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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Die akademische Kunstausstellung in Berlin, [3]
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Die akademische Kunstausstellung in Berlin.

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Die Jury ist in diesem Jahre auch nicht an Fritz
Werner vornbergegangen, der wohl an die zwanzig
Jahre lang Meisterwerk auf Meisterwerk geschaffen,
ohne daß nian ihn einer Auszeichnung für würdig er-
achtet hätte. Jetzt hat er endlich die kleine goldene
Medaille erhalten. Eine große ist — bereitS zum
dritten Male! — überhaupt nicht zur Vertheilung
gelangt. Von den drei Bildern, welche Fritz Werner
ausgestellt hat, interessirte besonders ein sauberes Ar-
chitekturbildchen, das Stadtthor von Tangermünde,
dessen Formen Haarscharf der Natur nachgebildet sind.
Der Platz und die Straße vor dem Thore sind mit
kleinen Figürchen belebt, welche nicht flüchtig als
Staffage behandelt, sondern niit feiner Charakterisirung
fleißig durchgearbeitet worden sind. Auch auf einem
zweiten Bild, Friedrich der Große in der Bibliothek
zu Sanssouci, tritt der Architekturmaler mehr in den
Vordergrund.

Es konnte nicht ausbleiben, daß ein Talent, das
sich mit so sensationellem Erfolge seine Bahn gebrochen,
wie Gussow, schnell Nachsolger und Nachahmer fand,
welche seine an sich schon extreme Richtung noch über-
trieben. Gussow hat in diescm Äahre gar nicht aus-
gestellt, wohl aber eine Reihe seiner Schüler, die sich
überraschend schnell die Malweise ihres Meisters ange-
eignet haben. Der maßvollste unter ihnen ist Borg-
mann in Karlsruhe. Einige Berliner, Fleischer,
Schellbach und Klaette, sind noch jüngere Männer
von mäßigem Talent, aber auch ohne Prätension.
Uni so brutaler ist ein vierter, Namens Goldmann,
aufgetreten, der bei einem flüchtigen Aufenthalte in
Gussow's Malklasse dem Meister einige markante Far-
beneffekte abgeguckt hat und alsdann große Leinwand-
flächen mit lebensgroßen Figuren besudelt hat, dis jedem
ästhetischen Gesühle Hohn sprechen. Gussow ist für die
Ausschreitungen solcher Rhyparvgraphen ebensowenig
verantwortlich zu machen, wie für die Schmutzmalereien
eines Liebermann, der schon vor ihm in Häßlichkeit
und Unsauberkeit schwelgte.

Karl Becker, Amberg, Breitbach, Ehrentraut,
Brausewetter, sonst die sestesten Sttttzen der Berliner
Genremalerei, haben sich in diesem Jahre nicht mit
Ruhm bedeckt. Meyer vvu Bremen ist, seit längerer
Zeit wieder zum ersten Male, mit einem hnmvristischen
Bildchen aus der Kinderwelt aufgetreten, das den be-
liebten Genremaler noch im Vollbesitze seiner Kraft
zeigt. Wisniewski, der sich vor Jahren durch eine
Zusammenkunft König Wilhelm's mit Napoleon nach
Sedan lächerlich machte, ist von seinen Capricen
znrückgekommen und hat sich seitdem durch Bilder von
feinem vornehmen Kolorit in der öffentlichen Meinung
rehabilitirt. Ein Kavalier im Kostüme des 17. Jahr-
hunderts, der in eineni Park an einer Dame vvrüber-

reitct, streift an das Genre Meissonnier: nur vertrüge
.die Charakteristik der Köpfe noch eine größere Schärfe.
Zwei weniger bekannte Gmremaler, Conrad und
Julius Jacob, haben durch glückliche Griffe in das
Berliner Leben nicht geringe Erfolge erzielt: Conrad
durch die Darstellung eines Gnnseniarktes — man sieht,
mit wie wenigem man heutzutage etwas erreichen kann
— und Jacob, der eigentlich mehr Landschafter ist
und als solcher eine verhängnißvolle Neigung für trübe,
melancholische „Stimmungen" hat, durch ein Paar
Straßenscenen, die herbstliche, durch entsprechende
Staffage belebte Landschaft vor einem Kirchhof und
eine Berliner Straßenecke bei Regenwetter.

Gustav Spangenberg hat mit einer Allegvrie,
einer Ucbersetzung der Geschichte vom Herknles am
Scheidewege in's Weibliche, entschiedenes Unglück ge-
habt. Anf einer Brücke am schilfigen Ufer eines Ge-
Wässers schreitet ein junges Mädchen einher. Jhm
Vorauf schreitet die Arbeit mit der Spindel, während
das Laster, eine Prächtig gekleidete, aber wenig ver-
führerische Dame in stark theatralischem Kvstüm, dem
schüchternen Kinde goldenes Geschmeide beut. Da die
verschiedenen Unzulänglichkeiten des technischen Kvnnens
hier nicht wie auf dem „Zuge des Todes" durch den
ergreifenden nnd bedeutenden Gedanken gedeckt werden,
macht das Bild einen sehr mäßigen Eindruck. Eine
andere allegorische Komposition von Günther in
Königsberg, ein junges Mädchen zwischen Lncifer und
Tod, gehvrt in denselben von den Malern der deut-
schen Renaissance mit Vorliebe behandelten Gedanken-
kreis. Vor dem Spangenberg'schen Bilde hat es meh-
rere technische Vvrziige, vor allem ein kräftigeres Kolorit
und einc ungleich sicherere Zeichnung voraus.

Die übrigen deutscheu Kunststätten haben nur wenig
Erwähnenswerthes beigesteuert. Von Prvf. Gonne
in Dresden war ein Festmahl aus dem 16. Jahrhnndert
zu sehen, ein figurenreiches, geschickt kvmponirtes Bild,
das sich durch eine gesunde Färbung auszeichnete.
Von Rom hat der Wiener Gustav Kuntz, dem im
vorigen Jahre die kleine goldene Medaille zu Theil
wurde, zwei Genrebilder geschickt, von denen daS
eine, Allerseelenfcst auf dem Kapuzinerkirchhof, uns
wenig behagte. Ein betender Kapuziner kniet in einer
Grabnische, die bis obenhin mit Schädeln und Todteu-
gebeinen vollgepfropft ist. Das andere, die Beichte
eines Trasteveriners oder eines anderen edlen Römers
von gleichverdächtigem Charakter, ist dagegen ein ge-
fälliges Bild, das besonders durch die trsffliche Charak-
teristik des Geistlichen interessirt. Aus Venedig hat
Eugen v. Blaas zwei seiner liebenswürdigen Genre-
bilder aus dem venetianischen Bolksleben geschickt.

Bei meiner Besprechung des Defregger'schen
Bildes: „Der Tvdesgang Andreas Hvfer" hob ich mit
 
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