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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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Wolf, August: Die Markuskirche in Venedig und der englische Protest gegen die Neuaufführung ihrer Façade, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5804#0160

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Die Markuskirche in Venedig und der englische Protest gegen die Neuaufführung ihrer Fagade.

sich so sehr beleidigt fühle durch das bisher unter Jta-
liens Regierung an S. Marco Restaurirte, während
man doch von alledem, was unter Oesterreich gesündigt
worden sei, keine Notiz genommeu habe oder nicht
habe nehmen wollen. Als vor einigen Monaten
die Oberaufsicht vom Ministerium der Justiz an das
des Unterrichts übergegangen sei, habe dieses den Anlaß
gegeben, von all den Vandalismen der seitherigen Re-
stauration allerernstester Weise Notiz zu nehmen. Es
sei schon im Mai eine Kommission ernannt worden,
dcren Untersuchungsresultat die Regierung noch crwarte,
um dann zu entscheiden. Mittlerweile sei jedoch anf
Bcfehl dcr Regierung jede Restauration cingestellt. Da
nun gerade jetzt diese Kommission versammelt sei, so
habe dies wohl den Anlaß zu Englands Einmischung
gegeben. So viel man wifse, sei es Absicht der ge-
nannten Kommission, eben jene Ansichten triumphiren
zu lasien, wclche die Herren M. Morris, H. Wallis
und die Nedner des Shetdonian-Theaters in Oxford
an den Tag gclegt hätten. Es sei nicht daran zu
zweifeln, daß es auch in Venedig Architekten gebe,
welche ohne Gnade und Barmherzigkeit mit der Mar-
kusfapade verfahren würden, so wie man in Roni mit
der Abside von S. Giovanni im Lateran verfahren sei.
Man gebe sich jedoch der Ueberzeugung hin, daß diese
nicht durchdringen würden gcgenüber den verdienstvollen
Anstrengungen und Protesten der Herren Cavalcaselle,
Zorzi, Nezasco, Buongiovannini u. A., welche jcne
Abside um jeden Preis zu rettcn suchten, was nur des-
halb nicht gelungen, weil der Bau nnter der päpstlichen
und nicht untcr der italicnischcu Verwaltung gestanden
habe. Es sei sehr Leklagenswerth, daß die englische
Bewegung nicht vielmehr von der Jdce ansgegangen
sei, dcn genanntcn Herren, ihre Verdienste ancrkennend,
beizustehen und so die Anstrengungen dieser vvn
der Begeisterung für dic Sache dnrchglühten Jtalicner
erfolgreich zu unterstützen. Statt desien habe man
eine fruchtlosc allcinstehendc Prvtestativn ohne Noth
in's Werk gesctzt. Sv würde jenc Bewegung den
zehnfachcn Effckt gehabt haben und Nnirde mit Dank-
barkeit und Anerkennung aiifgenvmmeu wvrden sein,
statt mit den Gefühlen der Verwundcrung und des
größten Unwillens."

Daß nun hier nicht allgemein dieses Gefühl des
Unwillens getheilt lvird, mag aus nachstehcndcn Zcilcn
hervorgehen, welche mir ciner meiner venezianischen
Freunde mittheilt und welchc ich den Lesern diescr
Zeitschrift nicht vorenthalten möchtc. Er sagt: „Die
Herren Jtaliencr und bcsonders Venezianer sollten es
jencn gelehrten Männern nicht übel nehmen, wenn sie in
besonders zu dicsemZwccke cinbcrufencn Versammlnngen
die Rettung alles desien, was von S. Marco noch
übrig ist, zum Gegenstandc dcr Diskussion machtcn,

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und so sich bei der großen Streitfrage betheiligten,
welche gegenwärtig so viele Gemüther beschäftigt.
Es war dies nicht die Sucht, die Nase in die Ange-
legenheiten Anderer zu stecken, sondern eine Pflichter-
süllung, welche allen denen obliegt, welche Kunst und
Geschichte lieben. S. Marco, historisch und künstlerisch
betrachtet, ist die reichste Fundgrube der Geschichts- und
Alterthumswissenschaft. Während S. Marco den Nuhni
Venedigs in sich verkörpert, ist es eines der vollstän-
digsten Blätter im großen Buche der Geschichte voni
frühesten Mittelalter bis auf unsere Tage. S. Marco
ist nicht nur ein christliches mid venezianisches Mv-
nument, svndern ein curopäisches. Das gebildcte
Europa hat daher ein Rccht, seine Erhaltung zu vcr-
langen und zu beaufsichtigen, seinen Ruin unmöglich
zu machen. Jene Jtaliener, welche in ihren Journalen
der Apologie der geschehenen VandaliSmen die Spalten
öffneten und gegen jene Wahrheit zeugten, welche u. A.
Zorzi und zuletzt die Engländer ausgesprochen habcn,
sündigten gegen ihr Äaterland. Die Ursache dieses
Sündigens besteht in dem leichtsinnigen Aufnehmen von
Artikeln von Persönlichkeiten, welche zwar gebildet sein
können, aber von Kunst nichts verstehen. Es ist je-
doch jetzt Mode geworden, daß ein Jeder, der schrciben
gelernt hat, llbcr Kunst, dicses wichtige und so schwie-
rige Thema, schreiben zu müsien glaubt. Dvch, uin
zum gegcnwärtigen Zustande Vvn S. Marco als Ge-
bäude zu kommcn, ist cs Vvr Allem nöthig, der Wahr-
heit die Ehre zu geben und zu erklären, daß es niit
dem Baukern des Gebäudes nicht so gefahrdrohend
bestellt ist, wie es einer dcm anderen uachspricht. Wenn
Zerstörung vorhanden, so ist sie auf Schuld derjcnigcn
zurückzuführen, wclche im Laufe der Zeiten dcr Reihe
nach die Oberaufsicht über das Gcbäude führtcn,
und sie beschränkt sich lcdiglich auf dic Obcrflächc.
Es ist durchaus nicht nvthig, das; mit Streben
dem Einstnrz vorgcbcugt vder ncuc Pfahlroste gelcgt
wcrden niüßten. Die Fundamcntc, auf wclchen dic
Fa^ade ruht, sind die allersolidesten. Sie bestchen ans
tiefeingerammten Ulmenpfählen, auf wclchcn starkc
Eichenbalkcn ruhcn, eine Lage übcr der anderen. §s
folgt eine dicke Mauer (mnro u 8Lg.r;>u), aus fünf Bogen
graucr Steiue bestehend. Kciucrlei Neigung cxistirt
an der ganzen Fayadc, welche anf iiincrc Schadhaftigkcit
des Baukcrncs schließen ließe. Wenn mit aller Gc-
Ivissenhaftigkcit dic Oberflächc restaurirt wird, nach dc»
natürlichen vkvuomischcn Gesctzen nnd nicht nach AA
der „llnternchmer" d. h. „Accordaiiten", wird >u»n
Allcs rctten kvniien, ohnc irgendivie dem Bauwcrke z"
schadcu. Freilich n»is; mit sichcrer Hand verfahrc»
iverdcn, einzclnc cingehendere Repariruiigen nicht a»s-
geschlvsscn, es niüsieii allc alten Theile iiumerirt »»t'
wicder eiugcsiigt wcrden, sv lange sie nvch nicht Z"
 
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