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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Berggruen, Oscar: Die Selleny-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [4]
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Englische Kindermärchenbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0111

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Englische Kindermärchenbücher

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schauung bringen, als dies hier geschehen. Dieselbe
Uebersichtlichkeit und Schärfe des Details bei allem
Drängen im Raume zeichnet auch zwei „tropische Vege-
tationsgruppen" aus, von denen die eine, mit der Feder
gezeichnet, die höchste Bewunderung verdient. Die la-
virte Zeichnung des „Domes von Spalatro" erwähnen
wir als Beispiel eines prächtigen Architekturstückes, wie
es selbst speziellen Architekturmalern nicht zu häusig ge-
lingt; auch die „Spitalkirche in Mödling" ist eine muster-
haste architektonische Aufnahme. Schließlich sei noch des
berühmten uralten Drachenbaumes im Garten der Villa
Orotava aus Teneriffa gedacht, den Sellenh am 17. De-
zember 1859 porträtirte; von dem sastigen, dunkelgrünen
Grunde einer Thuja-Gruppe gehoben, steht der mäch-
tige, braune Stamm majestätisch da und streckt seine
laublosen, zu einer mit grünen Spitzen besetzten Zacken-
krone schlangenartig verschlungenen Aeste in die Höhe,
so daß er aussieht wie ein lignifizirter Riesen-Kaktus.
Dieses höchst interessante und belehrende Pflanzenbilv
fühct uns zurück zur Weltreise des Künstlers, auf wel-
cher wir ihm demnächst das Geleite geben wollen.

Oskar Berggruen.

Englische Kindermärchenbücher.

Man wird fragen, warum wir erst nach dem
Christfest auf Bücher aufmerksam machen, welche doch
gerade zur Weihnachtsgabe sich am besten eignen würden?
Nun, wir wollen als Grund für diese Verspätung an-
führen, daß unsere Besprechung nicht auf eine aller-
neueste Erscheinung des Christmarktes sich bezieht, und
daß wir weniger um der lieben Kleinen willen als viel-
mehr der Künstler und Kunstfreunde wegen aus die höchst
eigenthümlichen und in ihrer Art unvergleichlich schönen
Geschenke verweisen, die wir der Königin von England
verdanken. Als ein Freund vor einem Iahre uns diese
Neuigkeiten von London mitbrachte, da staunte Jeder-
mann darüber, und sofort wurden alle Buchhändler mit
Bestellungen bestürmt, jeder Künstler wollte sie besttzen.

„Tlle No^ul illuminütsck dooll ol' NoZ'onck^,
(^3.rrLt6ck in nnoisnt Lalluck t'ornr; -vvitll Äpxro-
priuts Nrmio, urrunAoä in nn st/Io, lor Voioo
unck kiunokorto, 8nitock to littlo Ilolll^ or Arout
I'olll« unck Ninstrsls ot' ull äoAroos (LckindnrAll,
^Villiunr N. Minino) Nuron.8 ^Vnrä, illunii-
nntor to tdo <Tn6on" ist der Titel der älteren Serie
dieser illustrirten Märchen sür Kinder und Erwachsene.
Es sind vier Hefte in Quersolio, jedes zu dem Preise
von 1 Schilling, und sie enthalten das Märchen vom
Aschenbrödel, Dornröschen, die Ballade von der Schönen
mit den goldenen Locken unv von Ladh Ouncebelle.
Der Druck des Textes und der Musikbeilagen ist muster-
haft, wie es bei einem Geschenk für Königskinder sich

geziemt, die Abbildungen, Farbendrucke auf Goldgrund,
einfache Konturzeichnungen mit kräftigen Farbentönen,
sind vorzüglich zu nennen. Jedes einzelne Blatt ist ein
kleines Kunstwerk, der Charakter des Volksmärchens
kaum jemäls besser getrosfen worden als hier. Die Fi-
guren sind so streng in der Haltung, so drastisch komisch,
wo es nöthig, wie bei Aschenbrödel's Schwestern, so
stnnig liebenswür'vig, anmuthig bei dieser selbst, so im-
ponirend pathetisch bei der verzauberten Königstochter,
ganz einzig .naiv bei dem erwachenden König, der so
köstlich verschlafen gähnt nebst seinem ganzen Hofstaat,
daß man ihn um seinen guten Schlaf beneidet, so groß-
artig stilvoll und prächtig bei dem Heimzug der erlösten
Jungsrau mit ihrem Gemahl in stolzem, reichgeschnitztem
Schwanenschiff, kurz so ganz unvergleichlich, daß man
nur betrachtet und staunt, begeistert ist und sich wünscht,
noch ein Kind zu sein. Dem modernen Märchen, denen
von Bechstein, Leander oder Hauff, mag der Charakter
der Barokzeit entsprechen in der Gestaltung des Bei-
werks; aber Märchen, welche schon seit einem Jahr-
tausend im Volksmund sind, kann man sich kaum anvers
illustrirt denken, als es hier geschehen: srühmittelalterlich
phantastisch ist das reich detaillirte Kostüm und die
Architektur, schlicht und primitiv, im Stil nordischer
Alterthümer sehen wir die Mobilien, prächtig und har-
monisch stimmt die Farbengebung zum Goldgrunv.
Diese Bilder erinnern sowohl an romanische Glasmale-
reien als an srühmittelalterliche Fresken over gestickte
Teppiche, ja es ist etwas von altklassischem Wesen
darin; so etwa könnte man Thonvasen bemalen, um die
germanischen Märchen bildlich zu verewigen.

Die zweite neuere Serie dieser Bilderbücher unter
dem Titel ,IVu1t6i' 0run6'8 to^ Looll^" (Nonckon
L idlorv^oi'll, (ckoor^o ItontlockZ'e unck 8onb) ist nicht
minver bedeutend; auch bei diesen vier Heften sieht man
sosort, daß nur Dank der königlichen Munisieenz das
Gebvtene zu dem wohlfeilen Preis von nur 1 Schilling
pro Hest geleistet werden konnte. Die Umschläge schon
sind allerliebst arrangirt: ein Kind greift nach den großen
Früchten eines Orangenbaumes, welcher theilweise durch
zwei Titelschildchen bedeckt ist; aus vier großen Orangen
sind verkleinerte Titelvignetten abgebildet, welche ven
Inhalt der Bändchen: „(äooä^, IKvo 8llo68,1ll6 Ilpllu-
d6t oü olck I^rionck^, Louut^ unä tllo L6g.8t, Tllo
lOroF Urinos" andeuten. Anstatt der Goldgründe, wie
bei ven erstgenannten Büchern, finden wir hier durchaus
Farbendrucke, und zwar in kräftigen, satten Tönen, so
daß diese Bilder noch mehr an Glasmalereien erinnern
als die früheren; trotz der starken Farbengegensätze ist
eine völlige Harmonie erreicht, welche beim Betrachten
der Blätter unter Lampenlicht sich verstärkt. Auf den
Jnhalt dieser überaus reichen Märchenbilder einzugehen,
aus alle ihre vielen schönen Einzelheiten aufmerksam
 
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