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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Fabriczy, Cornelius von: Die antike Kunst auf dem Trocadero, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0037

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71

Kunstliteratur.

72

Renaissancesaale der Ausstellnng zwischen Liniousiner
Emails und italienischen Marmorwerken plötzlich auf
die Bronzestatuette eineS nackten Hermes, im Besitze
von E. Andrs stößt und dieselbe sofort als Antike
recvgnoscirt. Der Gott ist mit gestreckten Beinen,
denen die Flügel fehlen, den einen Arm auf dem Knie
ruhend, auf den anderen leicht gestützt, wunderbar
elastisch hingelagert; die Körpermodellirung ist bis in's
Detail vollendet, die Formen sind mehr elegant als streng,
die Erhaltung ist vortrefflich, die Patina schön und mild.
Die Bronze ist in Nordfrankreich gefunden, und so sehr
auch der allgemeine Charakter für den griechischen
Ursprung derselben spricht, so scheinen doch Einzel-
heiten (wie das überaus starke Vorteten des Stirn-
knochens über den Augenhvhlen, die Aushöhlung der
Brustwarzen) auf römische Provenienz zu deuten, was
dann auch mit dem Fundorte eher in Einklang stünde.
Wie dem anch immer sei, sie bleibt eines der Juwele
der Ausstellung. C. v. Fabriczy.

(Fortsetzung folgt.)

Aunstliteratur.

Kunst n»d Kunstindustric auf dcr Parifcr Weltaus-
stclliing 1878. Bvn Friedrich Pecht. Stuttgart,
Verlag der I. G. Cotta'schen Buchhandlung.
1878.

Jn noch höherem Grade als die Wiener Welt-
ausstellung hat die Pariser sehr viel geschäftige Federn
in Bewegung gesetzt, welche eine wahre Fluth vou
Feuilletons in die deutschen Zeitungen ergossen. Die
Kunst und die Kunstindustrie kamen in dieseu Berichten
am schlechtesten weg. So ganz ohne Sachkenntniß
lassen sich Kunsturtheile nun eiumal nicht in die Welt
setzen. Von den Entrepreneurs, die zwanzig Zeitungen
zu gleicher Zeit mit ihren Weltausstellungsberichten
versorgten, läßt sich am Ende auch eine solche Sach-
kenntniß nicht verlangen. Mit gleicher Seelenruhe
referirten sie llber Gemälde wie über die neuesten Er-
findungen auf dem Gebiete des Glanzlacks und der
Stiefelwichse. Aber selbst Journale, die sich den Luxus
eines Spezialberichterstatters erlauben durften, waren
in der Wahl der geeigneteu Kräfte meist sehr unglück-
lich. Sv passirte einer großen deutschen Zeitung das
Mißgeschick, sich einen Spezialberichterstatter zu erküren,
der z. B. das russische Bauernhaus an der Straße der
internativnalen Fa^ade mit einem Schweizerhaus ver-
wechselte. Neben einigen Wiener und Berliner Jour-
nalen machte, wie immer, eine rühmliche Ausnahme
die Augsburgsr Allgemeine Zeitung, welche Friedrich
Pecht mit sachkundigen und lebendig geschriebenen Be-
richten versorgte. Wie sie in der Zeitung standen.
hat cr sie zu dem oben verzeichneten Buche vcreinigt

und ist durch diese schnelle Manipulativn allen Kon-
kurrenten zuvorgekommen, die ihre Feuilletons sllr
werth hielten, dem großen Publikum zum zweiten
Male aufgetischt zu werden. Auf der anderen Seite
entschlug sich Pecht freilich dadurch der Möglichkeit,
seine Aufsätze einer nochmaligen Revision zu unter-
ziehen und die in der Hitze der schnellen Berichter-
stattung verzeihlichen Flüchtigkeiten auszumerzen. Aber
wenngleich die einzelnen Aufsätze ihre Entstehungsart
unter dem Drange des Augenblicks nicht verleugnen
können, hat der bewährte Kritiker doch mit sicherem Takt
fast immer das Richtige getroffen. Man mag mit ihm
in der enthusiastischen Werthschätzung des Makart'schen
Riesenbildes nicht einverstanden seiu, man wird seine
Geringschätzung der englischen Malerei nicht theilen,
absr man wird ihm freudig zustimmen, wenn er immer
und immer wieder auf den augenfülligen Rückgang
der sranzösischen Kunst und Kunstindustrie mit Ent-
schiedenheit hinweist. „Darüber — sagt er einmal —
kann bei Vergleichung der deutschen Ausstellung mit der
aller anderen Nationen kein Zweifel mehr bestehen,
daß nur hier eine der französischen ebenbürtige und
durchaus selbständige Kunstrichtung vorhandeu sei, die
ebenso frisch und kräftig emporstrebe, als jene ihre Ueber-
legenheit, wo sie existirt, nur besserer Schulung und
reicheren Mitteln verdankt, daß sie dieselbe trotzdeni
nur mühsam behaupte und in offenbarem langsamen
Rückschreiten begriffen sei." Dem warmen Patriotis-
mus, der gegen den salschen Jdealismus in der deutschen
Politik, vornehmlich gegen unsere falsche Wirthschafts-
politik, welche unsere Kunstindustrie ruiuirt, scharf zu
Felde zieht, verzeiht man gern manche thatsächlichen
Jrrthümer, die sich zum Theil durch das späte Er-
scheinen des ofsiziellen Kataloges entschuldigen. So
häugen z. B. an dem großen Galgen, den Georges
Becker auf seinem berüchtigsten Schauergemälde er-
richtet hat, nicht die Körper der Maccabäer — wo
steht denn geschrieben, daß diese aufgehängt worden
sind? — sondern sieben Söhne des Saul, welche die
Gibeoniten an'S Kreuz geschlagen haben. Auch wird
auf dem nicht minder schaurigen Bilde Lematte's nicht
ein Gattenmörder von den Eumeniden mit dem Leich-
nam der Gemordeten aus dem Schlafe geweckt, son-
dern der Muttermörder Orestes durch die Erinnyen mit
dem Schatten der Klptämnestra. Auch würde die Be-
handlung der deutschen Kunst nicht gelitten haben,
wenn sich Pecht eines ebenso großen Wohlwollens
gegen die „Berlinische Kunst" beflissen hätte, wie gegen
die Müncheuer.

Doch das sind Einzelheiteu, die den Werth des
Ganzen nicht wesentlich beeiuträchtigen. Die Lektllre
des Buches wird gewiß jedem Besucher der Pariser
Weltausstelluug die gewonnenen Eindrücke klären und-
 
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