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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Berggruen, Oscar: Die Flügelrosse auf dem Wiener Opernhause
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Atkinson, Joseph Beavington: Kontinentale Gemälde in London
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0317

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Kontinentale Gemälde in London.

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gesteckt, daß man sofort merkt, wie wenig der Künstler
es verstand, sich mit diesem allerdings höchst schwierigen
Theile seiner Aufgabe abzufinden. ' Der einzig richtige
Weg, den auch Genelli einschlug, leitet in diesem Falle
dahin, den Flngelansatz durch eine geschickte Wendung
dem Auge möglichst zu verbergen. Jn ähnlicher Weise
finden wir diese Schwierigkeit auf einer schon etwas
zopfigen, aber immerhin noch auf Grund der besten
Tradilion ausgeführten Zeichnung von I. W. Baur
umgangen, die uns in einer Radirung Melchior Küsell's
vorliegt und zu einem Cyklus mythologischer Darstel-
lungen gehört. Es wäre vielleicht gut gewesen, wenn
Hähnel diese Zeichnung zu Gesicht belommen hätte,
ehe er sich an seine Arbeit machte. Sie weist ein kräs-
tiges, doch nicht massives Flügelroß auf, dem man
das männliche Geschlecht des Pegasus in seiner ganzen
energischen Haltung ansieht, und das, aus den Hinter-
süßen sich hoch aufrichtend, die emporgesträubten mäch-
tigen Schwingen zum Auffliegen ansetzt, so daß der
daneben schreitende, an Haupt und Füßen geflügelte
Merkur alle Mühe hat, es aus Erden zurück zu haltem

Wenn man diese Zeichnung in ihrer richtigen Grunv-
idee, in ihrem glücklichen Wurfe und ihrer geschlossenen,
energisch zusammengefaßten Haltung betrachtet, so kommt
man auf noch einen großen Fehler der Hähnel'schen
Gruppen: auf die ganz unmonumentale Gesammt-
Silhouette. Man mag die Gruppen von welchem Stand-
punkte immer betrachten, immer ist dereu Silhouette
unruhig, zerpflückt und unschön; niemals gelangt man
zu jenem Gefühle der Besriedigung, welches ein ent-
sprechender Abschluß eines Bau- oder Bildwerkes ebenso
gewährt, wie ein voll ausllingendes Musilstück. Durch
die dünnen Beine der Rößlein sieht man gar zu viel
Luft, der weit abstehende Schweis dehnt die Silhouette
höchst unliebsam aus, und die Flügel thun das Gleiche.
Obendrein ist der Faltenwurf an den Gewändern der
Musen mißrathen, und die lang herabhängende Schleppe,
welche gleichsalls in der Silhouette zur Erscheinung lommt,
trägt noch dazu bei, die reitenden Musen schwerfällig zu
machen, so daß selbst in der Silhouette die obere Partie
der Gruppen zu massig uud bleiern auf dem schwächlich
dünnen, unteren Theile wuchtet. Jn mondhellen Nächten,
wo die Silhouette der Gruppen in klaren Umrissen zur
Erscheinung kommt und das Detail ganz zurücktritt, wird
dieser Mangel besonders fühlbar.

Auf die Details der Arbeit gehen wir nicht weiter
ein, obschon gegen Gefichtsausdruck und Haltung der
Musen und noch einiges Andere mancherlei Einwendungen
zu erheben wären. Wir haben die Hähnel'sche Arbeit
nur als das, was sie sein soll: als Zubehör eines
Werkes der Baukunst würdigen wollen, nicht aber als
selbständiges Werk. Jn dieser Beziehung aber müssen
wir als das Ergebniß unserer Betrachtung aussprechen,

daß sie ästhetisch nicht zum Baue gehören, und daß ihre
Entfernung und Ersetzung, sei es abermals durch Flügel-
rosse, sei es durch einen anderen figürlichen Schmuck,
diesmal nicht weniger als Postulat des guten Geschmacks
erscheint, als dies bei den Pilz'schen Flügelrossen der
Fall war. Oskar Berggruen.

Kontrnentale Gemiilde in London.

Jn früheren Iahrhunderten pflegte England die
Maler, deren es bedurfte, von fern her aus dem Aus-
lande zu sich einzuladen, und obschon längst ein Geschlecht
eingeborener Künstler erwachsen ist, dauert der Jmport
sremder Bilder und Maler auch jetzt noch ununterbrochen
sort, ein Brauch, der dem künstlerischen Geschmack des
Publikums wie auch der heimischen Kunst sehr zu Gute
kommt. Wollte man die in London angesammelten
fremden Gemälde übersichtlich schätzen, so würde sich
zeigen, daß dasjenige, was man den geographischen
Kunstbezirk nennen könnte, von Jahr zu Jahr an Aus-
dehnung gewinnt. Jn dem Maße, wie die Civilisation
fortschreitet, neue Länder zu dem Range der Kunst-
Producenten und Konsumenten sich erheben und der
Handel weltumfassender wird, mußte auch die Zahl der
in London eingeführten fremdländischen Bilder wachsen.
Eine wesentliche Ausnahme freilich bildet die ganze
Hemisphäre der neuen Welt. Selten nur sinden die
aus den Bereinigten Staaten herübergekommenen Kunst-
werke eine freundliche Aufnahme bei uns, es sei denn,
daß sie von hochberühmten Künstlern herrührten. So
waren z. B. bedeutende Landschaften von Church, Bier-
stadt, Copsey und bewundernswerthe Skulpturen von
Power und Storey in London zu sehen; dagegen erinnere
ich mich nicht, während der letzten zwöls Monate auch nur
ein einziges bemerkenswerthes amerikanisches Stück, ab-
gesehen von solchen, -die in Auktionen zum Ausgebot
kommen, angetroffen zu haben. Anders verhält es sich
dagegen mit dem europäischen Kontinent, wie ich sogleich
darthun werde.

Nehmen wir z. B. die „Französische Galerie in
Pall Mall". Wie schon der Name andeutet, hat
hier französische Kunst, repräscntirt durch Gerome, Hs-
bert, Breton, Bertrand, Meissonier, Rosa Bonheur
und Andere, den Vorrang. Gsrome's „li'IlnÄususs
Ariss" und Breton's „H. Johannes", beide im Salon
sehr belobt, sind hier zu finden. Zu andern Nationali-
täten übergehend, sehen wir Deutschland vertreten durch
ein kleines Bild von Knaus, welcher Meister hier zu
Lande, im Vergleich zu andern, nur selten vorgeführt
wird. Es soll sein letztes Werk sein, doch ist es bei
weitem nicht sein bestes; trotzdem ist es theuer genug
verkauft worden. Ein „Bayerischer Pferdemarkt" von
Diez geht noch über Meifsonier's Art in miniatur-
 
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