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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Richter, J. P.: Syrische Architektur
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0294

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575

Kunstüteratur.

576

völlig fremd wareu, — um sich weuig späler in kürzester
Frist ganz allgemeiue Geltung zu verschafsen. Die
Oruamente der Tempel zu Atil uud Bosra siud die
Vorbilder der Oruamente von S. Vitale in Ravenua.
Die Kapitälbilduugen eines verfallenen Prachtbaues in
Bosra sind gleichsam das Modell der als sustiuianisch
uns bekannten Form in der Hagia Sophia zu Konstan-
tinopel. Die noch ungelöste Frage nach der Entstehung
der Blendarkaden an frühbyzantinischen Kirchen kann
zwar nicht in chronolvgischer, wohl aber in sachlicher
Hinsicht von hier vorkommeuden Bildungen ganz leicht,
wie es uns scheinen will, deducirt werden. Jn Kana-
wat sinden wir unmittelbar auf den Säulen ruhend
statt der Kapitäle die Kämpfer der Byzantiner — ein
wohl einzig dastehender Fall des Uebergangsstiles.

Syrien ist unglaublich arm an plastischen Monu-
menten. Aus griechisch-römischer Kunstepoche habe ich,
vou Süden her das Land durchstreifend, bis zu den
Quellen des Oroutes nur eine eiuzige Statue sinden
können. Jn Baalbek nämlich ist an dem Thor der
Kaserne das sitzende Marmorbild einer Göttin in
griechischem Gewand, überlebensgroß mit einem an den
Stuhl angelehnten Greifen, aufgestellt. Natürlich sehlt
der Kops. Aber die wohlerhaltene Gewand- und Körper-
bildung lönnte wegen der Verständigkeit und Voll-
endung in der Ausführung für- gute griechische Arbeit
gelten, ginge nicht damit Hand in Hand ein zu ängst-
liches Anlehnen an eine bekannte Unschönheit des orien-
talischen weiblichen Modells.

Die Tempel von Baalbek sind weltbekannt als Bei-
spiele des antiken Rococo. Doch ist dabei nicht zu
übersehen, daß dies nur von dem kleinen Rundtcmpel
und von dem Vorhof ves Jupitertempels gesagt werden
kann. Ersterer ist mit einer solchen Nachlässigkeit in deu
Detailbildungen ausgeführt, daß es uns unmöglich ist,
darin mehr als eine Absonderlichkeit zu erkennen. Dann
aber haben wir auch nicht das Recht, darin ein Beispiel
eines eigenen Stiles zu sehen. Für das kunsthistorisch
weitaus wichtigste Monument Baalbeks müssen wir den
sogenannten Tempel des Baal in der Akropolis erklären;
denn hier kommt die Ornamentik, welche allen Bauten
Syriens seit der Abhängigkeit des Landes von Griechen-
land eigen ist, zu schönster Entsaltung. An die Stelle
des sigürlichen Schmuckes in Fries und Metopen tritt eine
Reihe aus der Pflanzenwelt entnommener Dekorations-
motive, natürlich dem Gesetze des Stiles untergeordnet,
aber in Anordnung sowvhl als auch im Fluß der Linien
großartig. Während Anorduung und Ausbau der archi-
tektonischen Glieder an Werke der Hochrenaissance, be-
sonders an Bauten Michelangelo's erinnern kann, ist die
Bekleidung der Flächen, wenn auch nicht im Geiste eines
Mino da Fiesole, so doch wenigstens von der Feinheit
der Natnrempfindung, wie bei den Meistern der Früh-

renaissance. Wer dieser Ornamentik keinen Geschmack
abgewinneu kann, wird von der Betrachtung syrischer
Architekturwerke kaum Genuß haben. Die Motive sinv
von einer unerschöpflichen Mannigsaltigkeit. Jede ein-
zelne Nische im Jnnern hat ihren besondern Charakter
und doch ist dabei das Stilgefühl noch stark genug,
daß in demselben Rahmen nur ein einziges Thema in
Wiederholungen zur Anwendung kommt. Hierin allein
liegt der Unterschied von den Kunstwerken des edlen,
justinianischen Byzantinismus. So steht der Tempel
des Baal in Baalbek in der Mitte zwischen den mehr
in römischer Formenstrenge gehaltenen Monumenten des
Haurlln und den byzantinischen Bauten am Dschebel el
Ala südwestlich von Aleppo. Das hat seine Geltung
ebenso geographisch und chronologisch wie im Hinblick
aus den inneren Entwicklungsgang der Kunst. Die
Bauten im Haurün gehören meist der frühen Kaiserzeit
an. Große Schlankheit im Aufbau bei einer gewissen
Nüchternheit im Dekorativen ist ihnen insgesammt eigen.
Wann der Tenipel des Baal in Baalbek gebaut wurde,
läßt sich aus Mangel an Jnschriften nicht philologisch
bestimmen. Wir werden aber schwerlich fehl greifen,
wenn wir gegen die allgemeine Annahme denselben sür
älter als die übrigen, wohl antoninischen Bauten der
dortigen Akropolis halten. Die in demselben ange-
wandten Stilgesetze weisen uns auf die trajanische Zeit.

Die Kunstgeschichte kann unmöglich die Sklavin
der Epigraphik bleibeu. So wichtige Dienste ihr auch
diese als Hilfswissenschast leistet, so wenig kann dock,
die Forschung, von jener im Stiche gelasseu, für in-
kompetent gelten. Jm Gegentheil, die genaueVergleichung
uud Untersuchung zahlreicher Specimina kann eine Sicher-
heit der Bestimmung ermöglichen, wie nur in irgend
einer exakten Wissenschaft; denn die künstlerische Entwick-
lung eines Kulturvolkes hat ebenso ihr an feste Normen
gebundenes Gesetz, wie die jedes beliebigen organischen
Körpers. An gothischen Domen ist uns die kunst-
geschichtliche Einordnung durch lange Ersahrung eine leichte
Sache geworden. So dürfen wir hofsen, daß mit der
Zeit auch der Reichthum Coelesyriens an Monumeuten
seine genauere Untersuchung und Bestimmuug sinden werde.

Beirut, im April 1876. I. P. Richter.

kmll'Uiteratm'.

Wilhelm Hosfmann's Spitzen-Musterbuch. Nach der im
Besitze des k. k. Oesterr. Museums befindlichen
» ' Originalausgabe vom Jahre 1607 herausgegeben

vom k. k. Oesterr. Museum für Kunst und Jndustrie.
Mit einem Vorwort, Titelblatt und 18 Muster-
blättern. Wien, Verlag des k. k. Oesterr. Museums.
1876. Qu.-Fol. (1 fl. 80 Kr. österr. W.)

Das in dieser photolithographischen Ausgabe repro-
ducirte Spitzen-Musterbuch schließt sich den beiden früheren
 
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