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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Das Söllschlößchen in Tirol
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Rosenberg, Adolf: Die Berliner Nationalgalerie, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0260

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507

Die Berliner Nationalgalerie.

508

Vorderflächen — der Ofen ist fünfkantig — des Un-
tersatzes bestehen ans je zwei Kacheln, eine über
der andern, die Seitenslächen aus je einer, je zwei
übereinander; in derselben Flucht aber, von der Seiten-
fläche dnrch Streifen getrennt, liegen noch zwei Kacheln
übereinander, welche die Heizröhre decken. Diese Kacheln
sind stilgemäß mit mythologisch-allegorischen Fignren
bedeckt; wir erkennen nackte Frauengestalten: eine steht
auf einer Kugel und hält das schwellende Segel, die
andere sitzt mit Aehren in der Hand; eine Sirene spielt
die Harse und Aehnliches mehr. Bei dem schmäleren und
kürzeren, ähnlich gebauten, jedoch weil er nack) hinten
ganz srei steht, sechseckigen Aufsatz liegen je drei Kacheln
übereinander. Auf diesen Kacheln prangen die Wappen
von 24 tirolischen Adelsgeschlechtern. Das Gesims zeigt
zierlich verschlungene Blattornamente. Aus den Ecken
stehen Vasen; zwischen diesen, umrankt von Schnörkeln,
das Söll'sche Wappen. Die Aufsätze tragen die Jahres-
zahlen l612 und 1613.

Das Söllschlößl ist in den Besitz eines Wiener
Privatmannes übergegangen; so dürsen wir hosfen, daß
Ofen und Thürsassung dem Lande erhalten bleiben.

Jm Stil der Renaissance sind nach Zingerle's
gefälliger Mittheilung auch zwei Zimmer auf. dem An-
sitz Lufen bei Klausen getäfelt, ebenso befindet sich dort
ein Kasten mit einem schön geschnitzten Aufsatze.

Die Gerlmer Rationalgalerie.

m.

Die Füllungen der Eingangsthür, dürch welche
man in die Säle des zweiten Geschosses gelangt, sind
mit hübschen Jntarsien dekorirt, zu denen Strack die
Zeichnungen entworfen hat. Um wenigstens Einiges an
dem neuen Kunsttempel loben zu können, hat man diese
Jntarsien gepriesen, ohne dabei der viel bedentenderen
Leistungen zu gedenken, welche die Jnnendekoration einiger
Berliner Privatbauten in dieser Richtung auszuweisen hat.

Dem Quersaal des Erdgeschosses entspricht im
Obergeschoß ein Kuppelsaal, dessen Kuppel von acht
Säulen getragen wird. Aus ihm gelangt man in den
ersten großen Corneliussaal, und aus diesem in den
zweiten Corneliussaal, welcher durch eine halbkreisförmige
Nische abgeschlvssen ist, hinter welchem die fünf Fächer-
kabinete der Apsis liegen. Zu beiden Seiten des Kuppel-
saales befindet sich ein quadratisches Bilderzimmer, zu
beiden Seiten des in der Querachse des Gebäudes lie-
genden ersten Corneliussaales ein schmaler Korridor und
zu beiden Seiten des zweiten Corneliussaales zwei lange
Bildersäle. Wenn man den Grundriß des zweiten Ge-
schosses mit dem des ersten vergleicht, so glaubt man
die Bestandtheile zweier durchaus verschiedener Gebäude
vor sich zu haben. Legt man die Längenachse durch

das zweite Geschoß, so trisft sie im ersten Geschoß auf
die dicke Mauer, welche die Räume desselben in zwei
Partien theilt. Der Grundriß verstößt auf das Gröb-
lichste gegen die einfachsten Regeln der praktischen Bau-
kunst. Wir ersparen uns eine weitere Kritik dieser kaum
glaublichen Leistung, weil sie überhaupt nicht mehr in
den Bereich einer ernsthaften Kritik gehört. Die Anlage
des Grundrisses ist ohne Zweifel das Verkehrteste, was
die neue Nationalgalerie unter ihren vielen Verkehrt-
heiten aufzuweisen hat.

Der Kuppelsaal wird von acht Säulenmonolithen
aus grünem belgischem Marmor getragen, deren Basen
aus einem Blätterkelche von vergoldetem Zinkguß heraus-
wachsen. Die Verquickung des Unedlen mit dem Edlen,
des Falschen mit dem Wahren ist so recht charakteristisch
für den Geist, der in dem Bau der Nationalgalerie
gewaltet hat. Die Säulen stehen anf hohen Sockeln
aus schwarzem belgischem Marmor. Sie slankiren vier
Thüren und vier Nischen, deren Wandslächen roth sind.
Der halbkugelförmige Abschluß dieser Nischen ist muschel-
förmig gestaltet und leicht gefärbt. Vier Götterköpfe
bilden den oberen Schmuck der Kappen. Zwei dieser
Nischen sind noch leer, während in den beiden anderen
die lebensgroßen von P lockhorst gemalten Porträts des
Kaisers und der Kaiserin in ganzer Figur stehen. Ueber
den Thüren zur Rechten und Linken befinden sich zwei
niedliche Stuckreliess von Hartzer, welche die Studien
des Bildhauers und des Malers darstellen. Abgesehen
davon, daß das Motiv, die Künste durch Kinder und
Genien betreiben zu lassen, schon recht abgenutzt ist,
entsteht noch die Frage, ob gerade die Nationalgalerie
der Ort für solche Tändeleien ist. Die jungen Schüler
Bendemann's, welche sich fast in allen Sälen und Korri-
doren versucht haben, scheinen an diesen Atelierscherzen
eine ganz besondere Freude gehabt zu haben. Jn den
Gewölbekappen des einen dieser Korridore treiben Amo-
retten ihre Kinderspiele, über den Thüren geräth aus
der einen Seite Kunst und Kritik — durch Kinder dar-
gestellt — aneinander, während auf der anderen Seite
Minerva den Streit zwischen Architektur und Malerei
schlichtet, die wiedernm durch Kinder dargestellt worden
sind. Doch wird man sich über diese Geschmacksrichtung
wie über so manches andere wieder mit dem Dichter-
worte trösten müssen: Hoher Sinn liegt oft im kind'schen
Spiel!

Aus den Kapitälen der acht Säulen stehen wunder-
lich geformte Postamente, welche in ihrem Aufbau etwas
an die indischen Pagoden erinnern. Aus diesen Posta-
menten sitzen acht Musen, leicht gefärbte Stucksiguren
von Calandrelli und Brodwolf, denen man weder
etwas Gutes noch etwas Schlechtes nachsagen kann. Sie
sind eben recht gleichgiltige Leistungen, welche durch ihre
slaue Färbung natürlich nicht gehoben werden können.
 
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