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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Die Ausstellung des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen
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Isidor, ?: Aus Pompeji
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0352

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691

Aus Pompeji.

692

Von Zeichnungen erwähnen wir den großen Fries
von Pros. H. Mücke, eine Verherrlichung des Rheines.
Der Gegenstand ist theils symbolisch, theils historisch
Lehandelt. Alle Sagen und geschichtlichen Begebenheiten,
welche sich am Ufer des Stromes abgespielt haben, werden
uns hier im Bilde vorgeführt, und diese Vorgänge sind
durch allegorische Figuren eingesührt, unterbrochen und
abgeschlossen. Von poetischem Jnteresse sind vor Allem
die Personisikationen der Nebenslüsse des Rheines.

An plastischen Werken weist die Ausstellung nnr
ein einziges auf, aber ein recht gelungenes, schön durch-
gesührtes, eine Psyche von G. Neumann aus Hildburg-
hausen. Die Fignr, etwa in halber Lebensgröße, ein
Mädchen noch an der Grenze der Kindheit, aus einem
blumenumrankten Baumstamm sitzend, die Händchen im
Schooß übereinandergelegt, den Kops heiter sinnend nach
Oben gerichtet, giebt den Begrisf der Seele, unschuldig
und froh, wie sie aus des Schöpsers Hand hervorgeht,
noch ungebeugt vom irdischen Druck und Schmerz, aus's
Zlnmuthigste wieder. Diese Psyche sieht aus, als könne
sie sich mit den zarten Schmetterlingsslügeln plötzlich in
den reinen Aether, ihr natürliches Element, erheben,
und doch ist alles sest, rund und kräftig an der trefs-
lich modellirten Gestalt. 0.

Äus Pompeji.

Fiorelli's Beförderung zum Generaldirektor aller
Ausgrabungen in Jtalien mag die Verehrer des ver-
dienstvollen Mannes wie diesen selbst befriedigt haben;
für die wichtigsten Ausgrabungen Jtaliens, die in Pom-
pei, ist diese centralistische Maßregel ein wirkliches Un-
heil. Wer längere Zeit hindurch Zeuge der Ausgrabungen
war und weiß, wie dieselben jetzt betrieben werden, auch
die frühere Methode kennt, der muß zugestehen, daß sich
das ganze Versahren entschieden verschlechtert hat. Manche
Vorkommnisse erinnern sogar lebhast an die Art, wie
man in bourbonischer Zeit die Ausgrabungen betrieb.
Die Herren in Neapel sröhnen, da „die Katze fort
ist", nun wieder nach Herzenslust dem süßen Jntriguen-
spiel, das dem Jtaliener, wie es scheint, ein Herzens-
bedürsniß ist; dabei wird in Pompeji erstens viel lässiger
gearbeitet, zweitens das Ausgegrabene dem raschen Ver-
derben überlassen. Schon im Museum zu Neapel fällt
Jedem das Nachlassen der schrosfen Disciplin aus; man
wird durch das wüste Geschrei der sich von Saal zu
Saal, von Stockwerk zu Stockwerk miteinander unter-
haltenden Ausseher, durch das Gezänke der Kopisten-
tagwerker unangenehm daran erinnert, in Neapel zu sein.
Bei mehrstündigem Studium in einem der Säle ist Einem
dieser Unterschied zwischen sonst und jetzt besonders auf-
sällig. Jn Pompeji ist vor Allem die grenzenlose Acbt-
losigkeit zu rügen, mit der man das Ausgegrabene dem

Untergange weiht. — Unlängst fiel eine ganze Wand-
dekoration in Stücken herunter. Die Versuchung, aus
den zusammengeschobenen Trümmern sich ein Figuren-
fragment zu retten, war groß, und die Engländer haben
ihr gewiß auch nicht widerstanden, die sich nun wieder
häufiger in Pompeji herumtreiben und eifrig ihrem van-
dalischen Sammlungstrieb fröhnen. Nach einigen Tagen
waren die Trümmer verschwunden und alles rein weg-
gefegt. Es ist positiv, daß die Reste nicht aufbewahrt
wurden, — wozu auch? War es ja doch nur eine
Wanddekoration und die war ja für's Museum in
Aquarell schlecht und recht kopirt! Eine andere sehr
schöne Wand mit scharlachrother Dekoration ist im Winter
durch Froft total ruinirt worden, nachdem nian es nicht
der Mühs werth gehalten, sie wenigstens durch Stroh-
matten zu schützen.

Machten die Künstler schon Fiorelli den Vorwurf,
daß er mehr dem archäologischen als dem künstlerischen
Jnteresse gerecht werde, daß er, wie man sich auszu-
drücken pslegte, „nur über oskische Jnschriften Dächer
mache", so ist es jetzt insofern besser geworden, als
Archäologen und Künstler nun gleichviel Grund zu
klagen haben.

Unlängst wurden in einem reizend dekorirten Zimmer
zwei Bilder mit griechischen, vöklig neuen Epigrammen
entdeckt, beide anf die Darstellungen bezüglich. Das
eine stellt den Kampf eines Satyrs mit Amor dar; da-
zu ein Vers; das andere die zwei Hirten, die dem Homer
das Räthsel von den Flöhen aufgeben. Das dritte, ein
ländliches Opfer darstellend, hat seinen Vers durch die
Einritzungen der Lapilli verloren. —- Dieses Zimmer
verdiente ein Dach, so gut wie irgend eines in Pompeji,
und wie wurde es gegen Schnee und Regengüsse ge-
schützt? Durch einige Lappen Leinwand, die ich ganz
durchnäßt daran hängenv sand, die der Wind mit aller
Gewalt gegen die Wand schlug. -— Wenn man die be-
wunderungswürdige Frische sieht, in der die Wand-
dekorationen prangen, welche noch halb in der Erde
stecken, wenn man den relativ ganz leidlichen Zustand,
selbst der vor Jahrzehnten ausgegrabenen Fresken sieht,
die durch nothdürstige Dächer geschützt sind, so kann man
nicht umhin, einen eindringlichen Schmerzensschrei wenig-
stens niederzuschreiben, wenn man den raschen unver-
antwortlichen Versall der Wind und Wetter preisgegebenen
Bilder Leobachret.

Vor zwei Jahren sah ich im heftigsten Brande der
Augustsonne manche herrliche Dekoration buchstäblich
glühen, die ich letzten Winter von hestigen Regenschauern
und gefrorenen Schneekörnern mißhandelt wiederfinden
mußte. Ganze Wanddekorationen sind in diesen zwei
Jahren völlig verschwunden, viele Bilder ganz verblichen,
die ich vor zwei Jahren noch zeichnen konnte!

Es wäre eine lebhaste Agitation in den Kunst-
 
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