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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Tschudin, Hugo: Ein Rundgang durch das moderne Paris
DOI Artikel:
Abrest, Paul d': Der Salon von 1876, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0399

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785

Der Salon von 1876

786

am Grabmonument Alphonse Baudin's, im
Kirchhos von Montmartre, der Hauptantheil zu. Aus
einem Steinsarkophag eigenthümlicher Form liegt mit
hinten übersallenoem Kopf die Bronzefizur des unglück-
lichen VolksreprLsentanten. Die eine Hand entblößt
krampshaft die durchschossene Brust, die andere ruht aus
einer zersplitterten Gesetzestafel. Die Figur ist tüchtig
und voll Empfindung, dennoch scheint das Ganze unor-
ganisch und zielt zu gewaltsam auf Effekt ab.

Das ist in kurzen Zügen ein Bild der neuesten
Kunstthätigkeit, wie sie Einem in den Straßen und auf
den Plätzen von Paris entgegentritt. Es ist kein sehr
erbauliches, aber es ist eben auch nur ein Stück. Es
erlaubt keinen Schluß auf dieGesammtheit des artistischen
Schaffens. Die Kunst ist HLuslich geworden. Sie ist
vor Allem Wohnungsschmuck. Hier verliert sie die
tastende Befangenheit, mit der wir beinahe alle architek-
tonischen Schöpfungen ringen sahen, hat ihre klaren ganz
bestimmten Ziele, gedeiht auch ohne die künstliche Brut-
wärme staatlicher Fürsorge. Jm Jnnern der Häuser
mw Paläste und in den Galerien muß man sie daher
suchen, wenn man sehen will, worin die Franzosen groß
und nachahmenswerth sind. Hugo von Tschudi.

Der Zalon von 1876.

IV.

Die Landschaft hat noch immer ihre eigenthüm-
liche Poesie; man kann da die angenehmsten Exkursionen
machen, ohne das Palais in den elysäischen Feldern zu
verlassen. Man hat den Vortheil, daß vie Landschaften,
welche die Dichter mit dem das ewige Grün und die
holde Spiegelfläche der Flüsse und Bäche erschaffenden
Pinsel uns hervorzaubern, sich uns von einer durchaus
idealen Seite zeigen.

Wollen wir einen Gang im Morgenthau machen,
allein in die angepaßte Schwärmerei versunken oder
Hand in Hand mit einem angebeteten Wesen, wie es vie
Poesie der Liebe forvert, wie könnten wir uns eine

amnuthigere Gegend wünschen, als die uns C. H. Delpy
zeigt. Es ist ein gesegnetes Weinland; der fahle Mond
tritt den Rückzug an, während ein rosiger Flaum den
Geländen und Rebstöcken als Apotheose dient. Doch

rasch nach Hause, verschwiegene Liebespaare, der Winzer
wartet kaum das erste Morgengrauen ab, um sich an
die Arbeit zu machen und es wird rasch lebendig, ehe

noch der silberne Mond hinter seinen Wolken ver-

schwunden ist!

Meister Ch. Fr. Daubigny brachte die letzte
Saison in der üppigen Normandie zu; er brachte einen
herrlichen Obstgarten mit, einen jener Gärten, wie man
sie in der Umgegend von Rouen und Caen findet, mit
hoch und wild emporgeschossenen Grashalmen, mit den

unter der gülden-rothen Last der pausbackigen Aepfel
fich beugenden Stämmen, und damit ja Nichts an der
lokalen Farbe vernachlässigt werde, weidet unweit dieser
Stämme im hohen Grase ein niedliches Eselein — das
nämliche, welches die Aepfel nach der Stadt zu Markt
tragen wird. Das ganze Bild wurde ofsenbar ohne
Ansprüche, vielleicht zum Zeitvertreibe während der
Sommermuße geschaffen, aber obwohl es nicht zu den-
jenigen zählt, welche den Rus eines großen Künstlers
zu begründen im Stande sind, so fehlt doch hier nicht
jener ooux äo putto, ver die Werke eines Daubigny
vor der Schmach der Mittelmäßigkeit retlet.

Karl Daubigny erzielte eine angenehm untadel-
hafte Wirkung durch die gelungene Nebeneinanderstellung
des leisen Purpurs am Himmel, des Grün der Vege-
tation und des Blau des Meeresspiegels, welches die
Landwirthschast Simon bei Honsleur badet.

Recht realistisch — ohneUebertreibung — ist die Kom-
position des Hrn. Veyrassat. Ein Pferdewechsel, aber
nicht vor dem fröhlichen, weißgemalten, guirlandirten
Posthause, nicht mit Schellengeläute, Bier trinkenden
Kondukteuren und in die Trompete blasenden Postillons.
Nein, der Pferdewechsel sindet auf einer sandigen Ebene
längs eines schmutzigen Flusses statt; die armen Gäule
ziehen da keine gelbübertünchte Postchaise, aber sie
schleppen ein schwerfälliges hölzernes Schiff. Die Gegend
ist wenig interessant und kann daher auch nicht in inter-
essanter Weise wiedergegeben werdcn, dafür liegt ein hüb-
sches Stück Studium in ver rüstigen Struktur der Gäule,
die stämmig dastehen, aber nicht gedankenlos, und etwas
resignirt dreinblicken. Man möchte fast glauben, daß
Hr. Veyrassat an die thierische Seele glaubt.

Duprv und Beauvais zeigen recht anmuthige
Schnitterscenen; ist der Anblick, den uns Dupro bietet,
ein recht lachender, so kann Beauvais dagegen die Origi-
nalität beanspruchen. Seine „Olunousos" sind vom
Regen überrascht worden, sie suchen unter einem Baum
Zuslucht, was sie aber nicht hindert, ihre Körbe bis an
den Rand zu füllen.

Noch einen Blick auf die fette, feuchte Normandie!
Diesmal führt Hr. Xavier de Cock den Reigen, ein
alter erprobter Liebhaber der anglo-sächsischen Natur.
Das Kolorit dieses Künstlers.ist gerade so aufrichtig
wie die Farbe der von ihm dargestellten Landschaften,
und sein Grün ist frisch und treu genug, um sich daran
laben zu können.

Wer sich gern am Anblick einer Jdylle weidet, mag
sich bei Herrn Iundt heuer bedanken. Es giebt kein
ländlich poetischeres, kein sanfteres Bild als dieses herr-
liche „Maiblümchen", welches auf einem üppig besäeten
Naturteppich dasitzt und sich aus hundertfarbigen Bestand-
theilen ein Bouguet zusammenstellt. Mit der an Jundt
gewohnlen Gewandtheit sinden wir die prachtvollste Har-
 
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