Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

DOI Artikel:
Ein Brief Rietschels
DOI Artikel:
Berggruen, Oscar: Aus dem Wiener Künstlerhause, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0212

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
411

Aus dem Wiener Künstlerhause.

412

muß, das Relief freier, dramatischer sein kann. Möglich,
daß zwar der Ausdruck, den ich nicht genug erkenne, die ge-
mäßigte Haltung motivirt. Daß Magdalena die Marterwerk-
zeuge liebevoll an sich drückt und den Zug schließt, ist schön
und ausdrucksvoll. Jn der Photographie würde ich nicht
auf die Absicht schließen, ihre sinnliche Erscheinung im Körper
sehr zum Ausdruck zu bringen. Wohl soll es eine schöne
Gestalt sein, aber die Reuevolle wird, was an ihr früheres
Leben erinnert, in Buße verhüllen, also ihren schönen Körper
nicht absichtlich zeigen, d. h. durch den Künstler absichtlich
zeigen lassen. Jhre Hagar hat hier im Museum einen sehr
guten Platz, und das Werk ist, so oft ich davor trete, von
sehr großem Eindruck für mich, groß und mächtig, schön und
doch dabei durchaus wahr und tief 'empfunden; wo das sich
vereint, ist Alles gelöst. Nur wo so, mit solcher Liebe, sol-
cher Entsagung und Energie der Ausdauer, ein tüchtiges
Talent sich verbindet, sind solche Erfolge zu erwarten. Wie
viel Talent ist doch überall zu bemerken, aber wie viel geht
unter, weil die Meisten meinen, das Talent allein mache es,
sie lernen nichts und können deshalb nichts; die Zeit wird
verthan in schönen Phantasien, Empfindungen, Kritisiren;
man hört vortresflich raisonniren über Kunst; sie wissen Alle
schon, wie das Ziel aussieht, das sie erreicheu sollen, kom-
poniren und lesen, und sehen, und zu arbeiten unterlassen
sie mit dem Troste, daß Technik, wie sie es zu nennen be-
lieben, Nebensache und nebenbei zu lernen sei. Was ist aber
Technik, wo fängt sie an und hört auf? Für mich bleibt wenig,
was ich so nennen kann. Es wird immer seltener bei jungen
Leuten, die Art Liebe und Entbehrungsfreudigkeit, und diese
Arbeitslust, wie ich sie an Jhnen gesehen, und wie ich sie
auch geübt; und wenn die Erkenntniß eintritt, ist es zu spät
nachzuholen. Wie Mancher nimmt jede Brodarbeit an und
verflüchtigt sich dabei, der es nicht so nöthig hätte, der bei
einiger Entbehrungsfähigkeit und Ausdauer, bei Entbehrung
von Lagerbier und Cigarren etwas ihn Förderndes dafür
arbeiten könnte.

Für das Grabmonument Koch's habe ich hier circa 40
Thlr. zusammen getrieben, theils persönlich angegangen,
theils bei der Ausstellung ausgelegt. Jch habe das Geld
noch nicht beisammen, Einige sind verreist, die aufgeschrieben,
Einige wohnen auf dem Lande. Jch denke, wenn Sie mir
binnen drei Wochen nicht etwa schreiben, in welcher Art ich
es Jhnen übermachen soll, es durch einen Wechsel an Sie
zu übersenden.

Von den Weimar'schen Festen haben Sie gewiß gelesen
oder gehört. Sie waren schön und sehr angeregt, und es
herrschte eine allgemeine festliche Stimmung, woran die Be-
deutung des Festes, die Gastlichkeit Weimars, und auch die
der großherzoglichen Familie und deren Herzlichkeit, das
schöne Wetter, kurz Alles, Alles seinen Theil hatte. Es ist
mir viel Gutes widerfahren, über alles Maß dessen hinaus,
was ich mir je zu wünschen und zu hoffen nur den Muth
gehabt hätte. Da ich mir bewußt bin, nie im Leben etwas
gethan zu haben, Auszeichnungen zu erjagen, als das nach
meinen Krästen das Beste zu thuen, was möglich ist, so
werde ich auch denen nicht grollen, die mich einen Bevor-
zugten des Glücks nennen, denn zwei und vier können Gleiches
verdienen und nicht verdienen, dem Einen wird gegeben, dem
Andern wird versagt, keiner thut dazu und dagegen.

Eine Arbeit zuerst in Bronze sehen, erschreckt allemal;
wo Masse, wo Rundung, wo Weichheit sein soll, ist sie sehr
oft durchschnitten von grellen Blitzlichtern und Glanzschatten.

Für den Künstler ist solcher Eindruck peinlich. Mein Schwa-
ger, wohlbestallter Aktuar, hat sich herzlich Jhrer freund-
schastlichen Erinnerung gefreut, und daß Cornelius seinen
Kunstansichten beifällig war; er ist eine prächtige Natur und
reich begabt, und war hier beim Verein der jungen Künstler
ein beliebtes und anregendes Element

Wislicenus habe ich in Weimar, doch immer im Fluge,
gesehen und gesprochen. Jch hosfe mehr zu hören, wenn er
hierher kommen wird. Jch beschäftige mich jetzt mit Weber's
Statue, keine günstige Aufgabe. Ein kleines Knabenfigürchen
für einen Amerikaner, das in Marmor ausgeführt werden
soll, und das 1/3 Lebensgröße Hilfsmodell zur Quadriga,
für Braunschweig, das in Kupfer getrieben werden soll. An
Schwenk geben Sie das Briefchen gefälligst ab. Was Sie
von seiner Arbeit gesagt, freuet mich. Bei seiner Bitte um
Zuschuß war ich zwar nicht da, verreist, doch hätte ich auch
nichts vermocht. Denn wo das Geld fehlt, da läßt sich eben
nichts thuen, und wären es 50 Thlr., ein ganzes Reise-
stipendium kann und darf nicht zersplittert werden, und wer
mit dabei sitzt, gewinnt andere Ansichten über derlei Dinge.
Mir thuet es herzlich leid, und wie gerne wollte ich aus vollen
Säcken bewilligen.

So leben Sie wohl, theuerer Freund, erhalten Sie mir
Jhre Gesinnung, und möge Jhre Thätigkeit fort und fort
gesegnet sein. Mit den herzlichsten Wünschen und Empfeh-
lungen an Herrn Cornelius stets in alter Gesinnung

Jhr

E. Rietschel.

^ä LiAnoro

LiAnoro ^Aosto IVittiA
seultoro toäo^oo
n

Hnnm

kr. 13. viu 8t. Imäoro.

Aus dem Mener Künstlerhause.

Die Zeit, während welcher die große Frühjahrs-
Ausstellung des Künstlerhauses vorbereitet wird, pflegt
nur selten eine so bedentende Novität aufzuweisen, wie
heuer Passin i's „Kürbisverkäuser in Chioggia
War es schon, wie wir in unserem letzten ^Berichte er-
wähnten, ersreulich, nach langer Zeit wieder einmal ein
Lebenszeichen von diesem Künstler zu erblicken, so konnte
man das neue große Meisterwerk, welches er diesmal
aus der Lagunenstadt gesendet, nur mit Entzücken be-
grüßen. Denn unstreitig gehört dieses Aquarell zu dem
Besten,. was Passini bisher geschassen, und somit auch
zn dem Besten, was auf dem Gebiete der Aquarell-
malerei überhaupt geleistet wurde. Es ist ein spezifisch
venetianisches Genrebild, da auch Chioggia, das „kleine
Venedig", die Eigenthümlichkeit des Verkehrs zu Wasser
besitzt- So ist denn auf unserem Genrebilbe ein ambu-
lanter Kürbisverkäufer anf seinem Kahne in einer Seiten-
straße angeschwommen, nnd preist unter lebhaften, sach-
verständigen Auseinandersetzungen seine bei den niederen
Volksklassew so beliebte Waare an. Einer seiner rau-
chenden Jungen benützt die Zwischenzeit, um sich in
 
Annotationen