte" zu weit, während die Nachahmer
der beiden erwähnten Meister weit über das Ziel hinaus-
schießen.

Ein anderer Elsäßer, Lix, ein bekannter Zeichner
hiesiger illustrirter Blätter, hat mil Glück eine kleinc
Gruppe seiner Landsleute wiedergegeben. Ein von der
Jagd heimkehrender Pächter wird vom Regen überraschi
und bittet zwei des Weges kommende Mägdlein in der
kleidsamen Tracht der Straßburger Gegend um ein Plätz-
chen unter ihrem Schirm. Die eine lacht dem Bittsteller
boshaft in's Gesicht, die andere sieht verlegen zu Bodem
Wäre es nicht elwa bloßer Zufall, der dem vergnügt
und gemüthlich dreinblickendcn Elsäßer Pächter da grave
mit den beiden Dirnen eine Begegnung menagirt hat!
Seine trauliche Bitte wird ihm gewiß nicht abgeschlagen
werden, und wer weiß, wohl bald kann Hochzeit im Dorfe
sein. Solche frisch aus dem Volksleben gegriffene Scenen
machen sich viel besser, als die meistens auf Bestellung
und ohne Ueberzeugungskraft nach der nämlichen Scha-
blone gemalten trauertragenden Alsace und Lorraine,
ein Stoff, der selbst für das hiesige Publikum seine
Zugkraft verloren hat. Paul d'Abrest.

Zllustrationswrrkk-

Shakespcare's sümmtliche Werkc. Uebersetzt von A. W>
Schlegel, Fr. Booenstevt, N. Delius, O. Gilde-
meister, G. Herwegh, P. Heyse, H. Kurz und Ä.
Wilbrandt. Mit 830 Jllustrationen von Sir
John Gilbert. Stuttgart, Eduard Hallberger.
Vollständig in 48 Lieferungen von je ca. 6 Bogen.

Wir müssen uns von vornherein gegen die dem
oben genannten Werke vielleicht entgegentretende Auf-
fassnng verwahren, als ob der britische Jllustrator gerade
als Brite in besonders hohem Grade befähigt gewesen
wäre, des britischen Dichters Werke bildlich aufzufassen
und darzustellen, so daß dieser landsmännischen Jnter-
pretation schon darum ein besonderer Borzug vor an-
deren Werken gleicher Art zuzuerkennen wäre. Für das
Verständniß einer Dichtnng wird nur dann ein Ange-
höriger des Volkes, welchem sie entstammt, vorzugsweise
befähigt sein, wenn die Dichtung sich nicht über den
beschränkten Kreis nationaler Anschauungen erhebt. Je
tiefer'aber der Dichter die menschliche Natur als solche
erfaßt und zur Darstellung bringt, um so mehr wird
er gemeinsames Eigenthum des die Schranken der Na-
tionalität überschreitenden, eine enge Zusammengehörig-
keit bildenden Kreises poetisch empfindender und den-
kender Menschen. Und welchem Dichter käme gerade
diese Eigenschaft, Gemeingnt geworden zu sein, mehr
zu als Shakespeare, und in welcher nichtenglischen Na-
tion hätte er ein tieferes, bereitwilliger entgegenkom-
mendes Verständniß gefunden, als gerade in der deulschen?

Andrerseits aber werden gerade wiederum wir
Deutsche^ einer künstlerischen Produktion nicht deshalb
ein Vorurtheil entgegen bringen, weil sie als ausländischr
 
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