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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Billung, Hermann: Der Pariser Salon, [3,1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0350

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697

Korrespondenz.

698

lichen Gespielen haben den bleichen Knabcn glücklich
wieder dem Wellengrabe entrissen, und die Mutter drückt
dcn Verlorengeglaubten noch schreckensblaß an das
Herz. Butin's „Seemannsfrau von der normannischen
Küste", welche sich mit Macht anf das Ruder stemmt
und allcin den Nachen lenkt, ist ein Bild urwüchsiger
Kraft und Frische. Moritz Courant, ein Landsmann
von Casimir Delavigne und Bernardin de Saint-
Pierre, hat gute Fortschritte gemacht, wie sein „Jm
Hafen" und „Stille See" beweisen, bedarf aber noch
fort und fort perspektivischer Studien; der Kiel des
großen Dampfers im Hafen würde durch einige Re-
touchen bedeutend gewinnen. Entschieden düster hielt
Jules Rozier, ein Schüler Delaroche's, die „ Brandung
zu Epail im Kanale". Allerliebste Genrebildchen sind
Rudaux' „Meerarbeiter", sowie das Pendant: „Und
die Fluth stieg unablässig!" Auf dem einen finden
wir die ganze Jugend der Badcgäste von Etretat oder
Treport zum Spiele am Strande vereint, vom Baby
bis zum Lateinschttler sind sie eifrigst beschäftigt, und
die Gesichter strahlen vor Vergniigen; das zweite zeigt
die komische Tragik, große Aufregung, denn eine Ma-
trosenmütze nahm den Flug in's Weite, noch scheint
dcr Flüchtling ganz nah, aber die kurzsticligen Schau-
feln erreichen ihn schon nicht mchr, der Beraubte
fürchtet Strafe, und die mitschuldigen Genossen um-
stehen ihn rathlos.

Aus dem Atelier des tüchtigen Antwerpeners Ro-
bcrt Mols gingen wiedernm zwei gigantische Städte-
ansichten hervor: „Der alte Hafen Vvn Marseille im
December" und „Treport"; das Rathhans seinerVater-
stadt besitzt von ihm den „Hafen von Antwerpen".

Der Belgier Claps fand sich mit cinem „Hafen
von Dstcnde" und einer „Rnhigen See auS der Gegend
der Jnsel Schouwen" ein; beide sagten uns weniger
als frühere Arbeiten zu; seine eigenthümliche Art, das
Meer mit kurzen Strichen in kleine leuchteude Wellcn
einzutheilen, bedarf besonderer Aufmerksamkeit. Der
Friese Mesdag erinnert an die Abwesenheit seines
Landsmannes und Lehrers Alma Tadema, der sich, gleich
so manchem Sterne erster Grvße, dem Salon fern
hielt. Sowohl die „Heimkehr der Scheveninger Fischer-
boote" wie der „Fischmarkt" an der winterlichen Gracht
zu Groningen sind lebendig in der Gruppirung der
Gestalten und naturgetreu in der Wiedergabe der
Oertlichkeiten. Wunderbares leistete der Russe Aiva-
sowsky in seinen beiden Marinen, die halb Allegorie
sind. Auf der einen, „ Sturm ini Mittelmeere",
schließen die hochgehenden Wogen sich über dsn letzten
Trümmern eines sinkenden Wrackes, dessen Passagiere
vergeblich i'n wilder Verzweiflung mit Hand und Fuß
zur Oberfläche zurückstreben; auf dem Pendant zeigt
uns der Maler geglättete Wogen und die lichtumstrahlte,

von himmlischen Heerschaaren umgebene Gestalt des
Heilandes, welche als „letzter Zufluchtshafen" die lang-
sam dcn Fluthen entsteigenden Seelen der Ertrunkenen
zur Auferstehung und zum Leben führt. Ohne die
Staffage würden die Transparenz des Kolorites und
die Meisterschaft der Technik besser noch zur Geltung
koinmen.

Das Thema „uns spavs", Opfer des Meeres,
übte in diesem Jahre besondere Anziehungskrast auf
die Künstlerphantasie. Jean Benner's auf das felsige
Ufer geworfene so betiteltc Jünglingsleiche ist eine
düstergehaltene Elegie über die erbarmungslose Salz-
fluth; der rückwärts gesunkene Kopf mit den Leidens-
zügen, sowie der abgemagerte Körper zeugen vvn tüch-
tigen anatomischen Studien, auch -der Leichenton ist
ohne Uebertreibung gehalten. Bistagne verlegte dcn-
selben trüben Borgang schwächer ausgeführt an die
Küste der Provence. Bl ayn hielt sich in seiner „szmvs,
Iport 1878" an eine wahre Begebenheit aus dem
Seemannsleben: Fünf zogen frisch und fröhlich aus,
und nur Einer ward, von der ganzen Strandbevölkerung
mit bangem Weh empfangen, entseelt wieder an das
Land gespült. Noch ein „Strandgut!" Diesmal er-
sah sich der Amerikaner Swift ein Stück Mast, welches
der sparsame Uferbewohner als willkommene Bente
ansieht und mit seinem rüstigen Gespanne heimführt,
zum Vorwurfe. Das „Begräbniß auf dem Meere",
eine figurenreiche Darstellung von dem Amerikaner
Bacon besitzt die Gabe, das Publikum, trotz einzelner
Verstöße gegen die Perspektive, durch den Gegenstand
zu fesseln. Bei Vernier's „Tangsischerinncn zu
Nport", lauter hochgeschürzten, vom Rücken gesehenen
Franen und Mädchen, welche der See mit Mühsal
und Gefahr einen kargen Verdienst abzugewinnen streben
und weibliche Anmuth der Sorge um Schutz vor Wind
und Wetter opferten, würdeu Meer und Himmel durch
die Ausscheidung des Stückchens menschlicher Prosa im
Vordergrunde noch bedeutend gewinnen. Bellet du
Poisat's kühn gemalte „Nacht ini Hafen" ist cine
talentvolle Jugendarbeit. Hermaim Billung.

(Schluß folgty

Aorrespondenz.

Dresden, Anfang August 187».

Auf die Ereignisse unseres Kunstlebens während
der letzten Monate zurückblickend, habe ich zunächst der
Vollendung der Kolossalstatue der Germania für das
Nationaldenkmal auf dem Niederwald zu gedenken.
Das Gypsmodell war vor seinem Abgange nach der Guß-
stätte München einige Wochen im Atelier Schilling's
ausgestellt und fand die lebhafteste und beisälligste
Theilnahme des Publikums. Jn der That konnte
 
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