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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Billung, Hermann: Der Pariser Salon, [2,2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0298

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593

Kunstliteratur.

594

wie mit dem Marmor, er stellte mit der „Loeiöts
ck'aguarsllistss Iran^ais" und im Salou mit den
Malern und mit den Bildhauern aus, und fühlt sich
überall heimisch; im vorigen Jahre schöpfte er den Stoff
zu seinem „Moses vor Pharao" aus der Bibel, dies-
mal zu seinem Orpheus aus der griechischen Sagen-
welt, heute huldigt er dem Oriente, morgen der
Antike. Dors ist Kosmopolit und Virtuose, nicht aber
Meister auf allen Gebieten. Mit freigebiger Hand
hat er seinc Gruppen rasender oder miide hingesunkcner
Mänaden auf dem weiten Plane einer saftiggrünen
Landschaft ausgeltreut, den Vordergrund nimmt der
entseelte Körper des Ermordeten ein, eine Bacchantin
hält sein bleiches Haupt in der Hand, und die Ge-
fährtinnen umtoben sie in wildem Jubel. Diese Ar-
beit ist eine neue Probe von Dorö's überraschender,
sprichwörtlich gewordener Produktionskrast; als Kunst-
werk steht fie tiefer, weder der landfchastliche Hinter-
grund noch dic Zeichnung und das Kolorit seiner
Gestalten sind tadelfrei. Jean Benner, der wiederum
wie Henner nnd Dors, wie Jundt und Bernier, die
beiden talentvollen Landschafter, den Elsaß seine Hei-
math nennt, hat sich offenbar an Tizian beim Ent-
wnrfe seiner „Nereide" inspirirt; zart und lieblich,
blvnd und duftig, zeigt sie trotzdem kaum eine entfernte
Berwandtschaft mit der Jdealschöpfung des großen
Venezianers. Auch bei Emanuel Benner überflügelte
die technische Fertigkeit die Erfindungsgabe, seine schöne
nackte „Schläferin" erinnert in Armhaltung, Lage nnd
Hintergrund stark an die venezianischen Meister. Sturm
und Meeresfrieden personificirte Landelle unter den
Zügen einer die Mnschel an's Ohr haltenden lächelnden
„Sirene", welcher eine Strophe aus Gautier's „Lmanx
st Oainsss" beigegeben ward, nnd in der unheilver-
kündenden „Botin des Stnrmes". Die liebliche „Si-
rene" ist ganz Anmuth, die von Möven umflatterte
düstere Genossin tragt Seetang im Haare, und der
weiße Schaum der anfgeregten Fluthen umtanzt sie in
wildem Reigen. Kolorit, Zeichnung und Ausdruck
lassen den Schiiler Delaroche's erkennen, obwohl Lan-
dellc fich bisher mehr dem Porträt und dem Historien-
bilde zuwendete; der Luxembourg besitzt von ihm die
„Ahnungen der Jungfrau". Auch Maillart hat sich
aus der Gesellschast des „Heiligen Angustinus" nnd
der „Heiligen Monica" zu Paris auf den Jda be-
geben; feine drei vor dem Sohne Priam's auf Wolken-
schleiern dahingleitenden Göttinnen stehen scharf auf
der Grenze des grotesk Komischen. Und nun zu Roll's
„Fest Silen's", einer der kühnsten Schöpfungen jugend-
lichen Künstlerübermuthes in der Runde. Jordaens und
Carpeaux, nicht Gerome und Bonnat, find die Vor-
bilder des jugendlichen Meisters gewesen, dessen „Ueber-
schwennnung in Tonlouse, Iuni 1875", eins der Er-

eignisse des Salons von 1877, ihm die erste Medaille
einbrachte nnd Vvm Ministerium der schönen Künste
angekauft ward. Dieses „Fest Silen'S" bleibt an
Sorgfalt der Aussührung hinter der Ueberschwemmung
zurück, doch das übersprudelndc Leben entspricht dem
Gegenstande und berechtigt zu den schönsten Hoffnungen,
wenn Roll's bedeutendes Talent sich erst geklärt haben
wird. Jm tvllen Reigen umtanzen die Bacchantinnen,
Schwestern von Carpeanx' vielangesochtenen Tänzerinnen
vvn der neuen Oper, Hand in Hand, lachend und
jauchzend den dickbäuchigen kahlköpfigen Silcn, welcher,
unmittelbar aus Jordaens' Atelier hervvrgegangen,
huldvoll lächelt; eine der Fröhlichen ist zu Boden ge-
sunken, die Züge sind verzerrt, die Glieder verrenkt,
der Esel blieb als einzig Nüchterner das verständigste
Wesen im Kreise. Ein Pendant dazu, in der Grimasse
der Hauptgestalten, nicht im genialen Grundgedanken
des Ganzen, ist Com erre's „Verliebter Löwe". Tüch-
tige Studien des weiblichen Körpers in den unge-
wöhnlichsten Stellungen verräth Dupnis' „Welle", eine
sich rücküber in wohligem Behagen auf grüner, schaum-
gekräuselter Woge schaukelnde Okeanide. Eine srische
Brise weht über die Fluthen, und Aublet's „Selene",
die bleiche Luna als zum Halbmonde gebogene Mäd-
chengestalt, erscheint neben dieser Okeanide wie eine
sentimentalc Geschmacksverirrung. Hermann Billung.

(Schluß folgt.)

Aunstliteratur.

R. Eitelbcrger von Edelbcrg, Gesammelte kunst-
historische Schriften. I. Band: Kunst und
Kimstler Wiens der neueren Zeit. II. Band:
Oesterreichische Kunstinstitute und kunstgewerbliche
Zeitfragen. Wien, Braumüller. 1879. 8.

Dic Sammlung von Abhandlungen und Vor-
lesungen, welche der ausgezeichnete Wiener Kunstgelehrte
mit den Vvrliegenden beiden Bänden begonnen hat,
wird in allen kunstverwandten Kreisen Oesterreichs
und DeutschlandS mit Freude und Jnteresse begrüßt
werden. Nicht nur die Stellung des Autors bürgt
dasür und der weitgreifende Einfluß, den er seit De-
cennien anf das Kunstleben Oesterreichs, in erster Linie
Wiens genommcn hat, sondern vornehmlich der leb-
hafts, von einer stark ausgeprägten Persönlichkeit ge-
tragene Geist, welchen die Schriften Eitelberger's ath-
men. Es ist der Geist eines hochbegabten und auf
den mannigsaltigsten Wissensgebieten heiniisch gewvr-
denen Mannes, eines'fein gebildeten Kunstfreundes und
eines wahren Patrioten, der bei allei» seinem Thun
„nie ans dem Auge verloren, dem Vaterlande zn
nützen", dem er mit allen Fibern seines Wesens an-
gehört. Daß in der Sammlung solcher kleineren Ar-
beiten aus drei durch Weltereignisse und tief ein-
 
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