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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Cyprische Statuen in Untersuchung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0148

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291

Cyprische Statuen in Untersuchung.

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waschen, welcher die Brüche verdeckte, und diese mit
einem Messer abgekratzt, um sie deutlicher zu machen.
Herr Feuardent behauptet, der ganze Oberteil der
linken Sphinx sei moderne Arbeit und das Werk über-
haupt so verändert, daß nur wenig von den ursprüng-
lichen Zügen übrig geblieben sei. Da die Ausbesserung
nnbestritten ist, wird im Lauf der Untersuchung die
Anssage des Restaurateurs über diesen Punkt von Be-
deutung sein.

Sodann kam eine kleine männliche Stntue an die
Reihe, Nr. 213 im Katalog, 37 in Feuardents Ver-
zeichnis, welche nach dessen Behauptung schrecklich ver-
stümmelt ist. Der Kopfschmuck soll gänzlich verändert,
das Haar, welches auf die Schultern fiel, abgeschnitten
und eine moderne rechte Schulter angesetzt sein, wor-
über jedoch für den Augenblick keine Meinung geäußert
wurde. Jn betreff der dritten Figur, Nr. 40, sagt
die Anklage, daß der Kopf eines Kindes auf einen
männlichen Körper geflickt worden, daß der Hals mo-
dern und bei der Restauration zu lang gemacht, der
Kopf zu groß für den Körper sei, und der linke Vor-
derarm nicht zu der Statue gehöre. Herr Ward sprach
jedoch seine Überzeugung aus, daß der Kopf der eines
Mannes von mittlerem Alter sei, und auch der Kranz
in der Form, wie er die Häupter der Kaiser schmückt,
gegen die Vvraussetzung spreche, daß der Kopf einem
Kinde angehört habe.

Der folgende Gegenstand war die vielbesprochene
Venus oder Aphrodite, eine Statuette ungefähr sechs
bis acht Zoll hoch, Nr. 257 im Katalog, über welche
zuerst der hitzige Streit zwischen Feuardent und Ces-
nola entbrannte. Sie hält einen Spiegel in der Hand,
welchen sie — wie der Erstere behauptet — noch nicht
hatte, als er sie in London sah, und der erst hier
hineingemeißelt wäre. Die Statuette wurde nicht ge-
waschen, und eine spätere genauere Untersuchung vor-
behalten.

Darauf wurde Nr. 754 in Augenschein genommen,
die Statuette eines Jünglings, die ungehörig über-
arbeitet und welcher ein unrichtiger Kopf aufgesetzt seiu
soll, wogegen Cesnola erklärt, daß er sie schon auf
Chpern zusammensetzte, wo er Körper und Kopf bei-
sammen fand. Herr Prime bemerkte, daß Feuardent
hinsichtlich dieser Statuette einen Jrrtum begangen
haben möchte, da sie nie in London gewesen und erst
mit Cesnola's zweiter Sammlung direkt von Cypern
hierher gekommen sei. Nachdem die Ausbesserung be-
trachtet worden, wurdc Nr. 768, eine kleine sitzende
männliche Gestalt, in Augenschein genommen. Der
Anklage zufolge wäre wieder ein falscher Kopf, der
eines alten Mannes auf einen jugendlichen Körper ge-
flickt; allein trotz alles Waschens und Abkratzens war

keine Ausbesserung zu entdecken, und das Komito er-
klärte seine Überzeugung, daß die Statuette aus einem
Stück bestände.

Schließlich wurde noch die lebensgroße Statue
eines Priesters untersucht, Nr. 22 in Feuardents Ver-
zeichnis, deren rechte Hand mit dem Vorderarm einer
Statue in London angehören soll. Der Arm wurde
gewaschen und richtig eingefügt gefunden, die Hand,
welche eine Patera hält, ist mit dem Körper verbunden,
und kein Kratzen brachte die Spuren einer Ausbesse-
rung ans Licht. Dies stimmt mit Cesnola's Erklärung
überein, daß der Arm vom Ellbogen bis zum Hand-
gelenk wieder eingesetzt, die ganze übrige Gestalt aber
unbeschädigt gefunden worden sei.

Unstreitig ist das Resultat dieser vorläufigen
Untersuchung ein günstiges für Cesnola, wie sich von
Anfang erwarten ließ. Möglich, daß er in der Restau-
ration Jrrtümer begangen hat, dergleichen auch anderen
anerkannten Archäologen begegnen können; aber ihn
darum absichtlicher Fälschung anzuklagen, deutet doch
mehr Gehässigkeit als Eifer für die Sache an, während
es auf der anderen Seite selbstverständlich ist, daß Ces-
nola, dessen Ruf von seinen cpprischen Funden datirt,
alle Ursache hatte, sie gewissenhaft nach bester Einsicht
zu restauriren, und nicht der mindeste Grund zu wissent-
licher Veränderung vorlag. Ferner kann man Herrn
Feuardent, wenn auch als einen gewandten Schriftsteller
und Kunstkritiker, doch nicht als Autorität in der Ar-
chäologie gelten laffen, wie ihm auch schon in der
^rt Lsviorv (I. Band, S. 501), nachgewiesen ist.
Jndeffen ist er zu weit gegangen, mit zu großer
Heftigkeit verfahren, um die ihm drohende Niederlage
ruhig hinzunehmen; vielmehr verteidigt er seine Be-
hauptungen, wobei er sich vorzüglich aus Doell und
auf Colvins Photographien beruft, und da er in der
„New-Tjork Times" eines der einslußreichsten Journale
auf seiner Seite hat, steht eine lange Kontroverse in
^ Aussicht. Namentlich lehnen Feuardent und seine An-
hänger sich gegen die Zusammensetzung des Komitö
auf, welche von dem Borstand ernannt, an deffen
Spitze Cesnola als Direktor steht, aus zwei der ihrigen
und außerdem nicht aus Sachkundigen, Archäologen
und Künstlern, sondern aus Gelehrten besteht, deren
Urteil — sagen sie — als das von Kunstfreunden
Berücksichtigung verdienen würde, weun es sich um reine
Kunstkritik, Ästhetik und Stil handelte, aber schlechter-
dings nicht von Gewicht sein könne, wenn es auf posi-
tive Altertumskunde ankomme. Dieser Einwand hätte
etwas für sich, wenn man nicht überzeugt sein könnte,
daß diese Männer, Leren Gewissenhaftigkeit keinen
Zweifel zuläßt, den Beistand Sachkundiger in Anspruch
nehmen werdeu, ehe sie ein endgültiges Urteil abgeben.
Muß ja doch Cesnola selbst vor allen wünschen, von
 
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