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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Rückblick auf die Innsbrucker Kunstausstellung, [1]
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Korrespondenz
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0101

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197

Korrespondenz aus Paris.

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^rust und schmalem Unterleibe, um den sich das Lenden-
in zierlichen Windungen schlingt, organischer
^urchbildung, der fahle Fleischton mit grünlichen
^chatten natürlicher Färbung entbehrt, so wird das zu-
Jbspitzte Gesicht mit feinem Munde und geschlossenen
^ugen durch den Ausdruck des Friedens nur schwach
^Aebt. Mchr als des Johannes geistloser Kopf und des
bordersten Schergen engbekleidete Gestalt fesseln die
trauernden Frauen mit der niedersinkenden Mutter des
Herrn auf der einen, die Reistgen auf der andern Seite
^es dreiteiligen Kreuzesstammes, — jene durch rosige,
uicht immer anmutvolle Züge, diese durch den Schimmer
ihrer Harnische, durch freie Haltung und Beweglichkeit.
iDcihrend die Komposition Befangenheit, die Anord-
uung störende Härten zeigt und die Leiber der Schächer
den Schönheitssinn verletzen, bleiben die Lokalfarben
auf wenige Töne neben dem Golde der Rüstungen
und Engelsgewänder beschränkt, und aus der figuren-
reichen Gruppe stellen nur ein paar Kriegsknechte mar-
kige Glieder zur Schau. Ohne das Naturgefühl der
Epckschen Nachfolger vermochte der unbekannte Künstler
Weder den Körperformen lebensvolles Gefüge zu geben,
uoch das seelische Leben mit ergreifender Wahrheit dar-
zustellen; aber für die Richtung und Leistungsfähigkeit,
Ivie sür die Schranken deutscher Kunst um die Mitte
des fünszehnten Jahrhunderts giebt sein Gemälde
Manchen beachtenswerten Fingerzeig.

Auch in dem grvßeren Bilde des Meisters M. A.

-— Melchior aus Jnnsbruck? — „Die hciligen drei
Könige" von 1489 bleiben die altertümlich schlichten
Formen von dem schüchternen Versuche naturalistischer
Auffassung beinahe unberührt. Schwebende Engel
haben einen braunen Teppich über den Sessel der
Madonna aufgerollt, die ohne Formenschönheit, in ge-
zwungener Stellung, wenig Lieblichkeit der trocknen
Züge zeigt und das willenskräftige Kind an schleier-
artiger Binde wagrecht vor sich hält. Prnnk und
Pracht künden die pelzverbrämten Gewänder und kost-
baren Kronen dcr Könige wie der Aufzug ihrer Diener-
Ichast, aber unter der sorgsam ausgeführten, teilweis
übermalten Draperie bleibt das geistige Leben noch ge-
bunden — hier ohne Adel und Würde, dort ohne
Wärme der Empsindung — und die Hügellandschaft
wit steifen Tieren bildet ein schematisches Gegenstück
der Natur.

Sind die Gemälde jenes unbekannten Meisters,
^essen Werke der Katalog unter Nr. 1—3 verzeichnet,
ln liebevollerer Beachtung der Wirklichkeit entworfen,
so bleibt doch die Behandlung der Figuren der ange-
beuteten Weise treu und nur aus den Köpfen' blitzt
hier und da das innere Leben in größerer Klarheit
hervor. So fehlt den heiligen Frauen, welche Mutter
Anna mit den Kindern Jesus und Maria umgeben, ^

wirksame Beziehung auf die Mittelgruppe, indem die
ernsten Gestalten sich statuarisch zur Rechten und Linken
der heiligen Familie aneinander reihen. Noch mögen
dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts die Tafeln
Nr. 22 und 23 angehören, aus denen die Brustbilder
der Apostelfürsten des Meisters Streben nach Jndivi-
dualisirung, aber auch die Schwäche der Charakteristik
verraten.

Jm Gegensatz zu den wenigen Stücken, welche die
Malweise des Mittelalters im Übergange zur Re-
naissance versinnlichten, trugen vier Tafeln aus dem
Besitz des Archivrats Oo. Schönherr und acht Gemälde
von L. Kranach schon das Gewand der neuen Zeit —
jene an Altdorfer erinnernd, diese mit allen Fein- und
Eigenheiten der Technik, aber zum Teil auch in der nüch-
ternen Weise des sruchtbaren Meisters und seiner Schule
ausgeführt. Jndes bereitet die Frage ihres Ursprungs
der Einsügung dieser Werke in das Kunstgebiet des
Alpenlandes noch große Schwierigkeit. Um so un-
bestreitbarer entstammen dem Tiroler Boden das Selbst-
porträt des Virtuosen und Landsknechthauptmanns Dap
von Jnnsbruck und das Bildnis des Steinmetzen Lutz
von Schussenried, der als Erbauer des Pfarrturms von
Bozen in der Erinnerung des Volkes lebt: der erstere
mit srischen, männlich schönen, von Selbstgefühl durch-
leuchteten Zügen, des zweiten verschwommenes Antlitz
ohne Adel und Kraft. Um so zweifelloser gehören
die Auferweckung des Lazarns von Seb. Schel — dem
Jnnsbrucker Maler eines Altars, welchen das Ferdinan-
deum aus dem Schlosse Annenberg erworben —
N. Zimmermanns Bußpredigt Äohannes', die heiligen
drei Könige, Mariä Hnnmelfahrt und Tod der heiligen
Cäcilie von Äoh. B. Fontana aus Ala, nebst einigen
Tafeln aus dem Kloster Wilten, zu den Schöpfungen
jener Künstler, welche in den heimatlichen Gauen, oft
nicht ohne Widerstreben, die Harmonie der Gotik
verklingen ließen, um das Leben und Wcben der Natur
zu belauschen und mit schärferen Strichen in die
Schattenwelt der Heiligenfiguren zu übertragen.

(Schluß folgt.)

Aorrespondenz.

Paris, 10. Dezember 1880.

Noch kurz vor Jahresschluß werden die hiesigen
Kunstkreise durch eine ernste Frage in Bewegung ge-
setzt, deren Lösung die Künstler mit llngeduld erwarten:
ich meine die Organisation, welche bei der Ausstellung
von 1881 in Anwendung kommen soll. Diejenigen,
welche sjch mit der Sache zu beschäftigen haben, scheinen
zu hoffen, daß das von ihnen zu verfassende Reglement
von langer Dauer sein werde, sie nehmen wie alle
Gesetzgeber an, daß sie ihre Gesetze für die Ewigkeit
 
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