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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Berggruen, Oscar: Die Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0255

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497

Nekrologe.

498

Hintergrunv den besten Theil der Leistung bilvet. Karl
Probst hat sich mit der in Zeichnung und Farbe gleich-
mäßig gelungenen Wiedergabe eines an sich reizlosen
Kopfes als vielversprechender Porträtmaler eingeführt
und der Schule seines Lehrers Angeli alle Ehre ge-
macht. Als neues Talent im Porträtsache können wir,
trotz mangelhafter technischer Ansbildung, auch die Gräfin
Nemes-Ransonnet bezeichnen, die ein geistreich auf-
gesaßtes, unter starker Anlehnung an Lenbach gemaltes
männliches Porträt ausgestellt hat. Sehr anmuthig
und fein ist ein Familienporträt von Franz Rumpler
durchgefnhrt, dessen Komposition und Kolorit an die
guten niederländischen Vorbilder solcher Darstellungen
erinnert. Die anderen, der Zahl nach nicht unbedeu-
tenden Porträts können wir fnglich nnbeachtet lassen.
Einige derselben, wie das Bildniß eines kleinen, auf
dem Felle eines gewaltigen Eisbären liegenden Knaben,
oder das Konterfei eines unter Salonpalmen auf einem
Salonteppich sehr kokett dasitzenden jnngen Salonmenschen
hätte man im Jnteresse der Letreffenden Maler zur
Ausstellung nicht zulassen sollen; der Knabe verrenkt
wie ein Hampelmännchen seine Beine bis zur anato-
mischen Unmöglichkeit, und der Jüngling scheint keine
Oberschenkel zu besitzen, so daß man nicht begreift, wie
er überhanpt eine „sitzende Stellung" einnehmen kann.

Aus dem Gebiete der Plastik ist das Porträt dies-
mal ebenfalls aufsallend stark, obgleich meistens mit äl-
teren bekannten Arbeiten vertreten. Den ersten Rang
nehmen darunter Viktor.Tilgner's Porträtbüsten von
Führich und Grillparzer ein. Bei überzeugender Por-
trätähnlichkeit sind sie mit feinem Stilgefühle behandelt
und werden der geistigen Bedeutung der dargestellten
Persönlichkeiten vollständig gerecht; die technische Durch-
führung läßt, gleich der prachtvollen Imitation krästig
patinirter antiker Bronze, nichts zu wünschen übrig.
Weniger gelungen erscheint uns Tilgner's Porträtstatue
von Alexander Humboldt. So greisenhaft gebrochen
möchten wir den großen Weltensorscher im Monumente
nicht verewigt sehen; ist er doch schier da noch frischer
und kraftvoller, als ihm aus dem Kaulbach'schen Todten-
tanz Freund Hein die Kugel des Kosmos von den Schul-
tern nimmt und ihn zum Einsahren in den ofsenen
letzten Schacht mit freundlichem Grinsen ladet. Der
Wiener S. Beer, derzeit in Paris, hat mit der Bronze-
büste eines französischen Malers bekundet, daß er nicht
fruchtlos im Bereiche der modernen Pariser Bildhauer-
schule, insbesondere der von Carrier-Belleuse, sich aus-
hält. Mit der frappanten, kühn realistischen Jndivi-
dualisirung und dem fast fühlbaren Lebenshauche geht
das Werk über die Grenzen der Plastik ebenso hinaus,
wie es mit der slotten, trotz aller Feinheit willkürlichen
Behandlung die Technik der Bronze überschreitet und zu
der des Thonmaterials hinübergreift. Ganz achtbare Por-

trätbüsten in Gips haben auch Costenobl e und Silber-
nagel ausgestellt; eine Terracottabüste von Deloye
interessirte uns als gelungene Nachbildung ähnlicher
Renaissancearbeiten, welche der Künstler sogar bis zur
chromLtischen Jmitation eines Schmuckes von farbigen
Edelsteinen trieb.

Schließlich ist das Porträt diesmal auch auf einem
Felde zu sinden, auf welchem wir ihm zu begegnen gar
nicht mehr gewohnt sind, weßhalb wir es dort um so freu-
diger begrüßen. Von dem Kupserstecher I. L. Raab
in München, den eine im Auftrage der Wiener „Ge-
sellschast für vervielsältigende Kunst" ausgeführte Ra-
dirnng nach Knaus in Wien vortheilhaft eingesührt
hat, ist eine Serie von nach der Natur radirten Bild-
nissen Münchener Künstler ausgestellt, welche zu den
besten neueren Arbeiten dieser Art gezählt werden dars.
Sicher und scharf in den Umrissen, klar und elegant
in der Durchführung, treffend in der Auffassung und
von feiner malerischer Empfindung in der Disposition
machen diese Original-Radirungen einen wohlthuenden,
Eindrnck; nur möchten wir, durch die Nadel Unger's
verwöhnt und im Hinblick auf das große Format, eine
intensivere koloristische Behandlung der Blätter wünschen.
Einzelne derselben sind übrigens ohnedies glänzende
Leistungen, wie die Bildnisse von Zumbusch, Wagmüller,
Franz Adam und das unter ausgiebiger Benutzung des
schönen Selbstporträts in der Galerie Schack radirte
Brustbild von Franz Lenbach. Man braucht sich nicht
erst die wunderbaren Arbeiten van Dyck's zu vergegen-
wärtigen, um inne zu werden, welchen Verlust auch das
Porträt durch das Aushörcn der „Maler-Radirungen"
erlitten hat und zu wünschen, daß dieser Zweig der
graphischen Künste in so schöner Weise, wie hier durch
Raab, eine Wiederbelebung erfahre.

Oskar Berggruen.

Nekrologe.

L. Albert Kindler, ein hochbegabter Genremaler
der Düsseldorfer Schule, ist nach längeren Leiden in
Meran, wo er Genesung zu sinden hosfte, den 4. April
1876 gestorben. Er war 1833 in Allensbach bei Con-
stanz im badischen Schwarzwald geboren und die Ein-
drücke, die er in fteiner romantischen Heimat empfing,
hat er später in vielen trefflichen Bilvern verwerthet.
Seine künstlerische Ausbildung begann er als Schüler
der Münchener Akademie; aber bereits 1856 wandte er
sich nach Düsseldorf, wo er noch einige Jahre im Pri-
vat-Atelier des Professors Rudolf Jordan seine Studien
fortsetzte und dann als selbständiger Meister eine er-
folgreiche Thätigkeit entfaltete. Nach einigen kleineren
Gemälden, die schon die allgemeine Aufmerksamkeit auf
ihn lenkten, erregte Kindler durch ein großes Bild „Hoch-
zeitszug auf dem Rheine" 1859 besonderes Aufsehen.
Lebensvolle Komposition, natürliche Frische und sorg-
fältige Durchbitvung verbinden sich darin mit einer
nahezu vollendeten Behandlnng dsr Landschaft, die einen
 
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