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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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71

Kunstliteratur,

72

Aunstliteratur.

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äon, Oliaxniaii Lnä Hg.I1. 1875.

William Müller galt als der bedeutendste Veduten-
maler der englischen Schule. Seine Laufbahn, obwohl
nur kurz, war merkwürdig genug, und seine Arbeiten in
Aquarell und Oel sind im Laufe der Zeit fünf-, ja
zehnfach im Werthe gestiegen. Daher hat die in dem
vorliegenden Werke versuchte ausführliche Schilverung
seines Lebens gewiß auf Jnteresfe und Beifall zu
rechnen.

William Müller ist zwar in England geboren,
aber feine Eltern waren deutscher Abkunft. Sein Valer
stammte aus Danzig. Wie erzählt wird, verlor er
zur Napoleonischen Zeit so ziemlich sein ganzes Ver-
mögen, machte sich zur Nachtzeit aus dem Staube und
suchte in England eine Zufluchtsstätte. Er fand sie
in der alten Stadt Bristol, wo er sich durch Fähigkeit,
Fleiß und ehrbaren Lebenswandel eine gesicherte Lebens-
stellung zu schaffen wußte und mit dem Amte eines
Kurators des philosophisch-wisfenschaftlichen Jnstituts
der Stadt betraut wurde. Der Erziehung des Sohnes
widmete er sreilich wenig Sorgfalt; dieser hat seine
Ausbildung als Maler fast einzig der Natur zu ver-
danken. Schon im vierten Jahre begann er seine Zeichen-
studien, und von frühester Jugend an pflegte er die em-
pfangenen Eindrücke mit der Feder festzuhalten. Eifrig,
rastlos und voll kühnen Strebens zog er mit knappen
Geldmitteln hinaus in die Welt, zunächst nach Antwerpen,
dann den Rhein hinauf nach ver Schweiz und Jtalien
und weiter endlich nach Aeghpten und Kleinasien. Mit
dem Ranzen auf dem Rücken zog er seine Straße und
sah sich dabei Ranbansällen und anderen Fährlichkeiten
ausgesetzt; in Aegypten soll er mit nur wenigen Groschen
seinen täglichen Unterhalt bestritten und sein Leben unter
harten Entbehrungen gefristet haben. Leider war die
Lanfbahn des unternehmenden Künstlers ebenso kurz wie
abenteuerlich. Mit Studien und Skizzen beladen, die
er meisterhaft in sreier Luft zu Papier gebracht, kam
er aus dem Orient zurück, und seine Freunde knüpften
daran die sanguinischsten Hofsnungen auf Lohn und
Ruhm. Jn wenigen Monaten aber erlag Müller einer
schweren Krankheit, die ihn ergrisfen, und starb 1845,
erst 33 Jahre alt. Seine Palette hatte er noch am
Morgen seines Todestages mit srischen Farben versehen.
Die Romantik seines Lebens mag nicht wenig dazu bei-
getragen haben, daß seine Skizzen und Gemälde so hoch

im Preise stiegen, daß sie für die Ueberlebenden ein
Vermögen darstellten.

Nach der Natur zu zeichnen und zu malen, ist seit
geraumer Zeit in steigendem Maße bei den englischen
Künstlern Sitte geworden, und wie in anderen Ländern
sind der Methoden viele. So haben in den letzten Jahren
gewisse Maler, die man sonderbarer Weise als Prae-
Raffaeliten bezeichnet, ihre Zelte in Wales und anderen
Lieblings-Gegenden ausgeschlagen, bleiben dort monate-
lang an einem Orte, um die Ansicht eines Berges, eines
Baumes oder Felsens facsimile wiederzugeben. Diese
Künstler malen in der That ihre Bilder völlig im Freien
und lassen der Atelier-Arbeit nichts mehr zu thun übrig.
Aber diese schwierige Art zu arbeiten ist denn doch zu
ermüdend und langwierig, so daß man allmählich davon
zurückkommt. William Müller schlug den entgegenge-
setzten Weg ein. Er versah sich mit Kartonbogen von
rauher Oberfläche und großer Saugfähigkeit, mitunter
etwas getont, um den Gegenstand schneller in seiner
Tiefe und Breite skizziren zu können. Sodann führte
er einen Bleistift mit sich, mit dem er leicht und sicher
die Umrisse der Hauptform der Landschaft fixirte. Er
war auch mir einem Borstpinsel für breite Massen und
mit kleineren Spitzpinseln für Details ausgerüstet. So-
dann führte er eine Büchse mit trockenen, nur sür den
unmittelbaren Gebrauch angefeuchteten Farben mit sich,
dazu ein kleines Fläschchen mit opakem Weiß, um damit
schließlich die Lichter noch etwas aufzuhöhen.

Der Grnndsatz seiner Malweise war: „Halte auf
trockene Farben, vermeide undurchsichtiges Weiß, sorge
sür Durchsichtigkeit der Schatten und benutze für die
Lichter den weißen Grund des Papiers." Es erhellt
daraus, daß William Müller sich an das ursprüngliche
Shstem der Aquarellmalerei in England hielt, daß er
in seiner Vorliebe für durchsichtige Lasuren im geraden
Gegensatze zu der neuen Praxis stand, die mit ihrem
schweren, massigen Austrag undurchsichtiger Farben der
Oel- und Temperamalerei nahe kommt. Wahrhaft er-
staunenswerth ist die Schnelligkeit, mit welcher der
Künstler die große Zahl seiner Werke bei so kurzer
Lebenszeit geschasfen haben muß. Jn England wie in
Aegypten und Kleinasien pflegte. er sich zum Malen
niederzusetzen, und zwei, höchstens vier Stunden brauchte
er zur Ausführung einer der Skizzen, die ihm den Ruf
des größten englischen Vedutenmalers eingetragen haben.
Er arbeitete mit einem Feuereifer, der bis znr Leidenschaft
ging, ein wahrer Fanatiker seiner Kunst. Niemals än-
derte er etwas an seinen Skizzen, da er einen Gegen-
stand stets voll, mit ganzer Hingebung ergrisf. „Er
wars seine Seele aus das Papier", und die Seele war
es, die der Materie Werth und Bedeutung gab. Ob-
wohl kein Philosoph, ging er in seinen Naturstudien
dnrchaus analytisch zu Wege; sein Ziel war, das la-
 
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