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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Ein Brief Rietschels
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0211

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XI. JalirMNg.

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flnd an vr. C. t». Lützow

3Z1 Ld. an die Verlagsh.
i^eipzig, Königsstr. 3),

7. Ipril

d!r. 26.
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Jnhalt: Ein Brief Rietschel's. — Aus dem Wiener Künstlerhause.— Die Ausgrabungen in Olympia. — K. preuß. Akademie: Preisbewerbung. — Düssel-
dorf: Ausstelluug. — Die Organisation der Verwaltung der k. preuß. Museen; Soddoma's Opfer Abraham's; Das Modell zum Berliner Goethe-

Ein Grief Nietschess.

Wir erhalten die nachfolgende Zuschrist:

„Gestatten Sie mir, in Jhrem geschätzten Blatte
eine Stelle in der II. Auflage meiner Biographie Riet-
schel's, welche in Folge einer nicht ganz richtigen Auf-
fassung der Verhältnisse von mir darin aufgenommen
worden, und die Beziehung von Rietschel's Schüler,
Professor A. Wittig in Düsseldors, zn dem Meister be-
trifft, hiermit richtig zu stellen. Ich habe nämlich auf
Grund von Mittheilungen mit Rietschel befreundeter
Personen bei dem Erscheinen der II. Auflage behauptet,
Wittig habe das frühere innige Verhältniß seinerseits
erkalten lassen. Herr Professor Wittig, hiervon schmerzlich
berührt, hat mir nun Material vorgelegt, aus welchem
hervorgeht, daß ich mich geirrt. Da ich mir be-
wußt bin, bei meiner Arbeit die Wahrheit möglichst
rein erstrebt zu haben, und da gerade die treue An-
hänglichkeit der Schüler zum Meister eine so wohl-
thuende Seite von Rietschel's Künstlerleben bildek, er-
scheint es mir als Pflicht, den nachsolgenden Bries mit-
zutheilen, aus welchem deutlich hervorgeht, wie bis kurz
vor dem Tode des Meisters das Verhältniß desselben
zu dem bedeutenden, ganz eigenartigen und selbstän-
digen Schüler, der damals bereits als einer unserer
bedeutendsten Bildhauer galt, in ungetrübter Weise fort-
bestanden hat, und von welcher Wärme der heimgeganbene
Meister im geistigen Verkehre mit seinen Schülern beseelt
war. Für künstlerische Kreise ist der Brief von allgemei-
nerem Jnteresse, für die Freunde Rietschel's srischt er das
liebenswerthe Bild desselben für die Erinnerung auf.

Zittau am 15. Febr. 1876. Andreas Oppermann."

Dresden, d. 1. Oct. 1857.

Theurer Freund!

Jhre Briefe sind mir immer eine große Freude, und
seit einem Jahre eine Herzensbefriedigung, da ich Sie nun
sester situirt weiß, und die Thür sür Jhr Leben geösfnet,
durch die Sie in eine reiche Thätigkeit eintreten werden. Jch
sühle fort und fort Jhr künstlerisches Wachsthum durch, und
Sie können niit Freude aus Jhre wohlbenutzte Jugend zurück-
blicken, die jetzt anfängt ihre Früchte zu reifen; ich meine
die für Jhr Leben, denn was Sie geschaffen, find schöne,
wohlgereifte Früchte, die nur Andern zum Genuß da waren,
Sie felbst mußten dabei darben. Und wenn Sie auch jetzt
noch nichts von Fülle spüren, fo wird doch das „Genug"
und „Reichlicher" mehr und mehr kommen. Was ich von
Jhnen höre und gesehen, zeigt den festgegründeten Stand-
punkt in der Kunst und unter Künstlern, zu dem Sie früher
und ficherer gereift find, als mancher gepriesene Mann.

Jhre Photographie hat mir große Freude gemacht und
ich danke herzlich dafür. Jch würde Jhnen eine „Goethe-
und Schiller-Gruppe" schicken, wenn fie einigermaßen das
wiedergäbe, denn die Beleuchtung und der enge Raum geben
durchaus falsche Wirkungen. Jhr Relief, die Grablegung,
ist schön komponirt; die Gestalten in ihrer architektonifchen
Wirkung und Vertheilung geben dem Auge wohlthuende
Linien und Maße; daß die Gruppe des Johannes und Jo-
sgph mit Christus mehr heraustritt, als die Frauen-Gruppe,
weiß ich, liegt an der Photographie. Diese Gruppe ist un-
vergleichlich schön, lebendig, tief empfunden; daß Johannes
jetzt das Haupt Chrifti an seiner Brust trägt, ist besonders
schön bedeutsam, und wie trägt er, und wie groß macht fich
die Gestalt, wie schön und wahr liegt Chriftus in den Armen
der beiden Männer! Die Motive find alle durchweg wahr
und naiv, und doch durchweg schön und stilvoll, die Wahl,
welche überall vorhanden, ist nirgend fühlbar. Die Gruppe
der Frauen ist nicht minder schön gedacht, nur hätte ich für
die Maria noch eine größere Jntenfivität des Schmerzes
gewünfcht, weil, wenn die runde Gestalt stilvoll gehalten sein
 
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