Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

DOI Artikel:
Berggruen, Oscar: Die Selleny-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [5]
DOI Artikel:
Bergau, R.: Zur Kenntniß der Nürnberger Goldschmiedekunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0118

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
223

Zur Kenutniß der Nürnberger Goldschmiedekunst.

224

bei ruhiger See kann nicht vollendeter wiedergegeben
werden, als auf einer derartigen Marine unseres Künst-
lers; sein Aquarell „Vollmond auf dem großen Ocean",
kann man, ebenso wie den „Sonnennntergang", an
Stimmung und Farbenreiz nicht überbieten, und nicht
minder ausdrucksvoll ist die Marine „Bewegte See",
obwohl blos mit Bleistist gezeichnet. Den Wendekreis
des Steinbocks hat der Künstler durch ein spezielles Bild
des Oceans unter diesem ideellen Wahrzeichen des Tropen-
gebietes geehrt, gleichwie dem Aequator ein ahnliches
Denkmal von Hildebrandt gesetzt worden ist. Einige
meisterhaft gezeichnete und kolorirte Cocospalmen be-
zeichnen die Vegetationssphäre des herrlichen Himmels-
striches aus Tahiti, wo ein wohlgebildetes, humanes, ja
liebenswürdiges Geschlecht schon bei Entdeckung dieser
Jnsel angetrosfen ward. Wenn man die zahlreichen
Gesichter und Gestalten näher besichtigt, welche Selleny
hier aufgenommen, geräth man in Erstaunen varüber,
wie wenig die Ra^e von der kaukasischen abweicht. Die
leicht gebrännten, feinen Gesichter, die großen strahlenden
Augen,das blauschwarze, dünneHaar,den schlankenGlieder-
bau — das Alles konnen wir sast ebenso in unserer Nähe,
in den magyarischen Ortschasten Ungarns sehen; den
kindlich-offenen, liebenswürdig-schalkhaften Gesichtsaus-
druck aber haben die Jnsulaner vor diesen nnseren Nach-
barn voraus. Auch die Bekleidung, namentlich der un-
vermeidliche Strohhut, muthet uns civilisirt an, und
um der Civilisation in diesem wirklichen ultima Mruls
der Welt die Krone auszusetzen, sinden wir daselbst Dy-
nastien und Souveräne, als deren Hofmaler unser
Künstler zeitweilig fungirt. Wir sehen die Königin
Pomars V. aus Tahiti in ihrer ganzen wohlbeleibten
Majestät, behaglich lächelnd, einen mächtigen Rosenstrauß
in den gelblichen fetten HLnden und denken, daß sie kein
allzu strcnges Regiment führen dürfte; das Königspaar
Pomatogrou, deren Sohn und Kronprinz von auf-
fallend lichter Farbe und sast kaukasischer Gesichtsbildung
ist, überdies aber durch seine intelligente, angenehme
Physiognomie sofort für sich einnimmt, dürfte ebenfalls
„Frieden haben mit seinem Volke." Der Typus dieser
Jnsulaner giebt viel zu denken, und es könnte mit keinem
ethnographisch-interessanteren Vorwurfe die Ausstellung
der Selleny'schen Reisebilder geschlossen werden, die in
ihrer Gesammtheit eine so werthvolle Bereicherung der
Wissenschaft ansmachen, und deren Entstehung dem
Staate nicht minder zur Ehre gereicht, als die Aus-
führung dem Künstler und der Kunst in Oesterreich.

Wieu, December 1875. Oskar Bergqruen.

Iur Kenntniß -er Nürnberger Goldschmiede-
kunjt.

Jn Spemann's „Kunsthandwerk", Bd. I, Taf. 20
ist die Abbildung eines Schmuckkästchens in der Schatz-
kammer zu Stuttgart publizirt, welches die Heraus-
geber für italienische Arbeit halten. Das Letztere
erschien mir von Anfang an, trotz der Hinweisung
auf eine im Jahre 1474 erfolgte Verheirathung des
Grafen Eberhard im Bart mit einer Prinzessin aus
dem Hause Gonzaga, die mit diesem Kästchen jedoch
in gar keiner Verbindung steht, sehr zweifelhast. Jch
sand daran Ornamente, welche offenbar dem Nürnberger
Goldschmied Wenzel Jamitzer angehören. Da auch die
ganze Komposition, und die Art und Weise, wie die
großen Flächen getheilt sind, an den Stil W. Jamitzer's
erinnern, glaubte ich, trotz der etwas trockenen Konzeption
des Ganzen — die reiche Farbenwirkung des Originals
konnte in dem Holzschnitte nicht wiedergegeben werden
— es sei vielleicht ebenfalls eine Arbeit W. Jamitzer's.
Um Gewißheit darüber zu erhalten, wandte ich mich nach
Stuttgart mit der Bitte, dieses Kästchen mit Rücksicht
auf die Goldschmiedemarke zu untersuchen. Herr Pro-
fessor Dr. Wintterlin sandte mir daraus in liebenswür-
digster Weise eine genaue Beschreibung dieses KLstchens
und theilte mir mit, daß ein IO eingestempelt sei, woraus
sich ergiebt, daß dieses Kästchen Nürnberger Arbeit
ist. — Auch die Marke des Meisters ist vorhanden und
dabei ein L. eingravirt. Leider lennen wir jedoch
nicht die Namen der Meister, welchen die bekannten,
oft vorkommenden Marken angehören. *)

Bei weiterem Studinm habe ich dann gefunden,
daß der Triglyphenfries dicht unter dem Deckel und
mehre andere ornamentirte Glieder Kopien nach Ja-
mitzer sind. Ersterer findet sich z. B. an einem silbernen
SchmuckkLstchen ans v. Nagler's Sammlung, jetzt im
kgl. Museum zu Berlin (eine photographische Abbildung
desselben publizirte das deutsche Gewerbemuseum zu
Berlin) und an dem großen Pokal im Besitz des deutschen
Kaisers (publizirt von A. Ortwein in dessen Deutscher
Renaissance, Abth. Nürnberg, Tas. 65—67), beides
beglaubigte Arbeiten W. Jamitzer's.

Daraus ergiebt sich also, daß das in Rede stehende
Schmuckkästchen eine aus der zweiten Hälfte des sech-
zehnten Jahrhunderts stammende Arbeit eines Nürn-
berger Meisters zweiten Ranges ist, welcher, vielleicht
ein Schüler Wenzel Jamitzer's, dem Letztern nachstrebte,
Modelle aus der Werkstatt Jamitzer's sich verschafste und
bei seinen Arbeiten angewendet hat.

Daß solche Benntzung der Arbeiten W. Jamitzer's

*) Vielleicht findet sich gelegentlich noch einmal ein Ver-
zeichniß der Nürnberger Goldschiniedemeister nebst Angaben
ihrer offiziellen, auf dem Nathhause hinterlegten Marken.
 
Annotationen