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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Berggruen, Oscar: Die Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0270

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527

Die Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause.

528

Die Iahres-Fusstellung im Mener Kiinstler-
hause.

11.

Das Genresach ist ebenso zahlreich, aber im Gan-
zen mittelmäßiger vertreten, als das Porträt. Wir
sinden außer dem erwähnten „Zitherspieler" wohl noch
drei Bilder von Defregger; allein sie bieten, trotzdem
die Vorzüge dieses Meisters auch ihnen innewohnen, bei
der geringen Bedentung der Motive keinen Anlaß zur
Besprechung. Das Gleiche gilt von einem schlicht, aber
warm vorgetragenen Genrebildchen Vautier's, welches
nichts weiter darstellt, als einen Schuljungen, der be-
haglich einen Apfel verspeist. Solche Lückenbüßer der
Erfindung gehören eigentlich nicht in die Jahresaus-
stellung, sondern auf einen anspruchsloseren Kunstmarkt,
wo sie immerhin Liebhaber finden werden, die mit ge-
ringeren Kosten etwas von der Hand so berühmter
Meister erwerben wollen. Makart hat zwei genrehaste
Studien, Früchte seiner diesjährigen Reise nach Egypten,
ausgestellt: eine „Egyptische Tänzerin" und eine„Arabische
Truthahnverkäuferin". Mit der „Tänzerin" ist er gar
zu willkürlich umgesprungen unv hat ein Bild geschasfen,
nach dem sich Niemand eine richtige Vorstellung des
darzustellenden Objektes machen kann, was aber doch
einer der vornehmsten Zwecke einer Studie sein soll.
Makart scheint den ethnologischen Blick nicht zu be-
sitzen, welcher Studien derartiger Racefiguren den eigent-
lichen Werth verleiht, und so snchen wir in den Zügen
des Mädchens vergeblich jenen wohlbekannten Typus der
gazellenartigen Töchter des Ghawazih-Stammes, dem es
der Hautsarbe und Beschäftigung nach anzugehören scheint.
Der Kopfputz u Sphinx, mit welchem die Tänzerin
seltsam genug ausstaffirt ist, entspricht weder der Wirk-
lichkeit, noch ist er „stilvoll", da der Gesichtstypus der
Sphinx einer ganz andern Race angehört; auch ver-
missen wir die eigenthümliche dunkle Einfassung der
Augen mit „Khol", einer schwarzfärbenden Substanz,
welche den arabischen Schönen denselben Dienst leistet,
wie vie gebrannte Mandel den unserigen, und die Be-
malung der Hände und Fußspitzen mit der roth färben-
den Hennah. Vollends unbegreiftich ist es, wie es dem
Künstler beifallen konnte, die wohl nicht ganz sertig ge-
wordenen Beine mit einem Schleier nach Art eines
Balletröckchens zu verhüllen. Der Körper ist übrigens
sehr naturtreu und in Bezug auf vie schwer wiederzu-
gebende gelbliche Hautsarbe mit großer koloristischer
Meisterschaft behandelt; nur entspricht die leblos-steise
Haltung, eine Folge der salsch adducirten Oberschenkel,
keinesweges den biegsamen, üppig undulirenden Tanz-
bewegungen der Ghazijeh, welche wir in Kairo und
Tantah bewunverten, abgesehen davon, daß es jedenfalls

charakteristischer gewesen wäre, die „Tänzerin" tanzend
vorzuführen. Mit ungleich größerer Naturwahrheit
ist die „Truthahnverkäuferin" dargestellt, an der nur
einige empfindliche Mängel der Zeichnung stören, während
der sür den Ungewohnten seltsame Anblick der schwarz-
gekleideten, dunkelhäutigen Araberin, deren Gesicht mit
Ausnahme der Stirn und der Augen von dem langen
dunklen Schleier, dem „Burko", nach Art einer Halb-
maske verhüllt ist, bei näherer Besichtigung mehr
Jnteresse als Befremden erregt. Einzelne Details: die
Hautsarbe, die tiefschwarzen, in der Einsassung mit
„Khol" noch dunkler und größer erscheinenden Augen
und der Kopf des Truthahns sind reiner Farbenzauber.

Von Pettenkofen ist ein wegen seiner Ausführung
höchst bemerkenswerther „Ungarischer Markt" ausgestellt.
Das ist kein Bild mehr, sondern das Bild eines Bildes;
solch' eincn Eindruck mag ein aus weiter Ferne auf die
dargestellte Scene geworfener Blick auf der Retina des
Malers hervorrufen, keineswegs aber kann das Resultat
einer künstlerischen Betrachtung der Außenwelt auf solche
Weise veranschaulicht werden. Wer jemals einen un-
garischen Markt in Wirklichkeit oder in einem ausge-
führten Pettenkofen'schen Bilde gesehen, der muß sich in
seiner Phantasie diese Farbenpunkte in der Größe von
Stecknadelköpsen und diese mannigfachen kleinen Farben-
fleckchen zu einer ganz bestimmten, ja charakteristischen
Reminiscenz zusammensetzen; derjenige aber, dem die
Scenerie noch unbekannt ist, erfährt aus diesem Bilde
nichts und weiß nach wie vor nicht, wie ein ungarischer
Markt aussieht. Uebrigens ist die breite, sichere Pinsel-
führung in diesem mikroskopischen Bildchen wahrhaft
bewunderungswürdig, und wir dürsen wohl annehmen,
daß der Meister seine technische Virtuosität zeigen wollte,
ohne an eine öffentliche Schaustellung zu denken, die
der Besitzer sich nicht nehmen ließ. Hosfentlich ist
Pettenkofen nicht unter die „Jmpressionisten" gegangen.

Jm vollen Gegensatze zu der Manier des eben er-
wähnten Bildchens hat Schönn den slorentinischen
„Neroato vooollio" mit behaglicher Breite und leben-
diger Gegenständlichkeit ausgemalt. Jn dem Rahmen
der wohlbckannten Architektur stellen sich die wirkungs-
voll vertheilten und in Bewegung gesetzten Volksgruppen
und Figuren sehr ansprechend dar; sie sind, gleich dem
Beiwerk, mit liebevoller Sorgfalt ausgeführt und er-
freuen im Detail durch mannigfache, dem Leben glück-
lich abgelauschte feine Züge und Motive. Die solide
Malweise und die treffliche Beleuchtung ist an Schönn's
Arbeiten seit jeher geschätzt. Die gleichen Eigensckaften
zeichnen den „Arabischen Hof in Kairo" von Adolf
Seel in Düsseldorf aus; auch aus diesem Bilde hebt
sich von dem bedeutenden architektonischen Hintergrunde
die mit vollster Lebenswahrheit gestellte Figurengruppe
anmuthig ab. Das prächtige, reich ornamentirte Stein-
 
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