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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Redtenbacher, Rudolf: Nachträgliches über den Thurmhelm am Freiburger Münster
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5789#0415

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817

Nekrologe.

818

Dieser, in jeder Weise unvollkommen konstruirte
Helm hat nun auch, wie ganz natürlich ist, sich defor-
nürt. Die südliche und nördliche Helmseite sind am
Fuß 4,43 M. und 4,42 M. breit, die östliche und west-
liche 5 M. und 5,05 M.; die Zwischenseiten meßen
sogar gegen Südwest, Südost, Nordost, Nordwest, 5,14M.,
5,07 M., 5,10 M., 5,11 M., und diesen Breite-
differenzen von 0,72 mnximnm entsprechen bedeutende
Gewichtsdifferenzen der Helmslächen; die Diagonalen des
Thurmachteckes sind schon in der Anlage so verschieden,
daß ihre größte Differenz 0,43 M. beträgt. Es mußte
folglich das Streben der Helmseiten dahin zielen, eine
Zusammendrückung und Drehung des Helmes hervor-
zurufen, welche sofort eintrat, sowie der elektrische Strom
die Verankerungen erschütterte, die Fußpunkte zum Weichen
brachte und den starren Zusammenhang momentan aus-
hob. Die Rippen bogen sich aus oder knickten ein, die
Flächen sanken ein oder drehten sich windschief, und so
kam der Helm in einen labilen Gleichgewichtszustand,
m welchem er, unablässig zum Zusammensturz hin-
neigend, noch verharrt.

Die beträchtlichen Reparaturen, von welchen ich in
in dem früheren Artikel sprach, sind, wie ich kürzlich
aus dem Munde des Bauparlir Obermeier erfuhr, von
ihm selbst in den 60er Jahren ausgeführt worden; sie
beweisen, daß auch Georg Kempf von Rheineck den
Bestand des Thurmes nicht gesichert hat, denn es waren
an der Helmspitze und unterhalb der Wimperge durch
Berschieben der Steine zollbreite Fugen entstanden, in
welchen Frost und Regenwasser nach Belieben ihr Zer-
störnngswerk fortsetzen konnten.

Seit einem Jahrhundert wird am Münster zi,
Freiburg restaurirt; bis zum Jahr 1857 etwa wurden
die Fialenaufsätze der Chorstrebepfeiler mit Ausnahme
von vier unvollendet gebliebenen ausgeführt: scheußliche
Mißgeburten der großherzoglich badischen Oberbau-
direktionsgothik. Dann wurde am südlichen Querschiss
die Patiua, die zopfigeSonnenuhr und das spätromanische
gemalte Ornament des Radfensters entfernt, später eine
Chorkapelle mit platten bunten Ornamenten im Stil
italienischer Jnitialen vekorirt, neuerdings die alten
spätgothischen Galeriebrüstungen des Mittelschisfs theil-
weise durch häßliche, in den Formen und Verhältnissen
vollständig mißverstandene Muster ersetzt, endlich unter der
Aegide des früheren Stadtpfarrers, des Herrn Dom-
kapitular Marmon, das Mittelschifs in achtenswerther
Weise restaurirt und damit zum Glück nichts verdorben.
Die prächtigen Glasmalereien haben durch srühere un-
geschickte Restaurationen bedeutend gelitten, und jetzt
werden sie nach der Neihe gesäubert; wie diese Restau-
ration ausfallen wird, entzieht stch noch der Beurtheilnng.
Kürzlich hat man ein riesiges Wandgemälde über dem
Triumphbogcn entdeckt, dessen Wiederherstellung dem

Maler Seitz in Rom übertragen worden ist. Herr
Architekt Cuypers aus Amsterdam wurde neulich nach
Freiburg gerufen, um über die dekorativen Arbeiten am
Münster sei-n Urtheil abzugeben.

Betrachtet man mit Ausinerksamkeit alles das, was
unter dem Namen „Restauration" dem edlen Bauwerk
zugefügt wurde, so giebt es nur ein Wort des tiefsten
Bedauerns darüber, daß so viel guter Wille mit Miß-
erfolg gekrönt, so viel Geld zum Fenster hinausgeworfen
wurde, daß so viele Proben des vollständigen Unvermögens
der Restauratoren der Nachwelt erhalten bleiben sollen.
Der Münster zu Freiburg ist als ein herrliches Denk-
uial deulscher Kunst Eigenthum der deutschen Nation
und nicht irgend welcher Baubehörde oder eincs Dom-
kapitels. Auf daß in Zukunft die jetzigen Verwalter
dieses Eigenthums mit mehr Sorgfalt den Schatz zu
bewachen verstehen, möchte ich jeven Kunstfreund für
unsern Münster zu interessiren suchen, und so hoffe ich,
ein ausführlicherer Bericht in diesen Blättern über die
Restauration wird zu dem Ende nicht unwillkoinmen sein.

Rudolf Redtenbacher.

n e k r o l o g e.

Ioseph Cesar, der bekanute Bildhauer, der am 29. Juni
d. I. in Wien verstarb, war 1814 zu Hernals geboren. Der
Junge sollte Geistlicher iverden, ivard aber, durch seinen Hang
zur Kunst bestinimt, iin Jahre 1829 bei dein bekannten Gra-
veur und Kunstschlosser Withalm in die Lehre zu treten;
1832 besuchte er die Akadeinie, inodellirte unter Anleitung
von Schaller und Käßmann in Thon und Wachs und lernte
unter Pichler das Münz- und Steinschneiden; hier errang
er fünf akademische Preife, dazu 1836 den mit der großen
goldenen Medaille und einein Stipendium für Roin ver-
bundenen Kaiserpreis. Jn Noin, ivo er bis zuin Jahre 1842
blieb, führte er zivei Denkinünzen aus, auf „die Amnestie
des lombardisch-venetianischen Königreichs" und den Minera-
logen Mohs. Nach seiner Rückkehr fertigte er die Denk-
münzen für die Naturforscher-Versammlung in Graz und
eine Jubiläums-Medaille für den Prälaten von Göttiveih.
Mitte der Vierziger-Jahre bereiste er auf Staatskosten die
Münzanstalten Deutschlands, Englands und Frankreichs, und
ivurde im Jahre 1848 zum Mitgliede der Akademie der bil-
denden Künste ernannt. Jm Jahre 1850 fertigte er aus
Gold, Silber und Elfenbein den Einband zn den Nibelnngen,
ivelchen der Kaiser Franz Joseph aus Anlaß der Weltaus-
stellung der Königin Victoria zum Geschenk übergab; .1852
arbeitete er den schönen O'Donnel-Schild in Silber. Jm
Jahre 1854 modellirte er im Auftrage des Erzherzogs
Maximilian die Statue der heiligen Helena für Bronzeguß,
ivelche in Jerusalem aufgestellt ivurde. Jn Wien ist Cesar
an ösfentlichen Plätzen und Bauiverken durch mehrere größere
Arbeiten vertreten, so auf der Elisabethbrücke durch die übri-
gens nicht sehr gelungene Statue des Fischer v. Erlach, vor
dem Portale der Handels-Akademie durch die Statuen von
Kolumbus und A. Smith, im großen Treppenhause des
Opernhauses durch die Porträt-Medaillons von Van der Nüll
und Siccardsburg; überdies fertigte er im Verein mit Rad-
nitzky etwa dreißig Medaillons an den Logenbrüstungen, Por-
träts der bedeutendsten Künstler und Künstlerinnen, ivelche
seit der Zeit der Maria Theresia bis zur Demolirung des
Hauses am Kärthnerthor-Theater wirkten; auch die Marmor-
Karyatiden an dem Portale eines Privathaufes in der Opern-
gasfe sind Werke seiner Hand. Cesar ivar ein kräftiger,
liebenswürdiger Mensch, eine echte Künstlernatur und besaß
eine ungewöhnliche technische Durchbildung.

8. Franz Melnitzky, der geschätzte Wiener Bildhauer'
der am 1. Februar d. I. seiner ausgebreiteten künstlerischen
 
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