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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Korrespondenz aus Bremen.

278

277

Aorrespondenz.

Bremen, Mitte Janaur 1881.

Mit dem Gefühl wahrer Befriedigung können
^ir diesmal auf das öffentliche Kunstleben unserer
^lten Stadt im vorigen Jahre den üblichen Rückblick
^erfen. Nicht weniger als drei monumentale Bauten
^ät tzas vergangene Jahr bei uns erstehen lassen,
^Mtlich dem Stile der Hochrenaissance angehörend,
^r ssch ^uch bei uns immer mehr die Herrschaft er-
^ingt. Da ist als edelstes Werk znerst die Reichsbank
nennen, ein vornehm einfacher Rustikabau, mit zwei
tvenig vortretenden Eckrisaliten, wozu der Plan von
^alcomeß aus Berlin herrührts sodann das neue
^ebände der Sparkasse von C. Poppe, gleichfalls
^in Rustikabau, aber in ungleich schlankeren Verhält-
nissen mehrstöckig emporsteigend und wie der vorige
in Oberkirchner Sandstein aufgeführt, zu welchem sich
tnittens noch Heinrich Müllers Bau einer neugestis-
irten Freimaurerloge gesellt, deren sonst sehr impo-
nirende Wirkung nur durch das Mißverhältnis des
schwächlichen, ja fast kleinlichen Portals zu der über-
iräftigen Fensterarchitektur einigermaßen gestört wird.

Auch auf dem Gebiete der Skulptur sind wir
nicht leer ausgegangen. Nachdem ein Jahr vorher
^cr erste unserer beiden neugeschasfenen Friedhöfe, der
svgenannte Rhiensberger, auf dem Grabe des verdienst-
bvllcn Arztes und Naturforschers vr. Focke von der
Hand Küsthardts aus Hildesheim dnrch die edle
Marmorgcstalt der Hoffnung geschmückt wurde, ein
28erk voll Anmut und innigster Empfindung, hat der
neue nördliche Friedhof im letzten Jahre durch unseren
Mitbürgcr Kropp in dem kolossalen Christus, der in
ähnlichcr Haltung wie dcr von Thorwaldsen scine
2lrme über dem Eingang zur Gruft des Baron Knoop
ausbreitet, einen nicht minder bedeutsamen Schmuck
crhalten, bci dcm nnr zu bcdaucrn ist, daß nicht auch
hier edler Marmor anstatt des undurchsichtigen Sand-
steines genommcn worden ist.

Weitaus das Hervorragendste und Erfreulichste
kber, was im Kunstlebcn des letzten Jahres zu ver-
Zeichnen ist, sind dic Wandmalereien, mit denen im
dlustrage der Handcskammer nnser rastlos schasfender
Athnr Fitger das Treppenhaus unserer Börse in wahr-
haft vcrschwenderischer Fülle zu einem wundervollen
Prachtranme umgeschaffen hat.

Än ihnen hat sich Fitger diesmal zu einer Hvhe
ber Auffassung, einer Bollendung dcr Technik und einer
Strenge derZeichnung emporgeschwungen, wie in keinem
seiner früheren Werke, und damit Bremen ein Knnst-
benkmal geschenkt, welches die Menschen noch erheben
und mit sreudiger Bewunderung erfüllen wird, wenn
Uiele der jetzt unter dem Posaunenschall und Tamtam-

getön der Tagespresse in der Welt umherziehenden
Sensationsbilder längst einer wohlverdienten Vergessen-
heit anheimgefallen sein werden. Daß unser reichbegabter
Künstler sich, während dicse Bilder entstanden, nebenhcr
auch wieder durch wahrhaft bedeutende Dichtungen
kundgab, brauche ich wohl kaum zu erwähnen. Sein
ergreifendes Drama „Die Hexe" machte seitdem die
Runde über die deutschen Bühnen, seine jüngst erschie-
nenen „Winternächte" sind das Gedankenwuchtigste und
Vollendetste, was unsere neuereLyrik hervorgebracht hat.

Erst kurz vorher hatte er drei große, sigurenreiche
Darstellungen im Treppenraume eines palastartigen
Privathauses am Osterdeiche beendet: Walkyren, welche
gefallene Helden nach Walhalla tragen, als Deckenge-
mälde, dann ein Bild aus der Blüte des deutschen
Reiches im Mittelalter, nämlich das prächtige Pfingst-
fest Barbarossa's zu Mainz, sowie den Sieg von Sedan
als Bilder der Seitenwände, als ihn die Vertreter
unserer Kaufmannschaft mit diesem neuen herrlichen
Auftrage beglückten. Än allem und jedem ließ man
ihm volle Freiheit. Er hat dieselbe aufs reichste be-
lohnt. Mit einer mächtigen Begeisterung ging er so-
fort ans Werk, aufs rascheste waren die Kartons und
eine kleine leuchtende Farbenskizze hingeworfen, schnell
ein Paar junge Berlinor Künstler als Gehilfen ange-
nommen, die Historienmaler Wiegmann und Her-
mann, beide Schüler des Professors Schrader, und
schon vor Ablauf desselben Äahres hatte er die hvhe
Genugthuung, den erstaunten Auftraggebern gerade zuni
Weihnachtsfeste die reich gcschmückten Räumc wieder
übergeben zu können, Welche nun in einer Farbenpracht
und ciner Gestaltcnfülle prangen wie noch kcin andcrer
Raum in unserer Stadt. Der Künstler ging beim
Entwurfe dieses Bilderschmuckes von dcm richtigen Ge-
danken aus, daß echt historische Darstellungen deni
großen Saale der Börse vorbehalten bleiben müßten,
da solche schon bedingt seien durch das bereits darin
vorhandene, durch Herrn E. H. Wätjen geschenkte Bild,
die Kolonisation der Ostseeprovinzen durch Bremcn dar-
stellend, das Treppenhaus aber als selbständiger Raum
ciner künstlerischen Versinnlichung des Seehandcls, aus
dessen Blüte Bremens Heil beruhe, zu widmen sei, was
denn auch in der Handelskammer sofort den lebhaftesten
Anklang fand.

Das Treppenhaus sührt zur oberen Galcric, welche
mit ihrer Pfeilerstellnng den riesigen Börsensaal Vvn
drei Seiten umgicbt. Dcr dasselbe Bctretende hat
das Hauptbild zu seincr Rechten, gerade ciiicm hohen
Bvgenfenster gegenüber. Es schildcrt Ncptnn, wie er
als Beherrscher und Repräsentant des Occans das
Schiff im Triumphe in den heimischen Hafcn geleitet.
Rings uintummelt von cinein zahlreichen und niannig-
fach bewegten Tritonen- und Nereidenvolk zieht der
 
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