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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 10.1875

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Ennen, Leonard: Die Glasgemälde aus den jetzt zerstörten Kirchen Kölns
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Die Verschleppung der Kunstwerke aus Italien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4970#0360

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Die Verschleppung der Kunstwerke aus Jtalien.

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gelassen. Es möchte passender gewesen sein, diese kleineren
Bilder in der Sakristei und im Kapitelsaale zu vcr-
wenden und die dort besindlichen großen giguren in
dem genannten Halbfenster einzulassen. Diese Figuren
würden hier besser wirken und mehr zu den Darstellungen
des neben dem Halbfenster befindlichen ganzen Fensters
Passen. Letzteres zeigt in glücklicher Zusammenstellung
Figuren aus verschiedenen Fenstern: unten die Heiligen
Silvester, Gregor, Felix und Nabor; diese Figuren
weisen sich als eine Stiftung von Cleve und Holland
aus; darüber an den Seiten zwei Donatoren, in der
Mitte Maria mit ihrem göttlichen Sohne auf dem
Schooße und ein Kaiser; noch höher zeigen sich vier
kleinere Figuren. Das obere Maßwerk ist mit kleinern
Darstellungen gefüllt. L. Ennen.

Die Verschleppung derKunjlwerke aus Italien.

Ueber diesen Gegenstand betrachte die „National-Zei-
tung" kürzlich einen beachtenswerthen Artikel, dem wir
Folgendes entnehmen: „Es wurde vor einiger Zeit aus
Rom berichtet, daß der Deputirte Manfrin im ita-
lienischen Abgeordnetenhanse den Justizminister Vigliani
auf die Verschleppung von Büchern, Manu-
skripten und Kunstwerken aus den aufgeho-
benen römischen Klöstern aufmerksam machte und
zu energischen Maßregeln zur weiteren Verhinderung
dieses „Jndustriezweiges" anfsorderte.

Für denjenigen, welcher das gottselige Treiben der
römischen Mönche und Nonnen kennt, war damit nichts
Neues gesagt, aber ein anerkennenswerthes Verdienst bleibt
es doch, die Sache im Parlament zur Sprache gebracht
zu haben. Besser wird es dadnrch freilich nicht, denn
was zu verschleppen war, ist längst verschleppt worden
und kehrt nimmermehr an die alte Stelle zurück. Auch
klage ich nicht um die 67 Kisten Bücher, welche der
fromme Vigliani und seine womöglich noch frömmere
Kmntn liczniäntrios, ohne jedes Recht über Staats-
eigenthum zu verfügen, den frommen Vätern der Gesell-
schaft Jesu großmüthig geschenkt haben, denn all' dieses
theologisch-literarische Kehricht ist in Jtalien in Hun-
derten von Exemplaren zu finden und verunreinigt alle
italienischen Bibliotheken. Aber ich beklage, daß eine
staatliche Behörde sich den Vorwurf zuzieht, daß sie
aus übertriebener zärtlicher Rücksicht für Mönche und
Nonnen ausdrückliche Bestimmungen des Gesetzes mit
Füßen tritt und treten läßt, anstatt pflichtgemäß für
die Befolgung desselben zu sorgen.

Man hat zwar in Deutschland keinen besonders
guten Begriff von der Handhabung der Gesetze in Jta-
lien, aber man hat dort, denke ich, doch keine richtige
Vorstellung von der Art, wie in Jtalien Gesetze um-
gangen werden. Dies an verjchiedenen konstatirten

Fällen zu zeigen, soll mit eine der Aufgaben dieses Be-
richtes sein.

Der Export von Kunstwerken ist in Jtalien ein
eben so alter wie lohnender Jndustriezweig. Obgleich
alle Spezialgesetzgebungen der frühern italienischen Staaten
die Ausfuhr von Kunstwerken nach dem Auslande grund-
sätzlich verboten und von einer besonderen Bewilligung
der Regierung von Fall zu Fall und von einer mehr
oder minder hohen Ausfuhrtaxe abhängig erklärten und
die dawider Handelnden mit schweren Strafen bedrohten,
gingen doch Tausende von Kunstwerken, ohne Bewilligung
und ohne Ausfuhrtaxe, in's Ausland, und es dürfte
kaum eine außeritalienische Kunstsammlung geben, die
sich nicht auf diese Weise mit dem größern Theile ihres
Besitzes an Werken antiker Plastik und italicnischer
Malerei versorgt hätte. Die italienischen Exporteure
lachten dem gewissenhaften Käufer in's Gesicht, der sich
den Formalitäten des Gesetzes fügen wollte: sie wußten
besser, wie man es in diesen Dingen anzufangen habe,
um leicht und rasch zum Ziele zu kommen- Wenn man
dies kennt, lächelt man, wenn man in Göthe's „Äta-
lienischer Reise" die Vorbereitungen zur Entführung
der schönen bacchischen Tänzerin liest, die heute in der
Sala delle Maschere des Batikanischen Museums auf-
gestellt ist; mit welchen Zärtlichkeitsausdrücken ein ita-
lienischer Exporteur Göthe beehren würde, wenn er diese
Schilderung läse, wage ich gar nicht anzud^uten. Wäre
es jemals einem fremden Kunstfreunde eingefallen, die
Kolosse des Monte Cavallo heben zu wollen, so würde
solch' ein Exporteur Mittel und Wege gefunden haben,
sie mit derselben Leichtigkeit in's Ausland zu schaffen,
wic irgcnd cin Bronzefigürchen von 10 Centimeter Höhe.
Denn nicht blos der Geldverdienst, sondern auch die
Herzensfreude, der Regierung ein Schnippchen zu schlagen
und sie mit all' ihren Aufsichtsorganen dem öffentlichen
Hohn preiszugeben, wirkten bei solchen Unternehmungen
mit und machten erst eigentlich ihren Reiz aus. Ueber-
dies galten alle Beamten vom ersten Minister bis zum
letzten Zollwächter für brave Leute, die, wenn es sein
mußte, beide Augen schlossen, nnr um nichts zu sehen,
was sie nicht sehen sollten.

Dies vorausgesetzt, wird man sich nicht wundern
dürfen zu hören, daß Mönche und Nonnen in der Vor-
aussicht der Aufhebung der Klöster rechtzeitig alles zur
Seite schafften, was ihnen einen Verkaufswerth zu haben
schien. Choralbücher mit Miniaturen, Bilder, Statuen,
Gobelins, alte gestickte Meßgewänder, alte goldene und
silberne Kirchengefäße wurden layge vor der Aufhebung
der Klöster in Sicherheit gebracht und durch vertraute
Mittelspersonen verkauft. Jch will hier nur ans meiner
persönlichen Erfahrung den einen Fall erwähnen, daß
einer meiner Freunde, ein kunstsinniger Ausländer, der
sich eine Gemäldegalerie anlegte und sie testamentarisch
 
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