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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 13.1878

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Richter, J. P.: Raffael's "Madonna dei Candelabri"
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Semper, Hans: Nachtrag zu der "Studie über einige Kirchengrundrisse der Renaissance"
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https://doi.org/10.11588/diglit.5787#0317

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623

Nachtrag zu der „Studie über etnige Kirchengrundrisse der Renaissance".

weit geht. Einzelne Theile, ivie die gcmz flache Stirn
des Christtindes, deuten entschieden auf spätere Ueber-
matung. Jn der eigenthümlichen Bildung seines
Mundes glaube ich indessen eincn Einflnß des Andrea
del Sartv Ivahrzunehmen. Daß der Kops der Bta-
dvnna, in ivelchcm das Jdeal einer christianisirten rv-
mischen Junv uns entgegcnlenchtet, vvn Raffael eigen--
händig ausgesiihrt sei, darüber kanu dtiemand auch nur
den teisesten Zweifel hegen. Die Substanz der stark
impastirten Farbe zeigt eine kvrnige Oberfläche.

Erst durch Aussätze, Ivelche kürzlich in der Times
publicirt ivurden, ist es bekannt gelvvrden, daß dieser
weltberiihmtc Raffael einen Rivalen in Londvn hat.
Der als Knnstkcnner und Schriftstcller bekannte I. C.
Rvbinson machte nach dem Ende der Versteigerung
die Mittheilung, er besitze dasselbe Bild und gab da-
bei dem Verlangen Ausdrnck, beide Gemälde möchten
nebencinander ansgestellt werden. Da einer Einwil-
ligung seitens der Erben des Mnnro-Bildes wohl
Bedenken entgegenstehen dürften, scheint es angezeigt,
hier cinen Vcrgleich beider Geniälde ans der srischen
Erinncrnng einer gcnauen Untersuchnng zu geben.

Das Rvbinsvn'sche Bild ist, wie die meisten in
Rvm gemalten Taselbilder aus Raffaet's Zeit, anf
Cppressenhvlz, im Gegensatz zn flvrentinischem Gebranch,
gemalt, die Maße sind genau dieselben, die Erhaltnng
vvrzüglich. Die Geschichte dieses Excmplares ist gleich-
falls schwer zu Verfvlgen. Nur sv viet scheint fest zu
stchen, daß es sich seit einer Reihe vvn Jahrzehnten
in England besindet nnd am Ende des vvrigen Jahr-
hnnderts der Galerie Bvrghcse einverleibt war. Pictrv
Bcttelini's Stich der„Bkadvnna dei Candelabri", welcher
das Original wvhl am besten wicdergiebt, zeigt, Ivie
in dem Rvbinsvn'schen Gemälde, die Hände der Engcl
dicht nnterhalb ihrer Kvpfe an die Candclaber gelehnt;
in dem Munrv'schcn Bild sehlcn diese Hände ganz, da
hicr der Candeläberfuß vicl mehr hervvrtritt in ciner den
Eindruck perspektivischer Wahrscheinlichkeit schädigcnden
Weisc. Jn dem Zcobinsvn'schen Bilde ist die Farbe
ganz dünn und flüssig aufgctragen, sv daß im Jncarnat
die durchscheinende grünliche Untcrmalnng zur Mvdcl-
lirnng der schattigen Thcile benutzt ist. Der blaue
Mantcl der Madvnna ist übermalt, eine Thatsachc,
wclche wvhl auch Vvn dem Munro'schen Bilde zu gelten
hat, da dic Bcschreibung dcssclben bei Passavant nicht
mehr mit dem Eindruck stinimt, welchen hentigen Tages
dicser Theil des Bildes macht.

Was das dkvbinsvn'sche Bild Vvr allen Dingen
auszeichnet, ist die gleichmäßigc malcrische Dnrchführung
atler Theile. Während der Kvp^ der Madonna,
übrigens auch in dem Contur ein wcnig verändcrt, des
strahlenden Effektes allerdings entbehrt, welcher in dcm
andern Bilvc sv beslcchend lvirkt, daß im Anblick dessclben

die iLchivächen in den übrigen Theilen immer schnell
iibersehen werden, ist besonders das Christ-
lnc 'ei Rvbinson, nicht minder die Engel, sener Dar-
stellung iveitauö iiberlcgen. Auch sind die Haarmasse»
sreier „nd natürlicher grnppirt,- hier sind die Lichtcr
üussallender Weise fein mit Gvld gehvht. Der malc-
nst)e Effekt der Flammen mit den stieflexlichtern aus
en Lenchtern ist „nr hier wahrhaft künstlerischcr
^eise ansgestihrt. Da das Robinsvn'sche Bild enl-
st)iecen den Eindrnck erweckt, Vvr 152U entftandeii Z»
in Anbetracht der Thatsache, daß ältew
--Vw eihvinngen der „Madvnna dei Candelabri" svnst
u eihanpt nicht nachgcwiesen werden können, als
Vergleiches ansgesprvchen werden, daß
- casfacl eigenhändig eincn fetzt verlvrenen Kartvn ent-
ivais nnter den bckannten Handzeichnnngen kviinen
leidcr anch „icht einmal Vorstndien nachgcwiescn
wciccn nnd daß die malerische Aussiihrnng der
'eiden Bilder unter der Lcitung des Meisters Schülern
anvertrant wnrde. Wie Naffael in dem Munrvh'chen
Bilc e den Kvpf der Madvnna selbst malte, sv schcint seinc

Vin elfnhrnng auch i» cinzelnen Theilen des Rvbin-
svn schen Bildes, insbcsvndere in der Hand des Christ-
tmdes, deren Mvdellirung die Fähigkeit eines Ginlw
vnianv weit übcrtrifft, nicht in Frage zu stehcn.
Loiidon, i,n Juni 1878. I. P. Richtcr.

Nachtrag zu der „Studie über einige Rirchen-
grundrifse der Renaissance."

gvstattet, einen knrzen Nachtrag Z>i
e> lünjsti in der Zeitschrift erschienenen vbenbezcich-
neten Stndie zu liefern, da ich theils dnrch ein niir
ci er Abfassnng des Anfsatzes in Carpi nnzugättg-
l)c- Vx>t (Onwsiori, (äli urtisti sto. nsg-Ii vtnti
ch-8tsii8i) in die Lage gesetzt bin, einige genanere, -'icht
unwn)tige Datcn über die Bangeschichtc Vvn S. Nic-
c o» gebcn, theils nvch einigc Bemerknngcn übc'
le knnstgeschichtliche Bedentnng dieses Baucs nach-
schicken möchte.

Cainpvri ergicbt sich anS nnzweideutlge"
rtnnden, die er theilweisc citirt, daß Peruzzi »icht
ven ersten Plan zu S. Niccvlv geliefert haben kanm
svndern daß vielmehr schvn seit dem Jahrc 14!i:V t"'
Vcr-nzzl nvch Knabc war, der wesentlichste Theil vv»
w-. ticcvlo (der Chvr- nnd Knppelpartien) entwvrscn
und sestgcstellt scin „inßte. I» diesem Jahre saßtc
nani ich das Kapitel der Minvritenmönche (zu dcrcn
ei ui Carpi die Kirche S. Niccolv gehört) in ciin>
Versammlnng zu J„,vla den Beschtnß, '„daß das ne«c
Oebnnde in Carpi, zu dem Alberto Piv den Gn-nd
gelegt, dnrchans nicht i„ der prosektirten Gestalt ai-s-
gesuhrt werden dürfe, svndern überall redncirt werdc»
 
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