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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Redtenbacher, Rudolf: Der Thurmhelm des Freiburger Münsters
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0382

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751

Personalnachrrchten, —' Saininlungen und Ausstellungen.

752

Es scheint, daß das untere Drittel des Helmes eine
Bauperiode bezeichnet; die Gerüste mögen sich gesetzt
haben, morsch geworden sein, so daß bei weiterer Fort-
führung des Baues es nicht mehr möglich war, genau
die Richtung des unteren Drittels einzuhalten.

Ein Hauptereigniß in der Baugeschichte des Thurm-
helmes war das heftige Gewitter im Iahre 1561; der
Blitz warf die Spitze des Helmes herab, welche mit
einer Marienstatue gekrönt war, und Meister Kempf von
Rheineck, der Erbauer der schönen Kanzel, soll, nachdem
die Dombaumeister von Schlettstavt, Kolmar und Straß-
bnrg ihr Urtheil über die Beschädigungen des Baues ab-
gegeöen hatten, die Spitze wieder anfgeführt haben. Die
vollständige Deformation des obersten Thnrmhelmstücks
läßt daraus schließen, daß man möglichst eilig und ohne
allzu große Sorgfalt diese Restauration bewerkstelligte.

Nun war der Vorgang bei dem Gewitter wohl
nicht so einfach, als er hier mit wenigen Worten gegeben
ift, und hier beruse ich mich aus das Urtheil des städtischen
Jngenieurs, Herrn Lueger in Freiburg, welcher mit mir
die Deformationen des Thurmhelmes vom Münsterplatz
aus beobachtete und mich auf sehr bedeutende Neparaturen
am Fuße des Thurmhelmes, oder besser gesagt, an seinen
Stützpunkten aufmerksam machte; diese Reparaturen sind
besonders auffällig da, wo das Treppenthürmchen zur
obersten Thurmgalerie an das Achteck sich anlegt. Ein
bedeutender Riß ist im Jnneren des Treppenthürmchens
sichtbar, welcher sich an der ganzen Wand entlang von
oben bis in die Untertheile derselben fortsetzt. Der Mörtel,
mit welchem alle Reparaturen an den Stützpunkten des
Helmes, sowie am Treppenthürmchen ausgeführt wnrden,
(wahrscheinlich sogenannter Göschweiler Cement) scheint
ganz derselbe zu sein, welcher zu der Wiederherstellung
der Spitze verwendet wurde.

Nach allem diesem ließ sich nun die Vermuthung
aufstellen: daß der Blitz nicht die Spitze herabwarf nnd
dann unschävlich war, sondern daß er die Unzahl der
eisernen Klammern und Anker des Helmes packte, den
ganzen Helm so erschütterte, daß nicht blos die Spitze
abflog, sondern auch die Fußpunkte theilweise zum Weichen
kamen und dadurch beträchtliche Desormirungen der
ganzen Konstruktion erfolgten; daß der Blitz ferner an
den eisernen Querbändern des Treppenthürmchens, welche
die Fenster desselben abtheilen, spiralförmig herablies
und den ganzen Verband des Treppenthurmes mit dem
Thurmpfeiler lockerte.

So wäre demnach die bedeutende Deformirung des
Helmes namentlich anf dieses Naturereigniß zurückzu-
führen, nnd ohne Zweifel hat die Ausdehnung und Zu-
sammenziehung der unendlich vielen Eisenklammern in
Folge der Temperaturdisserenzen noch nachträglich dazu
mitgewirkt, um den ohnehin stark inAnfpruch genommenen
Thurmhelm in seinem Bestand zu gefährden. Der kühn

konstruirte Helm hat bis jetzt dem Schickfal getrotzt;
wird er es sernerhin können? Herr Dombaumeister
Schmidt in Wien, welchem ich die hier gegebenen Mit-
theilungen unterbreitete, war der Ansicht, daß unter der
Voraussetzung der Richtigkeit der hier aufgestellten Ver-
muthungen ein ähnliches Naturereigniß den Thurmhelm
zerstören und damit den Bestand des ganzen, herrlichen
Münsterthurmes in Zweifel setzen müsse. Jedenfalls
glaube er, daß eine vollständige innere und äußere Ein-
rüstung des Helmes zum Zweck seiner gründlichen Unter-
snchung, welche sich bis auf die geringsten Risse im
Stein, auf das Oefsnen der Fugen, das Abbröckeln des
Materials rc. zu erstrecken habe, wohl nicht zu vermeiden
sei. Möchten meine Zeilen die Folge haben, daß das
Freiburger Domkapitel Autoritäten wie die Dombau-
meister Denzinger, Schmidt und Boigtel zu Hilse
rufe, um die Perle des Oberrheins zu sichern!

^ Rudolf Redtenbacher.

Personalttachrichten.

L. Der Architekt August Rincklake in Düsseldorf hat
eine ehrenvolle Berufung stls Professor der Architektur an
die Polytechnische Schule in Braunschiveig erhalten und an-
genominen. Er rvird im Herbst diese Stelle bereits antreten.
Dieselbe ist neu geschaffen worden, da bisher nicht in aus-
reichender Weise an jener Anstalt für die Baukunst gesorgt
war, wie ja überhaupt seit der Errichtung des neuen großen
Gebäudes die ganze Schule eine bedeutende Erweiterung er-
fahren hat. Rincklake's Thätigkeit wird hauptsächlich auf die
Wiederbelebung der inittelalterlichen Architektur gerichtet sein,
die er auch bisher in seiner praktischen Wirksamkeit vorzugs-
weise pslegte und init besonderem Verständniß und künstleri-
scher Einsicht dem inodernen Geschmack anzubequemen wußte.

Er dürfte sich in jeder Beziehung um so mehr für die neue
Stellung eignen, als er schon seit Jahren seine Gehülfen
immer selbst und zwar mit entschiedenem Erfolg heranbildete,
und nicht allein durch seine praktische Thätigkeit, sondern auch
durch seine Betheiligung anOrtwein's „DeutscherRenaissance",
sür welche er die Abtheilung Münster übernommen, den Be-
weis seiner Tüchtigkeit und sciner künstlerischen Begabung
erbracht hat.

Sammlnllgett nnd Äusstellungen.

Kasseler Kunstverein. (Schluß.) Einen interessanten
Gegensatz zu den zuletzt genannten Arbeiten von Rögels
bilden vier Studienköpfe von H. Faust, in welchen die
malerische Tendenz als solche vorwaltet und auch mit feinem
Geschmack zur Geltung gebracht ist. Noch bedeutender tritt
das Talent des Künstlers in seinem „Genrebild" hervor,
welches uns eine im purpurnen Prachtzelt ruhende ägyptische
Königstochter zeigt. Das Bild ist eine hochinteressante Novi-
tät und bestätigt in jeder Beziehung unser schon bei srüherer
Gelegenheit über den Künstler ausgesprochenes günstiges
Urtheil. Faust versteht sich ebenso vortrefflich auf die ma-
lerische Stimmung wie auf Zeichnung und Formbehandlung,
und wir rechnen es seinem neuesten Bilde zum Vorzug an,
nach beiden Seiten hin allen Anforderungen zu genügen.
Die Gestalten dieser jungfräulichen Königstochter wie der ihr
gegenüber sitzenden, den Wedel haltenden Sklavin, eine
Aethiopin, sind ebenso sein in der Modellirung wie im Jn-
carnat. Ueberhaupt aber ist die Malerei des Ganzen höchst
gediegen, und unter Anderm die ägyptische Dekoration
bis zu dem den Gürtel der jungen Schönen schmückenden
Scarabäus herab meisterhast wiedergegeben. Unter den
Landschaften nimmt zunächst ein größeres Bild von E.
Neumann hier das Jnteresse in Anspruch. Schon wieder- .
holt sahen wir prächtig ausgeführte Kohlenzeichnungen des
Künstlers aus der Ausstellung, welche ein nicht gewöhn-
 
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