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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 15.1880

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https://doi.org/10.11588/diglit.5804#0347

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681

Kunstliteratur

682

Aunstliteratur.

Dic Holzbaukunst. Vorträge an ker Berliner Bau-

akademie gehalten von Or. Paul Lehfeldt. Mit

!>6 Abb. in Hvlzschnitt. Berlin, Jul. Springer.

1880. 8.

Die Holzarchitektur ist bis jetzt das Aschenbrvdel
dcr Knnstgcschichte gelvesen. Wir haben bei der Dar-
legnng der architektonischen Fvrinenwelt unk ihres
Entivickelungsganges fast ausschließlich kie Mvnnmente
des Steinbaues in's Auge gesaßt, unk insvfern mit
Recht, als an ihnen vornehmlicb kie grvßen Grnnd-
gesctze invnnmentaler Konstrnktivn saniint ihrer künst-
lerisch svrmalen Gcstaltung zur Erscheinnng kvnimen.
Wir vergaßen fast, daß daneben Vvn Alters her ein
vriginaler Hvlzbau bestand, der ähnlich ivie das Bvlks-
lied nnd dieDialcktpvcsie gleichsain ein verbvrgencö Lebcn
sührte, den herrschenden stilistischen Ströniungeu ent-
rückt nnd daher in unbeirrter Naivetät sein kvnstruk-
tivesWesen entsaltend und in charaktervvllerAuvdrucks-
weisc darlegend. Ja, der Holzbau selbst ist in der
Praxis schon seit langer Zeit in Verruf gekvnnuen,
nnd zwar deshalb nicht mit Unrecht, weil er seit zwei
Jahrhuuderten entartet war, sich seiner kraftvollen
Natürlichkcit glcichsam schämte und sich deshalb in die
nachgeahmtcn Formen der Steinarchitektnr maskirte.
So ereilte ihn denn das Strafgericht allgcmeiner Ver-
achtung, und meist nur in cntlcgenen Gebirgsgegendcn,
wie z. B. in den inneren Landschaften dcr Schweiz,
setzte er noch zicmlich unbeirrt sein Sonderleben fvrt.
Aber auch da trat dic nivellirende Kultur der Zeit
ihm fcindlich entgegen und ivußte seine eigenartigen
Fvrmen zn Gunsten eines konventivnellen Allerwelts-
stiles zu verdrängen. Gcrade in der Schweiz, dem
sonst sv kvnservntiven Landc, hat die jüngste Schwindel-
zeit diescn alteu charaktcrvvllen Bauten vielsach deu
Untergang gebracht und dagegen eine Menge schein-
barer Prachtpalästc, namentlich ricsige Gasthöse, in dcm
aufgedvnnerten Stil Haußmann'scher Boulevards ent-
stehen lassen, dic den Bankcrvtt der alten nativnalen
Bauweise manchmal mit dem ihrer Erbauer verbinden.
Das Aussterben der alten Holzbauten hat dann zum
Glück nvch rechtzeitig einsichtsvvlle Männer veranlaßt,
wenigstens dnrch Aufnahmen zu retten, was nvch zu
rettcu Ivar, nnd diesem Bestrcben verdanken wir vvr
Allem das große klassische Werk Gladbach's über den
Schwcizer Holzstil.

Dieses und andere Werke verwandter Richtung
galtcn indeß nnr lvkalcn Erscheinungen; cine wissen-
schaftliche Gesammtdarstelluug dcs Holzbaues von den
ältestcn Zciten bis auf die Gegenwart fehlte immer
noch, obwohl Viollet-le-Dnc in seinein Dictionnaire
sur die Epochc des christlichen MittelalterS werthvolle

Beiträge geliefert hattc. Diesem Bedürfniß hilft nun
die Vvrliegende Arbeit ab, indem sie ein Lis jetzt
vernachlässigtes FelL der Kunstgeschichte mit umfassender
Sachkenntniß und mit ebenso genauem Verständniß
des technisch Konslruktiven wie des Historischcn in klarer
sachgemäßer Ervrterung darlegt. Uni cs mit eineni
Wort zu sageu, das Buch des Or. Lehfeldt ist einc
erfreuliche und dankenswerthe Bereichernng kunstge-
schichtlicher Erkenntniß und wird dem bisher nur zn
wenig beachteten Stvffgebiet die allgemeine Ausmerk-
samkeit zuwenden. Es kann da nicht verfehlen, daß
einsichtsvvlle Architekten, an vcrschiedenen Punkten des
hier gebvtenen ankuüpfend, durch weitere Einzel-
fvrschungen und Ausnahmen cine wünschenswcrthe Bc-
reichcrung des Materials liefern.

Der Verfasser beginnt mit dcr Hvlzbauknnst des
Srients, die er durch die vcrschiedenen alten Vvlker
verfolgt, wobei nur in der Anvrdnung die Aegypter
beffer an den Anfang als an das Ende der Reihen-
solge gestellt wordcn wären. Wenn der Verfasser sv-
dann im zweiten Kapitel den Riegelbau und im dritten
die Hvlzbaukunst dcs klassischen Alterthums behandelt,
so fragt sich's, ob nicht vielleicht das zweite Kapitcl
beffer an die Spitze zu stellen gewcsen wäre. Der
Verfasscr zeigt sich hicr iiberall gründlich orientirt in
den Mvnumenten nnd der einschlägigen Literatur.
Wenn er auf S. 40 die Nachbildung des Holzbaues
im griechischen Tempelbau ablehnen zu müssen glaubt,
so erkennt man hier in einem allerdings vereinzelten
Falle eine verzeihliche Abhängigkeit vvn der in Berlin
nvch iminer herrschenden Bvtticher'schen Dogmatik.
Jn Wahrheit wird kein Unbefangener den dorischen
Triglyphcnfries, namentlich die sogcnannten Trvpfen,
anders als durch Jinitativn dcs Holzbaues erklären.
Zivei Seiten darauf macht der Verfasser mit Rccht
eine ähnliche Herleitung auch für die steinernc Felder-
decke geltcnd. Ueberhaupt zeigt cr sich sonst durch-
weg vollig frei und unabhängig vvn vorgefaßten
Schulmeinungen. Dvch verlcitct ihn diese Selbständig-
kcit des Urtheils nirgcnds zu jeiiem in der Kunst-
wiffenschaft nicht ganz nnbekannten anmaßenden Ab-
sprechen, bei welchem man so oft an die Wortc des
Dichters erinnert wird:

„'S ist Einer vvn den Neu'sten,

Er wird sich fürchterlich erdreisten."

Vielmchr ist der ruhige, bei aller Lebendigkcit der
Schildcrung crnst wissenschaftliche Ton seines Buches
einc iiberaus erfreuliche Erscheinung in nnserer Fach-
litcratur und zeugt nicht blos von der Gcdiegenheil
des Forschers, sondern auch auf's günstigste von der
allgemeiuen Bildung des Autors. Die Schreibunq
„Sphynx" auf S. 37 ist offenbar nur ein Druckfehler;
die Bemcrkung auf S. 40, die Abbildnng des Lviven-
 
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