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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Italienische Stimmen zur Pflege der einheimischen Kunstdenkmäler
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0164

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323

Kunstlitteratur.

324

gleichen Sie z. B. den Spitzbogen des öffentlichen
Palastes zn Siena >»it dem Spitzbogen des vffcntlichen
Palastes zu Pistofa, deren Entstehungszeiten doch nur
unerheblich differiren. Bei ersterem sehen Sie die
Tendenz zur vertikalen Entwickelung, bei letzterem einen
wuchtigen Zug, eine gewisse Massivität, die sich nicht
mit dem Spitzbogenspstem verträgt. Und Pistoja und
Siena liegen beide in Toscana.

Dvch ich mißbrauche Jhre Geduld in ausgedehn-
testcm Maße. Aber wenn man über Gegcnstände wie
diese schreibt, ist einem die Feder gleichsam an die
Hand festgebunden. Entschuldigen Sie, u. s. w."

Mailand, 5. Dezember 1880. Alfredo Melani.

Die Redaktion des „I'unkullu. cksllu Lomoniou"
stimmt diesen Ausführungen vollkommen bei, verspricht
sich iudes weuig Erfolg von deren Bcrvffentlichung.

P. S.

Aunstlitteratur.

Gottfricd Scmticr in seiner Bedeutung als
Architckt. Vvu Kvnstantiu Lipsius, k. s. Bau-
rat. Berlin, Verlag der Deutschen Bauzeitung.
1880. 8.

Es stand zu erwarten, daß sich der Ansatz einer
Semper-Litteratur sehr bald nach dem Hingange dieser
grvßen künstlerischen Persvnlichkeit einfinden werde —
wenn auch vorerst nur in Essays und Broschüren. So
lange der Meister selbst noch schafsend, begutachtend,
theoretisch aufklärend in das Kunstleben der Gegen-
wart eingriff, war der Zeitpunkt noch nicht da, seine
Schvpfungen und Kunstansichten in reiner Gegenständ-
lichkeit zu beleuchten. Einer so scharf ausgeprägten
streitbaren Subjektivität gegenüber ging dies nicht so
leicht an; sie regte den Widerspruch auf, warf die
wirksamsten Fermente in den Kunstzustand der Zeit
und beunruhigte besonders diejenigcn, die sich gern bei
abgeschlvssencn Resultaten zur Ruhe setzen. Semper
stccktc von einem Bauwcrk zum andercn die Ziele seines
künstlerischen Wollens weiter aus, vertiefte von einer
Schrift zur anderen seine ästhetische Anschnuung und
hielt so jcuer Art von Charakteristik nicht stand, die
gern mvglichst bald den sunimirenden Strich unter den
Begriff einer reichen Jndividualität ziehen niöchte,
während die Kräfte in ihr noch wirken und gegen-
wirken und an sich selbst die Rechuungsprobe machen.
Nun erst, nachdem der Tod den Schlußpunkt hinge-
setzt hat, wird dieser Lebensinhalt für die Darstellung
objektiv.

Die Schrift vvn Lipsius (103 Seiten) ist eine
höchst gewissenhafte Studic, mcthodisch-saubcr ausge-

arbeitet, von durchgängig fachmännischer Kenntnis und
übersichtlicher Gruppirung des Materials, soweit dieses
bis jetzt zugänglich ist. Der Verfasser beginnt mit
einem summarischen Lebeusabriß Sempers und einer
kurzen Überschau seiner artistischen und kunstwiffenschaft-
lichen Thätigkeit — er benutzt hierbei Daten, die aus
Briefen und anderen Schriftstücken entnommen und
durch Mitteilungen des Sohnes Manfred sowie früherer
Schüler Sempers ergänzt sind. Es folgt dann die
Darlegung der Principien, die ihn bei seincm ktinst-
lerischen Schaffen leiteten. Die ästhetische Anschauuug
Sempers sowie dasjenige, was sie zur „praktischeu
Ästhetik" macht, ist treffend hervorgehoben, und dic
leitenden Grundgedanken aus dem Hauptwerke „Der
Stil" mit vergleichendem Bezug auf die übrigen klei-
neren Publikationen sehr gut excerpirt. Dieser Teil
der Schrift (S. 12 — 18, dann S. 20 — 27) kaun als
ein trefflich einführender Leitfaden zur vvrläufigcn Keunt-
nis der Semperschen Ästhetik gelten. Nun kommt
Lipsiütz"tmf die schöpferische Thätigkeit des Meisters zu
sprechen, deren Schlüssel ihm in solgenden eigenen
Worten desselben dargeboten erscheint: „Soll unsere
Kunst den wahren Ausdruck unserer Zeit tragen, sv
muß sie den notwendigen Zusammenhang der Gegen-
wart mit allen Jahrhunderten der Vergangcnheit —
von denen keines, auch nicht das entartete, vorüber-
gegangen ist, ohne einen unvertilgbaren Eindruck auf
unsere Zustände zu hinterlaffen — zu ahnen geben
u»d mit Selbstbeivußtsein und Unbefangenheit sich ihres
wahren Stoffes bemächtigen." Dcr Bau soll vor
allem Charakter haben; der richtig empfundenc und
ausgedrückte Zweck bringt die Formen in Bewegung
und erweckt sie aus der schematischen Erstarrung zu
neuem Leben. „Die feinsten Abstufungcn dcr Formen
und Verhältnisse, wie bei der menschlichen Gesichts-
bildung, sind hinreichend, dem Bauwerke ein gauz an-
dercs Gepräge aufzudrücken." Diesen selbstgestellten
Pvstulaten cntsprechen in dcr That die cigcnen Bautcn
Sempers. „Fast ohne Ausnahme" — sagt Lipsius —
„ist ihnen Physiognomie und jene Allgemeinverständ-
lichkeit in dcr Erscheinung gemein, welche über die
Wesenheit und Bedeutung eines Bauwerkes keincn
Zwcifel aufkommen läßt, jene Zugehörigkeit zu dem
Orte, nls ob der Bau auf ihm erwachsen wäre."

Es folgt hierauf die Detailbesprechung der aus-
^ geführten Bauten Sempers, der ausführlichste Teil der
I lehrreichen Schrift (S. 33—95). Der Text ist durch-
aus mit Ansichten, Durchschnitten uud Grundrissen
(33 an der Zahl) illustrirt. Für die in Dresden aus-
geführten Bauten fand der Verfaffer in dem aus An-
laß der dritten Generalversammlung deutscher Archi-
tekten- und Jngenieurvereine erschienenem Werke: „Die
Bauten uud technischen Anlagen von Dresden" ein
 
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