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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Abrest, Paul d': Der Salon von 1876, [3]
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Die Mediceergräber in Florenz
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Ida Gräfin Hahn-Hahn als Kunstkritiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0335

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Die Mediceergräber in Florenz. - Jda Gräfin Hahn-Hahn als Kunstkritiker,

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zu weit getrieben wird. Das ist gesunder und prak-
tischer Realismus; keine Lady wird dagegen etwas ein-
wenden, wie streng sie auch sonst sein mag.

Paul d'Abrest.

Die Mediceergräber in Florenz.

Jüngst wurde in der A.-A.-Z. (Nr. 177) der
Versuch wiederholt, die Mediceerstatuen umzutaufen und
die Jdentificirung Lorenzo's mit dem „xsnsoso", Giu-
liano's mit dem „üoro" abermals als einen von Vasari
verschuldeten Jrrthum darzustellen. Lleue Gründe sür
diese schon einmal zurückgewiesene Meinung werden nicht
angeführt, nur beiläufig die Versicherung abgegeben, daß
die Resultate der im vorigen Jahre vorgenommenen
Oeffnung der Sarkophage keine überzeugende Krast be-
sitzen*). Dieselbeu gaben der Ueberlieferung und Vasari
recht. Es war bekannt, daß Lorenzo's (unehelicher) Sohn,
Herzog Alessandro, an der Seite seines Vaters beigesetzt
worden war. Jn welchem Sarkophage man zwei Leich-
name sand, da mußte man Lorenzo's Ruhestätte annehmen.
Nun lagen wie der Augenschein bei der Erösfnung der
Grabmäler zeigte, in jenem Sarkophage zwei Körper
beisammen, welchen Vasari als Lorenzo's Begräbniß be-
zeichnet. Demnach bliebe es bei den herkömmlichen Be-
nennungen: der nachdenkliche Held, welchem die Morgen-
und Abenddämmerung zur Seite ruhen, ist Lorenzo; der
jugendliche, kühn aufblickende Iüngling mit dem Tage
und der Nacht als begleitenden Figuren dagegen stellt
Giuliano de' Medici vor. Man sollte meinen, dieser
Thatbestand sei überzeugend genug. Dennoch werden
die alten Zweifel wiederholt. Vielleicht grisf man bei
der Bestattung Alessandro's fehl; man wollte ihn im
Grabe des Vaters beisetzen, irrte sich aber und legte
den Körper im Sarkophage des Oheims nieder u. dgl. m.
Alle Zweifel beseitigt und die vollgiltige Entscheidung
bringt eine eigenhändige Erklärung Michelangelo's, welche
übrigens schon seit Jahr und Tag bekannt war. Sie
bestätigt die Ueberlieserung und läßt Vasari's Bezeich-
nung als die richtige, an der nicht weiter gedeutet und
gemäkelt werden darf, erscheinen. Wir geben Michel-
angelo's eigenhändige Erklärung, wie dieselbe Ch. Heath
Wilson in der IEloiu^ Nr. 218. ibi. 8. mitgetheilt hat.

Die 6U8U Luouurroti in Florenz bewahrt unter
den 111 Architekturzeichnungen ein Blatt, auf welchem
Michelangelo mit Röthel eine Säulenbasis gezeichnet
hat. Von seiner Hand sind auch die auf dem Blatte
befindlichen Zeilen, welche (in moderner Schreibweise)
solgendermaßen lauten: „ü il cki s 1u notts purluno
6 äioono: noi ullbiuino ool nostro volooo oorso oon-
äotto ullu inorto il Unog, 6ckn1iuno; o 6on Ainsto

olio 6AÜ N6 bgooig vonäettg; 6 1g vonäottg 6 >PU68tg
olio QV6näo noi inorto Ini, lui 0081 inorto llu tolto
1g 1uo6 g noi 6 oon §1i ooolii o1iiu8i lig 86rrgto
i nostri, o1i6 non risplonäono piü 80pra 1g torrg:
oÜ6 gvr6li1>6 äi noi äun^uo tgtto inontro viv6g."

Aus diesen Worteu lasseu sich gar manche frucht-
bare Folgerungeu ziehen. Schwerlich hätte Michel-
angelo den spöttischen Tou angeschlagen, der iu der
letzten Zeile ankliugt, wenn er selbst die allerdings
überaus frostige Allegorie erfunden hätte. Wir schließen,
daß ihm der Gegeustaud der Darstellung, wie es damals
häusig vorkam, bestimmt und seiner Phantasie es über-
lassen wurde, denselben künstlerisch zu formen. Wir
möchten sogar den weiteren Schluß wagen, daß ihm der
Gegenstand nicht recht behagte, ja zunächst widerstrebte.
Manche Eigenthümlichkeiten des Werkes, wie z. B. das
Absehen vom Porträtmäßigen, das Beharren bei allge-
meinen Typen u. s. w. gewinnen erst auf chiese Weise
rechtes Licht. Doch das ist für die vorliegende Frage
nebensächlich. Die Hauptsache ist, daß Michelangelo
selbst den Giuliano mit den Gestalten der Nacht und
des Tages zusammenbringt, daß also der Sarkophag,
auf welchem der Tag und die Nacht und zwischen ihnen
ein jugendlicher Held dargestellt sind, dem Giuliano de'
Medici angehört. So hat es bereits Vasari geschildert,
so die Tradition ununterbrochen festgehalten. Jetzt
haben wir auch die urkundliche Bestätigung dasür. Es
bleibt also bei dem alten Giuliano und dem alten
Lorenzo.

Lda Griifin Hahn-Hahn als Kunfikritiker.

Was mag wohl die bekannte Schriststellerin be-
wogen haben, sich auf den schlüpfrigen Boden der Kunst-
kritik zu wagen? Sie verössentlicht unter dem Titel:
„Die Kunst in der Muttergotteskapelle des Domes zu
Mainz"I ein Schriftchen, welches nur 10 Psennige
kostet, offenbar, um möglichst weit sich zu verbreiten; sie
hat in lokalen Kreisen tüchtig Staub aufgewirbelt, so
daß selbst Bischof Emanuel von Ketteler sich über
diese That seiner schwärmerischen Verehrerin geärgert
haben soll.

Welch' eine Kühnheit ist es aber auch, daß die
sromme Dame dem ganzen Mainzer Domkapitel den
Vorwurf in's Gesicht schleudert, es habe einen nenen
Altar errichten lassen, welcher, ganz abgesehen von seiner
künstlerischen Ausstattung, die in den Augen der edlen
Gräsin ein Horror ist, in seiner Einrichtnng und seinen
Dimensionen vollständig dem kirchlichen Ritus wider-
spräche! Gegen wen eigentlich ist denn die Schrift ge-
richtet? Der Architekt der Kapelle und des Altars,

*) S. Kunstchronik, X, S. 433.

') Mainz, Verlag von Franz Kirchheim. 8.
 
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