Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

DOI Artikel:
Berggruen, Oscar: Das Museum Plantin-Moretus in Antwerpen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0020

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
37

Das Museum Plantiu-Moretus tn Antwerpen.

38

Montcmus. Auch die ersten Besitzer der Druckerei aus
der Familie MoretuS, Balthasar l. und Balthasar II.,
ivaren hochgelehrt, korrespondirten in allen Hauptsprachen
ihrer Zeit und leisteten selbst in umfassendster Weise
Korrektorendienste. Daneben ist das Comptoir mit
den Rechnungsbüchern, welche den ungeheuren Auf-
schwung des Hauses ersehen lassen. Schon Plantin
hatte ein Vermögen von ungesähr 150,000 Gulden
(etwa eine Million Francs heutiger Währung) hinter-
laffen, eine für jene Zeit ungeheure Summe; 1651 gab
Balthasar II. Moretus noch bei Lebzeiten seiner reicheu
Mutter ein persvnliches Vermögen von 200,000 Gulden
bei der Steuerbehörde an, nnd schon zu Lebzeiten
Balthasar's I. belief sich der jährliche llmsatz an Büchern
auf 120,000 Gulden. Aus dem Comptoir gelangt
mau in das schon im l6. Jahrhunderte so genaunte
Zimmer des Justus Lipsius, welcher berühmte Gelehrte
zwar nie als Korrektor der Druckerei fungirt hat, aber
als Freuud Plantin's, als Lehrer Balthasar's I. und als
Autor zahlreicher Werke, die in der Officiu Hergestellt
ivurden und eiueu uuglaublichen Absatz fanden, mit
der Geschichte des Hauses eng verknnpft ist. Das merk-
würdige Faktum ist beglaubigt, daß Lipsius zu einer
Zeit, wo die Antoren den Drucker bezahlen mußteu,
wenn sie ihre Arbeiten publizirt sehen wollten, vou
Plantin-Moretus Honorare erhielt, die sich für einzelue
Manuscripte auf mehrere hundert Gulden beliefen;
daraus kann nian schließeu, Ivelche Summen die Officiu
durch die Werke dieses Gelehrteu gewanu, die zu jener
Zeit eiues Rufes sich erfreuteu, für deu man heutc
keine Erkläruug mehr fiudek.

Ein Gaug führt iu das Setzerzimmer, welches iu
zahllosen Fächern die alten Setzkästen bewahrt. Da
siudet man jeue schönen Renaissanceschriften, die heut-
zutage erfreulicher Weise wieder in Aufnahme gekvmmen
sind. Schon 1575 hat Plantiu nahezn vierzigtausenv
Pfund Lettern in 73 verschiedeuen Schriftarten beseffen;
später richtete er eine eigeue Schriftgießerei ein. Da-
ueben ist die eigeutliche Druckerei, iu welcher die
Maschinen vou 1579 bis 1867 iin Gange gewesen
sind. Jm Jahre 1565 besaß Plantiu 7 Pressen, 1575
aber schvn 15, tbelche Zahl nicht überschritten worden
ist. Jetzt sind blos 7 Pressen vorhanden, von deuen
zwei aus der Zeit des Stiftsrs des Hauses datiren
uud sich seit langer Zeit auf einem erhöhten Ehren-
platze eines otium. cmiri äiKnitats erfreuen.

Jm ersten Stockwerke gelangt man zunächst in ein
Ziinmer, das eine Ausstellung von iutereffanteu Druck-
werken der berühmtesten alten Officinen enhält. Da-
ruuter findet man eine svgenannte Bamberger Bibel,
die nach der allgemeincn Anuahme etwa ein Jahrzehnt
nach Erfindung der Buchdruckerkunst durch Alb. Pfister
in Bamberg gedruckt worden ist, ferner eiuen Cicero

„Os olÜLÜ8^, gedruckt 1466 zu Mainz von I. Fust
und P. de Gernsheiiu, einen Ovid von 1474, gedruckt
zu Venedig durch Jakobus Iiubens, und andere Jn-
cunabeln, sowie höchst werthvolle Ausgaben von
Estienne, Elzevir, Froben, Grpphins und anderen
berühmten Druckern. Die eigentliche Bibliothek im
folgenden Saale birgt, außer zahlreicheu, prächtigen
Werken, einen Theil der Bücher, welche aus dem Hause
hervorgegangen sind. Die Direktion des Museums ist
bestrebt, diese Bibliothek zu vervollständigeu uud zu
einer Saiiimlung der Erzeugnisse aller Antwerpener
Druckereien zu gestalten; bis jetzt sind rund uugefähr
10,000 Bände beisaiiimen. Das Archiv des Hauses
enthält eine große Anzahl von Manuscripten und
Briefen berühmter Mänuer, mit denen die Drucker-
dpnastie in Verbindung gestanden hat, da alle svlchc
Dokumente und Briefschafteu sowie die Entwürfe der
von dem Hause abgesendeten Briefe vou 1555 bis 1565
überaus sorgfältig Iesammelt uud bewahrt worden sind.
Jn Verbindung mit den erhaltenen Journalen, Haupt-
bücheru, Jnveutaren, Meßbüchern, Katalogeu, Druck-
privilegien, Kvntrakten, Testamenten nnd Rechtsurkundeu
aller Art giebt das Archiv ein vollständiges Mnterial
zur Geschichte des Hauses.

Zwei Säle 'deS ersten Stockiverkes enthalteu mehr
als zehntausend Holzstöcke, welche iu der Druckerei
zurAuwenduug gekommeu sind; mehrere Holzstvcke tragen
blvs die Zeichnnng und siud ungeschnitten geblieben.
Verschiedene Künstler, darunter Nubeus, habeu die
Zeichnuug für diese,Stöcke geliefert; im 17. Jahrhuudert
hat hauptsächlich Erasm Quelliu für das Haus ge-
zeichnet uud Christoph Jegher die Stöcke geschnitteu.
Juteressant sind neuu prächtig gedruckte, mit gestvcheueu
Kopfleisteu verzierte Blätter, welche die Theseu der
graduirten Mitglieder der Familie euthalteu. Die
austoßeude Galerie birgt die Kupferstichplatteu des
Hauses, von denen 2737 sich erhalten haben. C. Galled.J.
nimmt unter deu Stecheru, die für das Haus gear-
beitet haben, eineu bedeutenden Nnng ein; sehr iuteressant
sind auch sechs Titelblätter und Pvrträts, welche vvn
C. Galle Vater uud Sohn nach IiubenS gestochen
worden sind. Die Familieu Galle und Mvretus waren
Verschwägert, wvraus sich dieser lebhafte Verkehr er-
klärt. Die ebenfalls in einerGalerie ausgestellte Kupfer-
stichsainmluug des Hauses, welche erst vvr etwa einem
Jahrhundert begonnen Ivurde, enthält zahlreiche be-
deuteude Blätter aus der Schule der Nubensstecher.
Wir heben den höchst selteuen Abdrnck vor der Schrift
des meisterhaften Stiches vvn Paul Pontius nach dem
Selbstporträt von Rubens zu Windsvr-Castle hervor
und die reichhaltige Folge vvu prächtigen Blättern aus
der van Dpck'schen Jkonographie.

Die vorstehenden kurzen Andeutungeu, welche nur
 
Annotationen