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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Die Jahresausstellung im Wiener Künstlerhaus, [1]
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Die Jahresausstellung im Wioner Künstlerhause.

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voll feinen Humors und großer malerischer Vorzüge.
Fröschls „Liebespaar" ist innig empfunden und be-
sonders fein in der Farbe. Daß man dadurch an
keinen Meister „erinnert" wird, möchten wir als be-
sonders lobenswert betonen. Gpsis zeigt uns mit
gewohnter Meisterschaft einen blonden Maler in einem
griechischen Bauernhause. Die gemiitlichen heiteren,
aber charakteristischen Thpen und malerischen Trachten
erhöhen den Reiz des Bildes, welches Abouts „R.oi äs
ls, inontuAns" widerlegt, und beweist, daß man in
Griechenland außerhalb der Thore Athens sich zum
mindesten nicht schlechter befindet als etwa außerhalb
Palermo's. Das Thema ist schon öfter behandelt worden,
und wir freuen uns, daß ein bedeutender Maler es
wieder aufnahm. Das Haschen nach „Nouveautös"
ist in der heutigen Kunst eine wahre Kalamität ge-
worden, und es wäre ein Zurückkehren zu der alten
Weise, da Typen sich entwickeln und ausleben konnten,
sür die Gediegenheit der Kunstleistungen von größtem
Nutzen. Lindenschmits „Faust in Auerbachs Keller"
hat des Vortrefflichen vieles, und wäre die Figur des
blonden vollbärtigen Studenten, der dem Beschauer das
Glas entgegenhält, ünd der Kopf des Schankmädchens
besser gelungen, so wäre das Bild ganz ausgezeichnet.
Rogueplan sagt, daß jede, auch die häßlichste Frau
einen Moment hat, in dem sie schön ist und nennt
das „bsunts än äiubls"; die Kunst muß diesen Augen-
blick zu erfassen und wiederzugeben wissen; mißlingt
es, so sind alle übrigen Vorzüge nicht imstande, uns
dafür zu entschädigen. Lindenschmits Bild ist besonders
schön in der Farbe, aber es sind darauf auch vorzüglich
gezeichnete Einzelnheiten, so z. B. die Hände des
Schankmädchens, der mit aufgestrecktem Ärmel hinge-
lümmelte Jüngling u. s. w. — Masic', ein Schüler
Lindenschmits, steht mehr unter dem Einfluß Fortuny'-
scher Bilder, die er in Paris studirte, als unter dem
seines Meisters und doch wäre dieses dem jungen
Künstler von großem Nutzen. Das „Slawonische
Gänsemädchen" ist ein Bild, welches von ungewöhn-
licher Begabung Zeugnis ablegt. Verglichen mit den
früheren Leistungen dieses jungen Koloristen muß es
auch als ein entschiedener Fortschritt auf dem Wege
der künstlerischen Wahrheit angesehen werden. Von
den Münchener Künstlern ist noch Puteani zu er-
wähnen, dessen Komposition an Lebendigkeit, Frische
der Farbe und slottem Vortrag nichts zu wünschen
übrig läßt. Hugo Kauffmann hat sich schon mehr-
fach mit seinen charakteristischen Bildern in Wien ein-
gestellt und wußte auch in seine kleineren Arbeiten
die Vorzüge seiner größeren Bilder zu llbertragen, wo-
von die diesmalige Ausstellung Zeugnis ablegt. Wenn
wir noch Harburgers Bildchen, der polnischen Maler
Kovalskiund StreittüchtigeLeistungen undSchlitts

schon öfter ausgestellte „Konfrontation" erwähnen, so
haben wir alles Beachtenswerte von Münchener Künstlern
in der diesmaligen Ausstellung erschöpft. Von sonstigen
auswärtigen Malern sandten aus Venedig Rotta und
Eugen Blaas sehr schöne Genrebilder ein. Letzterer
weist in seinem venetianischen Bilde trotz der kühlen
Farbe einen entschiedenenFortschritt gegen seine srüheren
venetianischen Kostümbilder auf. Jutz in Düsseldorf
und Maffei in München, sowie Pratere in Paris
haben gute Tierstücke ausgestellt.

Da die besten Wiener Genremaler die Ausstellung
nicht beschickten, ist in diesem Fach wenig Gutes aus
Wien zu sehen. Friedländer variirt wieder mit
merkwürdiger Geduld und Ausdauer das Thema der
grauröckigen Jnvaliden; Myrbach bringt sehr hübsche
Soldatenbilder und Alwin Stein unter dreien ein
gutes Aquarell, einen alten Mann vorstellend, der aus
einem großen Portefeuille Zeichnungen herausnimmt
und betrachtet. Alts Architekturbilder sind, wie immer,
vorzüglich. — O. Wagner stellte ein beachtenswertes
Projekt zu einem Wiener Goethe-Standbild aus. —
Die große Historie ist auf der Ausstellung durch
Hynais in Paris am besten repräsentirt. Der
junge Künstler, ein Schüler Feuerbachs und jetzt
Gsrome's, hat sich noch nicht aus der Sturm- und
Drangperiode herausgearbeitet und wendet in seinem
„Samson" alle Kraft noch nach der unrichtigen Seite
an. Jnniges Empfinden, verklärtes Darstellen des
Wirklichen, edle Auffassung und klarer Vortrag sind
ihm noch Nebensache, forcirte Bewegnng, gesuchte
Effekte und allzu aufdringliches Betonen seiner unge-
wöhnlichen technischen Fertigkeit Hauptsache. Es ist
aber in dem Bilde des jungen österreichischen Stipen-
diaten soviel Können und Talent, daß sich derselbe ohne
Zweifel in nicht allzuferner Zeit zu höchst bedeutenden
Leistungen durcharbeiten wird. — Die übrigen histo-
rischen Bilder sind nicht erwähnenswert. Romako's
unglückliche Experimente haben mehr pathologisches
Jnteresse als Kunstwert; Ohme's Patrizierhochzeit ist
trefflich in der Behandlung, doch sind die Hauptfiguren
durch das Nebensächliche unterdrückt; Sindings Wasser-
frau ist zu naturalistisch gehalten und die Jdee zu
Heydens großem Bilde in keiner glücklichen Stunde
entstanden, Bergers Rebekka unerquicklich. — Por-
träts von Angeli und Griepenkerl sind das Beste
dieser Gattung auf der Ausstellung. Jndem wir unseren
Bericht, der wider unseren Willen und Wunsch so kurz
und summarisch ausfallen mußte, beschließen, müssen
wir noch erwähnen, daß sich auch die ausgestellten
Skulpturen nicht über das Niveau gewöhnlicher guter
Durchschnittsleistungen erheben. Hoffentlich wird die
am 16. d. M. zu eröffnende zweite Serie der Aus-
stellung uns mehr Bedeutendes bringen. I. K.
 
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