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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Berggruen, Oscar: Die Jahres-Ausstellung im Wiener Künstlerhause, [3]
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Zweck und Ziel der allgemeinen Kunst- und Kunstindustrieausstellung in München, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0286

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559

Zweck und Ziel der allgemeinen deutschen Kunst- und Kunstindustrie-Ausstellung in München,

560

Bezug auf Porträtähnlichkeit und psychologische Durch-
bilduug stellen wir das Bilduiß des geistvollen medi-
ziuischen Schriftstellers Pros. Beuedikt am höchsten; aus
diesem Porträt tritt uus der Mann in seiner ganzen
Jndividualität leibhaftig entgegen und wird unter unsern
Augen lebendig. Das Bild ist schlicht vorgetragen und
in Kostüm und Beiwerk frei von Reminiscenzen, was
von der Farbe allerdings nicht behauptet werden kann.
Ueber die anderen Bildnisse Canon's ist nichts Specielles
zu bemerkenp es gilt von ihneu das Gesagte bald in
größerem, bald in geringerem Maße.

So wären wir denn am Schluße unserer Rund-
schau in der diesmaligen Jahresausstellung wieder da
angelangt, von wo wir ausgegangen: beim Porträt.
Diesen Umstand glauben wir nicht unbemerkt lassen zu
sollen, weil er uus sür die gegenwärtige Richtung der
Kunst charakteristisch erscheint, und wir können nur
wünscken, daß er für die Kunst sich auch jetzt so nutz-
bringend erweise wie in früherer Zeit, als der Malerei
vom Porträt aus Belebung und Aufschwung zu Theil
geworden. Oskar Berggruen.

Iuieck und Ziel

der

allgemeinm deutschen Krmst- uud Kuustiudustrle-
Ausstelluug in Müuchen.

(Schluß.)

„Es kann nicht gleichgiltig sein, wenn man ge-
zwungen wird, bei Betrachtung vou Kunstwerken in die
heterogensten Gefühlsstimmungen ohne vermittelnde Aus-
gleichung überspringen zu müssen. Hier ein Schlachten-
bild voll von gräßlichsten und herzerschütterndsten Scenen,
daran gereiht eiu minnig Mägdelein in lauschiger Laube,
zur Linken ein Hühnerstall, dann das Porträt eines
Helden und weiter ein Stillleben, aus Gemüse und
Küchengeschirr komponirt: das sind beispielsweise Dinge,
wie sie uns in jeder Ausstellung, in jeder Galerie vor
Augen treten und stalt uns zu erfreuen, unser künst-
lerisches Empfinden zu erquicken, eine fortwährende
Rebellion unserer innerlichen Stimmungen und Gefühle
hervorrnfen, so daß richtige Beurtheilung und volles
Ersassen zur Unmöglichkeit wird.

Wie ganz anders ist es, wenn die Stimmung und
der Charakter der Umgebung eines Kunstwerkes schon
von vorn herein das Fühlen und Empfinden vorbereitend
auf das Kunstwerk selbst regeln, wcnn so viel wie mög-
lich Alles vermieden ist, was andere widersprechende
Eindrücke hervorrufen müßte; wie ganz anders spricht
da die Kunst zu Gemüthe, um wie viel mehr ist da der
Beschauer im Stande, die Größe und Tiefe ihrer Wir-
kung zu erfassen und so erst den eigentlichen Maßstab
zu erhalten, der seinem Urtheile zur Richtschnur zu

dienen hat. Gewiß hat dies jeder schon an sich selbst
erprobt. Ein Bild im Arbeitsraum des Künstlers
gesehen und unmittelbar darauf im Quodlibet einer
unserer gewöhnlichen Ausstellungen betrachtet, welch'
grundverschiedenen Eindruck macht dafselbe nicht oft? —
Es ist eben die Fortsetzung des Rahmens, der Raum
selbst, welcher von so ungemeinem Einfluß auf die Wir-
kungen eines Kunstwerkes ist. — Darum soll in dieser
Ausstellung jedes Kunstwerk den für dasselbe passendsten
Raum, die für dasselbe günstigste Umgebung erhalten.

Große historische Bilder sollen die Repräsentations-
Näume schmücken; Genrebilver und Landschaften, je
nach ihrem Charakter — die Salons, Boudoirs und
Wohngemächer; Stillleben in Früchten und Gefäßen —
die Speisezimmer; Jagdstücke die Jägerstube u. s. w.
u. s. w. wie es die gebotenen Räume und Produkte
gestatten und ermöglichen. So wird sich der gegenseitige
Einsluß des Kunsthandwerkes und der Kunst deut-
lich erkennen lassen, und jene Verschwisterung, die schon
in früheren Jahrhunderten Deutschlanvs Kunst groß
gemacht, wird sicher durch diese Ausstellung einen neuen,
segensreichen Jmpuls erhalten.

Es bedarf heut zu Tage solchen Zusammenwirkens,
um dem Materialismus der Zeit eine wirksame Spitze
bieten zu können, und vermag auch ein solch' einzelner
Stoß noch nicht den Gegner aus dem Sattel zu heben,
so wird er doch dazu beitragen, daß viele, die berufen
sind zu solchem Kampfe, neue Begeisterung und neuen
Muth schöpfen werden, ihn zu sühren.

Wie aber die Kunst durch die enge Alliirung mit
dem Kunsthandwerk gewinnen wird, so ist dies auch
umgekehrt der Fall. — Unwillkürlich wird es dem
Beschauer klar werden, welch' wichtigen Einsluß die
Verschönerung und Beredelung der Produkte des gewohn-
lichen Bedarfes auf Stimmung und Gemüth äußert,
und wie erquickend und wohlthuend es ist, in harmo-
nischer Umgebung den größten Theil seines Daseins zu
verbringen. Gar Manchem schweben solche Jdeale vor,
ohne daß er sie fich zu gestalten weiß. — Hier sindet
er sein instinktives Fühlen in greisbarer Form, uud es
ist gewiß nicht unwichtig sür den Kunstindustriellen, wenn
das Pubükum gleich in praktischer Weise seine Fabrikate
verwerthet sieht und wenn gezeigt wird, wie durch richtig
verstandene Umgebung selbst der einfachste indnstrielle
Gegenstand zu bedeutungsvoller Wirknng gelangen kann.
Dadurch wird ihm sicherlich ein reicher Ersatz geboten
für das anscheinende Opfer, welches er bringt, indem
er nicht hundert Petroleumlampen in schönster Form,
oder Dutzende und aber Dutzende von Gesäßen neben-
einander aus einem Platz eingepfercht zur Aufstellung
bringt. Es ist doch gewiß kein Nachtheil, wenn in drei
oder vier Räumen seine Gegenstände vertheilt sind und
sein Name, seine Firma gerade da durch deren Produkte
 
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