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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Abrest, Paul d': Der Salon von 1876, [2]
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XI. Jahrgang.

Nr. 38.

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Sciträyc

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Inscratc

1876.

Bciblatt zur Zcitschrift sür bildendc Knlist.


Znhalt: Der Salon von 1876. >— Das Antikemnusemn zu Smyrua. — Korrespondenz: Kopenhageu. — Th. Franken si. — Raffael-Akademie; Ankäufe
aus dem Salon. — Persoualuachrichten. — Prof. Andr. Acheubach; Die Düsseldorfer städtische Gemälde-Galerie; Archäotogischer Plan von Rom.

Der Zalon von 1876.

11.

Die Menge bleibt mit besonderer Vorliebe bei dem
Nobert-Fleury'schen Bilde stehen: Doktor Pinel
löst die Fesseln der bis dahin (1795) in Banden ge-
schlagenen Irrsinnigen der Salpetrisre. Der Grundton
des Bildes ist ein humaner und philosophischer, — in
der Malerei selbst mag der Urheber wohl übertrosfen
worden sein. Ohne an besondere melodramatische Hilfs-
mittel zu appelliren, ist es dem Maler gelungen, das
Gemnth des Publikums weich zu stimmeu. Der leut-
selige Doktor blickt auch so treuherzig drein, und aus
ver anderen Seite finden wir die Leiden der Unglück-
lichen mit feiner Charakteristik abgestuft. Von der
ekstatischen Geisteskrankheit bis zur wilden Raserei ist Alles
auf diesen verzerrten, in gewaltiger Ausregung begrifsenen,
wuthschnaubenden oder verthierten Gesichtern zu lesen.
Aufrichtig ist der Ausdruck der Dankbarkeit der vvn
ihren Ketten erlösten Jrrsinnigeu, die sich au den menschen-
freundlichen Doktor heranvrängen und sich ihm nähern,
wie ein surchtsames Thier, das von seiuem Herrn ge-
streichelt werden will. Der Maler wählte für die Scene
eine passende Herbstatmosphäre, die zu der äußeren De-
koratiou des Hofes der Salpetriere stimmt.

Viel weniger Gefallen als dieses große Wand-
gemälde, welches seines Umfanges wegen wohl nur in
einem Museum seinen Platz finden dürste, erregtMoncha-
blon's Jeanne d'Arc bei Orleans. Die Heldin, der
nämliche zarte, aber in voller Ausregung der Schlacht
besindliche harte Typus, den der Bildhauer Fremiet für
das Standbild auf dem Pyramidenplatz gewählt hat,

führt die französischen Ritter gegen die englischen Schaaren,
die aus den Wällen von Orleans kämpfeu. „idiutre?:
iü llg.cckiru6ut" ist der Titel dieses Schlachtenbildes,
das sich am mcisten durch historische Pietät auszeichnet,
dann aber hauptsächlich dnrch den Mangel an Verhältniß
in der Zeichnung bemerkenswerth ist.

Wahre Kunstsreunde dagegen verweilen mit sicht-
licher Genugthuung bei den Kartons, die Herr Puvis
de Chavannes für die Ausschmückung des Pantheons
auf Anordnung des Staates verfertigt hat, und welche
den Lebenslauf der h. Genovefa darstellen. Die Zeich-
nungen sind mit einer seltenen Jdealität ausgefaßt und
haben dabei, abgesehen von der weihevollen Ausfassung,
auch als Landschaften und Porträts einen ganz besonderen
Werth. Der Staat kann sich gratuliren, mit seiner
Bestellung an den richtigen Mann gekommen zu sein.

Cetner's „Ottokar zu den Füßen Rudolph's von
Habsburg nach der Schlacht aus dem Marchselde" zeichnet
sich durch gesunde Farbe uud geschickte Gruppirung aus.
Der alte weißhaarige böhmische König kniet mit seiner
Gemahlin, einer schönen schlanken Gestalt, vor dem aus
einem Baumstamme sitzenden, martialisch dreinschauenden
Habsburger. Reisige, deren Lanzenspitzen sich im Laub
verlieren, betrachten den Austritt, und lustig slatteru die
Standarten. Man merkt an den Physiognomien der
Gestalten, daß es hier ein Gewitter gab, und daß dem
imponirenden ruhi'gen Auftritte die fürchterlich mörderische
Schlacht vorausging; ebenso siehc man es den Rittern
an, daß die Schwerter unzufrieden in der Scheide sind.

Jn aussteigender Linie finden wir diesen Reichthum
an Eindrücken bei den Spaniern. Da betrachte man
z. B- eine Weile das Bild von Casanova: „Nach der
 
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