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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Groller, Balduin: Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhause, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0262

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l4- Iahrgang.

zy. Mai

Beiträge



Die Iahresausstellung im wiener Rünstlerhause. III. — Gustav Auntz -h; Eugtzne Faure -s. — Ueber das nördlich von Florenz ge-
legene Lastell vincigliata; Riegel, Runstgeschichtliche vorträge und Aufsätze. — Runstakademie in Melbourne; A. von werner. -
Münster; Raffael-Ausstellung in Dresden; Mainz, Retrospective Ausstellung in Florenz. — Lin neuer Deutungsversuch der venus
von Milo. — Auktion Lnzenberg. — Neuigkeiten des Buch- und Runsthandels. — Zeitschristen. — Auktions-Rataloge. — Inserate.

Die ^ahrcsausstellung im tviener Aünstlerhause.

III.

Es ist im Laufe der zehn Jahre, während welcher
überhaupt JahresauSstellungen im Künstlerhause ver-
anstaltet tverden, ein durch die Tradition geheiligter
Usns odcr Abusus geworden, dem Ausstellungsstatnt
insvfern ein Schnippchen zu schlagen, als man in aller
Stille das Gesetz vom Einsendungstermin der Ber-
gessenheit preisgiebt und die Ausstellung, nachdem sie
einige Wochen lang ihre Anziehungskraft erprobt, be-
ziehungsweise abgenützt hat, durch einen Nachschub,
der gewöhnlich ein künstlerischer Pairsschub zu sein
pflegt, auffrischt. Schon früher einmal ist es Canon
getvesen, der durch eine derartige Transfusion der
Jahresausstellnng frisches Blut zuführte. Damals haben
acht seiner tüchtigsten Leistungen aus dem Gebiete der
Bildnißmalerei die ganze Ausstellung förmlich verjüngt;
kein Wunder, daß man auch heuer daran Lachte, ihn
als kräftigen Nothhelfer einspringen zu lassen. Die
Gelegenheit war günstig. Die Festtvoche war über
Wien dahingeranscht; noch zitterten überall die Ein-
drücke nach, die der Festzug hinterlassen hatte. Wenn
in diesen Tagen irgend etwas auf Beachtung Anspruch
erheben wollte, so mußte es vor allen Dingen in irgend
einer Beziehung zu den erlebten und die allgeineine
Stimmung beherrschenden Feierlichkeiten stehen. Nnn
hatte Canon vom Kronprinzen Rudolf im Namen aller
kaiserlichen Kinder den Auftrag erhalten, ein Votiv-
bild zu malen, das rechtzeitig fertig werden sollte zur
Feier der silbernen Hochzeit des kaiserlichen Jubelpaares.
Das Bild wurde fertig-; der nöthige Causalnexus zur

Festesstimmung war da, die Genossenschaft durfte sich
schon etwas versprechen, wenn sie dieses Bild in die
Ausstellung einschob, gleich unmittelbar nach den
rauschenden Festtagen. Wir wissen nicht genau, ob
die Voraussetzungen der Genossenschaft sich vollauf er-
füllten, soweit es sich um die genossenschaftliche Kasse
handelte; allein das glauben wir aussprechen zu dürfen,
daß das Bild selbst nicht Alles gehalten hat, was man
in künstlerischer Beziehung von ihm erwarten zu dürfen
geglaubt hatte.

Canon hat sich unseres Wissens bisher noch nicht
hervorgethan als Maler religiöser Stoffe, und wenn
man seine künstlerische Jndividualität genau prüft,
wird man Ivvhl auch zu dem Resnltate gelangen müssen,
daß er nicht der Mann ist, der dazu berufen erscheint,
auf dem Felde der kirchlichen Kunst seine große Be-
gabung mit besonderem Erfolge zu bethätigen. Wenn
ihm dennoch der Auftrag zu diesem Votivbilde zu Theil
wurde, so ist das wohl im Hinblick auf seine „Johannes-
Lvge" geschehen, mit welcher er seine erste bedeutende
nnd von großem Erfolge begleitete Huldigung der
„großen Kunst" darbrachte. Nun mag Canon mit
Ehren bestehen da wo er bedeutende Gedanken zu ge-
stalten hat; allein sem durchdringender, zersetzender Ver-
stand, seine anf breiter Bildungsbasis sich erhebende
philosophische Weltanschauung, ja auch die dämonische
Leidenschaftlichkeit seines Naturells, sie konnten ihm
hier sehr wenig helfen, wo es in erster Linie eines
innigen Gefllhls, einer schwärmerischen Frömmigkeit
bedurft hätte. Man mag die Sache drehen nnd wen-
den, wie man will, man wird vor dem Bilde darüber
doch nicht hinaus können, daß Canon nicht im Stande
 
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