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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Architekturbericht aus Bremen
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0158

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303

Nekrologe.

304

Man schützt sie, man restaurirt sie, man ergänzt sie
genau in ihrem Stile, man sammelt pietätvoll die
Trnmmer der abgerissenen und baut sie wieder auf, ja,
um die gestörte Harmonie wieder herzustellen, beginnt
man sogar hier und va in der Nachbarschaft solcher alter
Giebelhäuser die Neubauten in vollkommen gleichem
Stile aufzuführen, und zwar mit einer Treue, die sogar
die Verirruugen der Spätrenaissance, z. B. Halbsäulen
mit Rusticaschäften, nachahmt, wie ein sonst trefflicher
Bau Poppe's an der Schlachte zeigt.

Würde man in dieser Weise fortsahren und na-
meutlich noch vier bis fünf moderne Häuser am Markt-
platze durch solch' reiche Giebelarchitekturen ersetzeu, so
würde durch das harmonische Zusammenwirken der
prächtigen Börse, der imponirenden Domfaoade, des
wundervollen alten Nathhauses und des ehrwürdigen
Schüttings mit den übrigen alterthümlichen Giebelbauten
ein Stadtbild geschassen, dem in seiner Weise an ma-
lerischer wie architektonischer Bedeutung weit und breit
keines an die Seite zu stellen sein dürfte.

Von unseren heimischen Architekten halte von je
Heinrich Müller die hervorragendste Bauthätigkeit, und
sein großartiger gothischer Börsenbau hat seinen Namen
weit über das Weichbilv unserer Stadt hinausgetragen.
Aber auch andere nicht unbedeutende Werke gothischen
Stils bezengen sein Wirken, z. B. die Rambertikirche,
das Wohnhans des Kaufherrn Wätzen hierselbst und das
Landhaus desselben in Blumenthal, diese beiden in den
Formen der englischen Gothik, und endlich das umfang-
reiche Künstlervereinsgebäude, — genug, seine Hauptthä-
tigkeit bewegte sich vorzugsweise im gothischen Stil, und
dennoch bei aller Anerkennung seiner Bedentsamkeit
müssen wir offen und ehrlich bekennen, daß die gothische
Stilausfassung gerade Müller's schwächste Seite ist.
Jn der Anlage des Großen und Ganzen,, im Lösen von
Sitnationsschwierigkeiten ist er oft bewundernswürdig groß,
kühn und genial, in der weiteren Formenausbildung
indessen nur allzn hänsig kalt, trocken, phantasielos und
sich wiederholend bis zur abschreckendsten Einförmigkeit.
Seine ewig gleichen Profilirungen, seine Fenster mit
einem und demselben nüchternen Maßwerk müssen
selbst dem Laien auf einen Blick lehren, wie sehr ihm
all' jene poesievolle und rastlos Blüthen auf Blüthen
treibende, ewig sich erneuende Schöpferkrast abgeht, die
uns bei den mittelalterlichen Bauten stets mit neuem
Reiz fesselt, mit neuer Freude und Bewunderung erfüllt.
Sein letztes gothisches Werk, der neue noch im Bau
begriffene Theil des Künstlervereins, welcher bestimmt
ist, die verschiedenen Sammlungen aufzunehmen, ein
mächtiges in drei Geschossen aufsteigendes Viertelrund
zwischen der Künstlerhalle und dem Domthnrme, ist, was
die Außenseite betrifst, gar das Nüchternste, Einsörmigste
und Phantasieloseste, was je von ihm geschaffen ist, was

doppelt beklagenswerth, da diesem Bau leider der von
ihm eingeschlossene alte Kreuzgang unseres Domes größten-
theils zum Opfer werden muß. Hofsen wir, daß was
draußen gesündigt, drinnen wieder gut gemacht werve.
Denn eben in der Anlage und Ausbildung der Jnnen-
räume hat sich das praktische Talent und der Sinn für
edle Verhältnisse an unserem Künstler noch am meisten
bewährt-

Und sollte man's glauben, dieser nüchterne, klobige,
formenarme Gothiker Heinrich Müller wird auf einmal
reizvoll, anmuthig, formenreich und liebenswürdig, so-
bald er das Gebiet einer edlen Früh- und Hochrenais-
sance betritt. Mit einem Blick sieht man, daß er hier
zu Hause ist und seine Werke in diesem Stil Schöpfungen
aus seinem innersten und echtesten Gefühle sind. Das
bezeugte seit Jahren eine große Reihe höchst ersreulicher
Privathäuser, und vor Allem sein erst vor einem Jahr
vollendeter Prachtbau, das Clubs-Museum, ein Werk,
das in seinen edlen Verhältnissen etwa an die Weise
des Sansovino erinnert, und bei dem man nur die
etwas unruhige und gehäufte Ornamentik des Ober-
geschosses anders wünscht, dessen Jnneres aber dnrch
seine vornehme behagliche Ausbildung von der Begabnng
des Künstlers auf diesem Felde einen erfreuenden Beweis
liefert.

Rippe, der Erbauer des kleineren Neustädter Bahn-
hofes, ist dagegen Gothiker von ganzer Seele, wendet
sich indeß mit gleichem Erfolge auch der Nachahmung
alter norddeutscher Renaissance zu, während, wie schon
bemerkt, Poppe's Talent sich mit feinem Gesühle und
reicher Ideenentfaltung vornehmlich in den üppigen
Formen französischer Bauweise bekundet. ??

Nekrologe.

Thomas Ender P Am 28. September des ver-
flossenen Iahres starb in Wien ein alter Herr, welcher,
in letzterer Zeit halb vergessen und verschollen, gleich-
wohl in früheren Tagen sich eines eben so bedeulenden
wie verdienten Rnfes erfreute und während der drei-
ßiger und vierziger Iahre zu den hervorragendsten Künst-
lern der österreichischen Kaiserstadt zählte: der Land-
schaftsmaler und frühere Prosesfor Thomas Ender.

Ender war als Zwillingsbruder des bereits 1854
verstorbenen Historienmalers und Professors Johann
Ender im Jahre 1793 in Wien geboren und arbeitete
sich gleich Letzterem durch Fleiß und Talent aus einer
untergeordneten sozialen Stellung empor zu Ehre und
Ansehen, zu einem weitverbreiteten künstlerischen Ruf
und bedeutender Wohlhabenheit.

Als Schüler der Wiener Akademie unter Pro-
fessor Mößmer war es wohl hauptsächlich seinem eigenen
Genie und rastlosen Fleiße anheimgestellt, sich in kurzer
Zeit zu selbständigem Schassen aufzuschwingen. Nach-
dem er akademische Preise errungen, fand er an mehreren
kunstsinnigen Prinzen des kaiserlichen Hauses, namentlich
am Erzherzog Johann, wie auch an anderen hochgestellten
 
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