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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Berggruen, Oscar: Die Flügelrosse auf dem Wiener Opernhause
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0315

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H- Jahrr;ang.
Sciträge

sind anvr. C. V.LÜlsvW

25) od. an die Vei'la«)sli.
l^cipzig, Königsstr. 3),

7. Äuli

Nr. 39.
Inserate

L 25 Pf. für die drei
Mal gespaltene PetitMle

I87K.

Bciblatt znr Zcitschrist siir bildendc Kunst.

Dies Blatt, jede Woche am Freitag erscheinend, erhalten die Abonnenten der „Zeitschrift für bildende Kunst" goütis; für sich allein bezogen
kvstet dsr Jahrgang S Mark sowohl im Bnchhandel wie auch bei den deutschm und österreichischen Postanstalten.

Zuhalt: Die Flügelrosse auf dem Wiener Opernhause. — Kontiuentale Gemalde in London. — Korrespondenz: Basel. — Valentin Teirich -s. — Die
Sammlungen der Berliner Nationalgalerie. — Archäologische Gesellschaft in Berlin. — Jnserate.

Die Flügelrojse auf dem Wiener Opernhaufe.

Jn dem Plane der Erbauer des neuen Wiener
Opernhauses hatte es gelegen, die Terrasse der vor-
springenden Loggia zu beiden Seiten mit Monumental-
grnppen zu bekrönen; in welchen Dimensionen und mit
welcher dekorativen Kraft sie diesen Schmuck sich dachten,
haben sie, abgesehen von dem Charakter und der Wucht
des Bauwerkes, auch durch den vorgebildeten Sockel
genugsam zum Ausvrucke gebracht. Von maßgebender
Seite war die Bestimmung getrofsen worden, die Jdeal-
sigur des Pegasus für diese Dekoration als Leitmotiv
zn verwenden, obgleich dieselbe, streng genommen, nach
der Mythologie gleichzeitig zweimal nicht angewendet
werden sollte; Sache des ausfnhrenden Künstlers war
es nun, dieser Bestimmung — änrg. lex, ssck Isx! —
nach den Grundsätzen seiner Kunst thunlichst gerecht zu
werden. Jn den dargelegten Momenten sind alle Be-
dingungen gegeben, welche dem Bildhauer bei Erfüllung
seiner Aufgabe gesetzt waren, und je schwieriger die
Lösung an sich war, desto mehr mußte der wahrhaft
begeisterte Künstler sich angespornt fühlen, sein Bestes
zu vollbringen.

Der Wiener Bildhauer Vincenz Pilz wurde zu-
nächst mit dem Austrage betraut, die Flügelrosse in
Bronze herzustellen. Die Geschichte dieser Arbeit ist
tranrig genug. Zunächst verweigerte man dem Bild-
hauer einen geringfügigen Betrag, dessen er bedurfte, um
das Modell eines der Flügelrosse an Ort und Stelle
zu schaffen und die- sonst schwer berechenbare Wirkung
desselben zu studiren. Als dann die ehernen Gruppen
aben stonden und nicht mehr geändert werden konnten,

da übte sich der scharfe Wiener Volkswitz, der keine neue
Erscheinung unverschont läßt, aber auch sehr rasch seine
Pfeile verschickt, an den allzu üppigen Formen der mit
einem barbarischen Plural benannten „Pegasusse". Auch
die Presse äußerte sich nicht günstig, und die „Pegasusse"
wurden nach wenigen Monden von ihrem Standorte
wieder entfernt. So wie der altrömische Gläubiger das
Recht hatte, seinen insolventen Schuldner „tran8 Mdsriiu"
als Sklaven zu verkaufen, so glaubte man, diese „Pega-
susse" als ästhetisch insolvent betrachten und ,,twun8
Ilunnliinnr" verkaufen zu müssen; man vertrödelte sie
um einen Spottpreis an einen psifsigen Pankee, und da
sie, wie wir hören, den Haupteingang zur großen Welt-
ausstellungshalle in Philadelphia flankiren, so hoffen wir,
bald mit ihnen ein, in Anbetracht ihrer Nachfolger
doppelt rührendes, Wiedersehen feiern zu können.

Nun erhielt Hähnel den Auftrag, neue „Pegasusse"
anzufertigen, obschon sein Monument des Feldmarschalls
Schwarzenberg ihn in Wien nicht eben vortheilhaft ein-
gesührt hatte. Hähnel verlangte, soviel wir wissen, nicht,
daß sein Modell vorerst aufgezogen und bezüglich der
Wirkung geprüft werde, ehe man an die Ausführung
schreite, sondern ließ sofort den Bronzeguß beginnen.
Nun stehen seine „Pegasusse" aus ihren so epponirten
Posten, und das Volk betrachtet verdutzt die schmächtigen,
schwachbeinigen Flügelrößlein mit den auf ihnen schul-
gerecht sitzenden musikalischen Amazonen und geht kopf-
schüttelnd weiter; die guten Leute empsinden ein großes
ästhetisches Mißbehagen, werden sich aber über die tiefer
liegenden Gründe desselben nicht klar und finden dafür
kein bezeichnendes Wort, da die Gruppen keinen derb
ausgesprochenen Mangel anfweisen, welcher der Volks-
 
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