Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0126

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
247

Nekrologe.

248

kiinstlerische Genuß htiufig dagegen zurücktritt. Und
gerade das, was unseren Hiitorienmalern so selten ge-
lingt: volkstiimlich ini besten edelsten Sinne zu sein,
ist Ruths in diesen Arbeiten in ganz hervorragendem
Maße gelungen, und darin beruht ihre hervorragende
kunstgeschichtliche Bedeutung; denn während unsere
anderen Landschafter fast immer noch, sobald es sich
um derartige monumentale Aufgaben handelt, der
italienisch-griechischen Natur den Vvrzug geben, schafft
er uns hier eine deutsche Jdeallandschaft. Und
eben deshalb mußte ja auch gerade er so besonders
geeignet für diese Aufgabe erscheinen, weil er, wie wohl
kein anderer in Deutschland — wenigstens keiner der
Lebenden — beide Richtungen in sich vereinigt: die
klassisch-ideale, welche im organischen Bau der Koni-
position und in der Schönheit ihrer Linien das- höchste
Ziel der Kunst erblickt, und die koloristische dsr mo-
dernen Stimmungslandschaft. Keine von beiden Pflegt
eigentlich in seinen Bildern zu dominiren, und wenn
sie vielleicht daher nicht immer gleich beim ersten An-
blick frappiren, so pflegen sie durch ihre harmonische,
echt künstlerische Abrundung bei häufigerem Sehen von
um so tieferer nachhaltigerer Wirkung zu sein, nicht
unähnlich klassischer Musik, deren schlichte einfache Weise
sich schließlich gegen alle noch so berauschenden Künste
doch siegreich behauptet.

Daß diese beiden Bilder — Frühling und Herbst
— diese Vorznge der Ruthsschen Kunst in hvhem
Maße besitzen, ist nnverkennbar; eine eingehende Be-
sprechung derselben liegt jedoch nicht im Zweck dieser
Zeilen, da sie, wenn auch jedes für sich ein vollendetes
Kunstwerk ist, doch eben nur Teile eines einheitlich
gedachten größeren Ganzen sind, welches, der architek-
tonischen Einteilung sich anschließend, an der einen
LängSseite die vier Jahreszeiten, an dcr anderen die
vier Tageszeiten darstellen soll, ünd an den beiden
Schmalseiten die vier Lebensalter, die ja in mannig-
facher innerer Beziehung zu den Erscheinungen der
Natur stehen. Für diese letzteren, hauptsächlich figür-
lichen Darstellungen, und ebenso für die Flächen über
den vier Thüren, ist unser in Berlin lebender Lands-
mann, Prvf. Gustav Spangenberg, in Aussicht ge-
nommen, der, wie sehr sich auch seine Arbeiten von
den Ruthsschen unterscheiden, doch in demselben Streben
nach volkstümlich-schlichtem Jdealismus mit ihm ver-
bunden ist, so daß man wohl hoffen darf, daß aus
diesem Zusammenarbeiten der beiden Freunde eine
Schöpsung entsteht, welche, abwechselnd und mannig-
faltig und doch in sich harmonisch ist, weil sie aus
derselben Grundanschauung der Kunst und des Lebens
hervorgeht.

Der vielversprechende Anfang berechtigt uns, ein
Werk zu erwarten, durch das unsere Kunsthalle sich

auch in Bezug auf monumentale Malerei andereN
Mufeen des Vaterlandes ebenbürtig an die Seite stellen
kann. Möge das Jntereffe des Publikums nnd die
Beteiligung weitester Kreise an den Bestrebungen des
„Vereins von Kunstfreunden" seine baldige Vollendung
ermöglichen!

Nekrologe.

Martin Gropius f. Durch den am 13. Dezember
1880 erfolgtenTod des Architekten Martin Grop ius ist
wiederum eine tief und schmerzlich empfnndene Liicke
in den Kreis der Architekten geriffen worden, welchc
die baukUnstlerische Physiognomie Berlins, wie sie sich
in den beiden letzten Jahrzehnten entwickelt hat, he-
stimmt haben. Jn diesem Falle ist der Verlust ein
doppelter: Martin Gropius war zugleich ein ausge-
zeichneter Lehrer, der nicht bloß in seinem engeren Fache
sördernd und anregend gewirkt hat, sondern auch auf
das wcite Gebiete der Kunstindustrie von bedeutendem
Einfluß gewesen ist. Geboren am 11. August 1821
zu Berlin, war er schon als Knabe im Hause des
Vaters, der als Besitzer einer Tapetenfabrik nach
Schinkelschen Zeichnungen arbeiten ließ, mit Schinkel
und Beuth in Verkehr getreten. Es war ihm aber
nicht mehr vergönnt, unter Schinkels Leitung einem
Berufe folgen zu dürfen, zu welchem ihn innerste Nei-
gung führte. Nachdem er seine Studien erst auf der
Gewerbeakademie, dann auf der Bauakademie beendet,
trat der Vater seinem Wunsche, der Kunst leben
zu dürfen, entgegen. Doch der energievolle junge Mann
ließ sich durch solche Hinderniffe nicht abschrecken, seiner
Neigung zu folgen. Auf eigene Hand bahnte er sich
seinen Weg, erst als Feldmesser, dann als Bauführer
und endlich als Baumeister, aber immer noch die Aus-
führungen fremder Bauten leitend. Eine entscheidcnde
Wendung in seinem Leben wie in seiner Kunst trat
erst Ende der fünfziger Jahre ein, als er mit Karl
Bötticher, dem Verfaffer der „Tektonik der Hellenen",
bekannt wurde. Aus eineni begeisterten Anhänger seiner
Lehre wurde er sein Assistent im Lehramt an der Bau-
akademie und gewann fo einen großen Einsluß auf die
heranwachsende Architektengeneration. Zugleich fand
er, anfänglich durch Privatbauten, Gelegenheit, feine
Thevrien praktisch zn erproben. 1863 baute er die
Provinzial-Jrrenanstalt zu Eberswalde. Eine groß-
artige Bauthätigkeit entfaltete er jedoch erst seit dem
Jahre 1865, nachdem er sich mit dem Baumeister
Schniieden, der fortan seinen Ruhm teilte, zu ge-
meinsamer künstlerischer Thätigkeit verbnnden hatte.

Seit jenem Bau in Eberswalde wurde Gropius
gewiffermaßen zu einer Autorität für alle Heilzwecken
gewidmeten Gebäude. Seine darauf bezügliche Thätig-
keit, welche, um nur die hervorragendsten Bauten dieser
Art zu nennen, die Jrrenanstalten in Altenburg und
Jena, die Garnisonlazarathe in Tempelhof bei Berliu,
in Königsberg, Küstrin, Düsseldorf, das städtische
Krankenhaus in Wiesbaden und das königliche KlinikuM
in Berlin umsaßt, gipfelt in dem großen städtischctt
Krankenbaus am Friedrichshain in Berlin, welches,
nach dem Pavillonsystem eingerichtet, von den ersten
Klinikern Europas als eine Musteranstalt bezeichuet
 
Annotationen