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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Brun, Carl: Die schweizerische Kunstausstellung von 1880, [1]
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Komité für S. Marco in Venedig
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0045

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Komits für S. Marco in Venedig.

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kundigf sich ein Knabe, mit einer Hand in die Hosen-
tasche greifend, bei einer Verkäuferin, was die Äpfel
st'sten. Dicselbe hat die Arme untergcschlagen und
steht den Burschen fragend und mißtrauisch an. Die
Evrnposition ist gut, aber zu allgemein gehalten, um
Beschauer dauernd zu fesieln; was wir vermissen,
stnd charakteristische Motive und Beziehungen, welche
st^ die Augen springen. Von Buchser fällt bloß ciu
^ild in das Gebiet des Genre; was er sonst ausge-
stellt hatte — Kvhler im Waldc, rc. — ivareu ziem-
lich unbedeutende Landschasten niit Staffage. „Eng-
lische Schrciner", so hat er scine Tafel bctitelt. Die
Ärt der Behandlung des Detail iu der Wcrkstatt zeugt
bon eingehendem Studium der niederländischen Klein-
iveister, und der gclungcue Beleuchtungsefsckt erinnert
ün Rembrandt; dcr Lichtstrahl, welchcr auf die Wand
fcillt, ist besonders wirkungsvoll. Man kann sich keinen
größeru Gcgensatz denkeu als dcn, welcher zwischeu
Buchser und Sandreuter besteht. Ersterer sucht der
Natur ihre Geheinmisse abzulauschen und gefällt sich
M möglichst treuer Wiedergabe des Gesehenen, letztcrcr
tvirst wie Böcklin, aber wohlvcrstandeu, vhnc desien
Genialität und Gedankenreichtum, Gebilde auf die
Leinwand, welche nur in seiuer eignen Phantasie lebeu.
Seine Jdylle ist eiue wunderliche Kompvsition, auf
der alles, Figuren, Architektur und Landschaft, mär-
chenhaft erscheint. Das „Mädchen aus den Berner
Alpen" vvn Diethelm Meier ist, wic alle seine
Sachen, hübsch empfunden und besonders ansprechend
durch den jungfräulichen Ausdruck. Von Bocion ist
ein Fischerknabe erwähnenswert, welcher der Länge nach
nusgestreckt am Boden liegt und sich am schönen Ge-
statze des Genfersees dem beschaulichen äolea tur uioutv
hingiebt. Jn der „Bertraulichen Mitteilung" von Vit-
torio Avanzi handelt es sich offenbar um die Eiu-
weihung der Freundin in ein süßes Liebesgeheimnis.
Welcher Garten würde sich für cinc derartige Eröff-
nung wohl besier eiguen als die Villa Borghese? Ein
ergrcifcndes Bild hatte Lüon Olivio geschickt, ein
Schüler Cogniets, der bereits im Pariser Salvu seine
Sporen verdient hat: er erhielt 1876 eine Medailledritter
Klasie. Ein Slowake, an der Kette einen Bären,
ruht in einer Schueelandschaft aus und ist vvr Er-
niattung eingeschlafen. Das treue Tier bewacht seinen
Herrn und wird schon dafür sorgen, daß derselbe nicht
bor Kälte erstarrt. Olivis ist vollkommen Herr seines
Stoffes und der ihm zu Gebote stehenden technischen
Mittel. „Sanssouci" von Höflinger zeichnet sich
dnrch die Feinheit der Malerci aus. Eine elegante
Dame in gelbem Kleide mit reichen Spitzenkragen
sitzt in einem Lehnstuhl wie hingegvssen, trinkt eine
Dasse Thee und spielt lachend und kokettirend mit einem
Kakadu. Sie reicht dem Tiere ein Stück Zucker; neben

ihr auf dem Tisch steht das Theegeschirr. Eine in
hohcm Gradc genrehafte Jllustration zu Shakespeare
hat uns Balmer gegeben, sein „Hamlet und der
Totengräber" erreicht die Grvßartigkeit der Shake-
speareschen Dichtung nicht im entferntesten. Dieser
halb iu dcr Grube stchende, im Profil gcsehene Tvteu-
gräber, wie er da dcm Hamlet vordocirt, macht nicht
den Eindruck eines Mannes, svndern den eines alten
Weibcs. Bcdeutender ist cin klcines Bild Vvn M o nte -
Verde, das einen Geistlichen in der Sakristei vorstellt,
der müde zu sein scheint, sich die Augen reibt und
gähnt. Jn dcr Mittc dcr Sakristei, welche getäfelt
ist, steht ein Nvtenpult. Diese Kompositivn bietet mehr
Jnteresie als ein anderes Gemälde desselben Malers»
welches uns cin etwas prvsaisches tessinisches Land-
mädchen vorführt und übrigens keinen weitern Anspruch
macht als deu, ein Trachtenbild zu sein.

(Schluß folgt.)

Aoinitä für 5. Acarco in Venedig.

Es muß weit gekommen sein mit der Gefahr für
eiu Werk der Baukunst, wenn sich die Notwendigkeit
crgiebt, zu seinem Schutze nicht nur die öffeutliche
Meinung Europas wachzurufen, sondern eiue förmliche
Organisativn einzuleiten, durch welche die Rettungs-
maßregeln ins Werk zu setzen sind. Jn dieser bekla-
genswerten Lage besinden wir uns mit S. Marco iu
Venedig, dcm Palladiuin der malerischen Lagunenstadt,
einer der eigentümlichsten uud chrwürdigsten Schöpfungcn
des italicnischen Mittelalters! Nicht ctwa daß der
Einsturz der berühmten Kirche zu gewärtigen wäre;
nein, um die Restauration derselben handelt es sich,
um ciue Rcstanration, Ivelche — wcnn sie wirklich
durchgeführt werden sollte, — schlimmer wäre als der
gänzliche Verfall.

Es ist bekannt, daß die nördliche Außenseite der
Kirche schon vor längerer Zeit, die südliche im Laufe
der letzten Jahre cine ncue Vertäfclung crhalten hat.
Ein Teil des alten Fußbodens ward erneuert, an die
Stelle der frühern Mosaiken des Baptisteriums traten
moderne Arbeiten. Und um das Maß voll zu machen,
schickte man sich an, auch an die Hauptfa<;ade Hand
anzulegen! Kurz, man kann nicht daran zweifeln, daß
es im Sinne des leitenden Architekteu liegt, den ganzen
Bau von Kopf bis zu Fuß nagelncu herzustellen. Wir
hätten dann von S. Marco ebcusovicl noch übrig,
wie wir jetzt von S. Maria di Murano und von dem
Fondacv dei Turchi bcsitzen, d. h. einigc Säulenkapitäle
und Mosaikreste, dic nian irgendwv in einer Rumpel-
kammer oder, wenn das Glück gut ist, in einem Mu-
seum unterbringen kann.
 
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