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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Abrest, Paul d': Der Salon von 1876, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0333

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653

Der Salon von 1876.

654

Der Salon von 1876.

m.

Die Gememalerer kann, wie Eingangs bemerkt
wurde, manche recht gelungene Werke aufweisen. Eines
der besten davon ist, wenigstens, wenn maw den Werth
eines Bildes nach dem äußerlichen Erfolg beurtheilen
darf, — das eigene Atelier des Herrn Munkacsy, in
welches er sich selber, seine Gemahlin, das niedliche
Haushündchen und ein als Modell dienendes Zigeuner-
mädchen hineinprakticirte. Das Atelier des ungarischen
Malers liegt — bis sein großes Hotel in den Ollumxs
01^8668 fertig gebaut wird — in der ein wenig iso-
lirten, aber dasür sonnenreichen rns ä6 IHmnno. Der
Raum ist, wie so viele Maler ihn oft lange und ver-
geblich suchen, sehr hell, und geräumig genug, um darin
die vielen Skizzen zu malen, die Herrn Munkacsy stets
nöthig sind, ehe er eines seiner Aufsehen erregenden
Gemälde zu Stande bringt. Die Ausstattung des
Ateliers ist eine höchst geschmackvolle, aber nicht so über-
ladene, wie bei anderen Malern, wo, wenn man in's
Atelier tritt, der Wald vor lauter Bäumen nicht sicht-
bar ist, und man alle Mühe hat, die eigentlichen Arbeiten
des Künstlers zu ermitteln. Die Vertheilung der auf
den reichen Tapeten des Zimmers prangenden Kuriosi-
täten ist eine glückliche und die ganze Gruppirung des
Ateliers so getroffen, daß das eben angefangene Bild
die Hauptpiöce bildet. Jn seinem diessährigen Bilde
bringt Munkacsy den Gegenstand des Bildes doppelt,
einmal im größeren Format als eigentliches Bild und
dann verkleinert als begonnen auf der Staffelei stehend.
Die Vergleichspunkte zwischen der Darstellung im dop-
pelten Format sind pikant und an.ziehend genug, um die
Zuschauer zu fesseln. Munkacsy selbst hat sich aus ein
Haar getrofsen; er steht sprechend ähnlich da mit dem
Krauskops und den lebhaft treuherzig blinzelnden Au-
gen. Um eine Kritik, die gegen ihn aufkam, zu ent-
kräften, daß er seine Farben immer zu schwarz wählte,
zeigt er sich in einem hellgrauenGewand. Frau Munkacsy
sitzt, halb über einen Tisch gelehnt, in aufmerksame Be-
trachtung des Bildes, das ihr Gemahl eben begonnen,
vertieft. Die Aufmerksamkeit ist eine so große, daß
man kaum im Stande ist, die Züge der Dame bei dem
ersten Blick zu unterscheiden. Nach einiger Prüsung
sieht man aber, daß die Aehnlichkeit hier ebenso gut ge-
wahrt wurde, als bei dem Maler selbst, und man be-
wundert das Gemisch von spannungsvoller Neugierde
und lebhaftem Interesse in den Zügen der kunstsinnigen
Lebensgenossin Munkacsy's. Die kleine Zigeunerin ist
ein von geübter Hand getrossener Charakterkopf, und
selbst die kleine Bulldogge ist für jedcn, der mit der
Häuslichkeit Munkacsy's vertraut ist, sprechend ähntich.

Maler weihen überhaupt gern das Publikum in

das Geheimniß ihrerAteliers ein; Mademoiselle Samson,
wenn man dem Bilde trauen darf, eine recht hübsche
elegante Dame, die keinen Zoll von einem Blaustrumpf
an sich hat, ist, wie ihr Bild zeigt, beim Frühstück mit
einer Freundin, die in der Kleidung einer Soubrette
(Zeit Louis'XV.) Modell sitzt; das angefangene Bild steht
ebenfalls auf der Stasfelei, hinter dem Frühstückstische,
wo die Künstlerin und deren Modell dem von Selter-
wasser und Kaffee begleiteten Nachtisch zusprechen.

Das „Vorzimmer bei Monseigncur" ist eine launige
Karikatur Vibert's, der als Spaßmacher und Vaude-
villist wohlbekannt ist. Die Besucher des hochwürdigen
Herrn Bischofs sind recht amüsante Gestalten: der dicke,
mit grauer Kutte bekleidete Mönch schielt mit den
lüsternen Augen eines richtigen Gourmands nach dem
prachtvollen Hahn, der aus dem Hauskorb einer srommen
uno seisten Betschwester vom Lande herausguckt. Auch
der Kustode wirft einen abschätzenden Blick auf den Vogel
— von dem ihm hoffentlich ein Flügel oder eine Pfote
zufallcn wird. Das ganze Bild ist sehr geistreich, leicht
geschürzt, ohne Ueberladung und entspricht ganz dem
Rufe eines llowinb ä'sLprit, auf den Herr Vibert nicht
wenig stolz ist.

Gärome wählte diesmal seinen Stoff im Orient.
„Lunton, ä porto ä'ullo M08<^N66" titulirt sich das
Bild, ein aus Kleinasien mitgebrachter Reiseeindruck.
Eine Menge Holz- und Filzschuhe steht da haufen-
weise vor der Eingangsthür des Bethauses. Der
nackte Mann, den Stab in der Hand, den Mund weit
geöffnet, mit den Augen vor sich hinstarrend, wartet auf
den Ausgang der Gläubigen, von denen man einige durch
die Wölbung der Thür auf den Knieen liegend und
betend erblickt. Wie bei allen Bildern Gorome's ist
auch bei diesem die geradezu reizende Pünktlichkeit und
Gewissenhastigkeit in der Ausführung der Details das
Bemerkenswertheste. Niemand z. B. konnte besser als
Gäröme ein Stück Geschichte aus diesem Gemäuer der
Moschee sprechen lassen; man gewinnt bei dem ersten
Blick den ganzen lokalen Eindruck des Orients, so wie
man sich gleich im XVI. und XVII. Jahrhundert be-
wandert fühlt, wenn man ein Bild Gärome's aus der
Zeit Heinrich's IV. oder Ludwig's XIII. betrachtet. Die
Freunde und Bewunderer des geistigen Hauptes der
„interessanten Schule" — dieser Name paßt wohl zu
der Arbeitsmethode des Herrn Gärome sind jedoch
mit seiner diesjährigen Leistung nicht zufrieden; sie reden
von Verfall — und führen Bilder an, welche das oben
ausgestellte weit übertreffen. Es ist wohl richtig, daß der
Maler die Periode seiner Meisterwerke hinter sich hat.

Er ist nicht der einzige unter den Lieblingen des>
Publikums, dem es so geht; so z. B. bricht man den Stab
über Cabanel, dessen Glück bis jetzt in den Ateliers
geradezu sprichwörtlich geworden und zwar so, daß man
 
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