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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Die Jacquemart-Ausstellung in Paris
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Munkacsy's "Christus vor Pilatus"
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0228

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Munkaczy's „Christus vor Pilatus".

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auf das Allerbeste bekanut ist. Jules war es, der das
Buch zu illustriren hatte, und er machte sich an seine
Aufgabe nicht, wie sich jeder andere daran gemacht
hätte, sondern mit jener ungesuchten Originalität, die
das Merkinal jeder wahren Begabung ist. Seine
Originalität bestand lediglich darin, Wahr zu sein. Er
hatte den Mut, wiederzugeben was er sah und er hatte
auch das Talent dazu. So entwickelte sich in ihm
jene hohe Kunstfertigkeit, die ans Unglaubliche grenzt.
Er hat sie, vollkommener noch als in dem genannten,
in einem späteren Werke bethätigt, in den „(Z-smmss
st äo^nnx äs ls. Oonronno". Ein in einer Zeitschrift
erschienenes Virtuosenstückchen ist eine Radirung, die
einen Haufen alter Schuhe darstellt. Es sind Schuhe
jeder Art, alle aber vertreten, schmutzig und zerrissen.
Sein sinnender Blick hat auch in diesem Unrat noch
den Zauber von Form und Farbe zu entdecken und
seine Übersetzung in die Darstellung hat sie aufzudecken
gewußt. Diese ungemeine Verfeinerung der Netzhaut,
diese bereits mit der äußersten wissenschaftlichen Ge-
nauigkeit zusammenfallende äußerste künstlerische Liebe
zur Welt tritt indes nicht allein in Jacquemart, nicht
allein in der bildenden Kunst auf. Die allerneueste
französische Litteratur hat Repräsentanten dieser näm-
lichen Richtung. Die Künste wirken gegenseitig auf-
einander, und wir sind in einer Epoche, wo die Malerei
sehr krästig auf die Litteratur wirkt.

Die malerische Thätigkeit Jacguemarts hat sich
keineswegs auf das Stillleben beschränkt. Er hat mit
seinen Wasserfarben auch Blumen, Landschaften und
Figuren gemalt, und so fein emailartig sein Pinsel ver-
fährt, um das Unbelebte zu beleben, so slott und
skizzenhaft behandelt er das Belebte. Wie im Unor-
ganischen jeder kleinste Teil beseelt werden muß, so wird
im Organischen auf die großen charakteristischen ZUge
hingearbeitet, aus denen dann das Übrige von selbst
hervorgeht. Die Landschaften Jacquemarts, welche,
seit einige Künstler ihren Wert erkannt, rasch in Mode
gekommen und nngemein im Preise gestiegen sind, zeigen
Städtebilder, Häfen, Ausblicke auf das Meer, stille
Waldweiher. Überall führt eine tiefe Empfindung dem
Maler die Hand, zeigt ihm was das Wesentliche ist
und läßt ihn in wenigen breiten Pinselstrichen die
größten Schauspiele festhalten. Besonders bedeutend
sind jedoch, unserer Meinung nach, einige Porträts,
welche, an der Grenze zwischen Porträt und Genrebild
stehend, eine ganz merkwürdige Charakteristik mit eben-
falls nur sparsamen Mitteln erzielen. Auch sich selber
hat der Künstler zweimal abkonterfeit, und es zeigt sich
nnS auf diesen Bildern ein hellblonder bärtiger Kopf,
ernst, mager und mit klaren blauen Augen. Diese
Augen haben sich nun für immer geschlossen. Die
Lebensflamme des hoch- aber zartgewachsenen Mannes

hat langsam eine Brustkrankheit ausgelöscht, die er sich»
wie behauptet wird, in Wien geholt hat, wo er als
Juror bei der Weltausstellung fungirte. Er hielt sich
in den letzten Jahren meist im Süden, in Mentone, auf,
und hier erst begann er sich der Landschaftsmalerei zu
widmen.

Munkaczy's „Lhristus vor Pilatus".

Das neneste, schon vor seiner Ausstellung unge-
meines Aufsehen erregende Werk des genialen ungarischen
Meisters wurde kürzlich von nnserem Pariser Korre-
spondenten bereits als eine der Hauptsehenswürdigkeiten
des nächsten „Salon" angekündigt. Eine genauere
Würdigung des Bildes bringt die Wiener „Montags-
Revue" aus der Feder eines ihrer Pariser Bericht-
erstatter. Wir entnehmen diesem Aufsatze nachfolgende
Stellen: „Die letzte Frist für die Einsendung der
Salonbeiträge ist schon längst abgelaufen, und der
„Christus vor Pilatus" nimmt noch immer eine der
Wände der Malerwerkstätte in der Avenue Montaigne
ein, welche der Meister gemietet hat, um fern von den
gesellschastlichen Pflichten seines Privathotels und des
dortigen, mit seltenem Lupus und Geschmack ausge-
statteten, durch glänzende Feste berühmt gewordenen
Ateliers nur ganz der hohen Ausgabe leben zu können.
ttnd wahrlich, eine gewaltige Arbeit ist es, die hier
der Vollendung entgegenreift, wohl würdig, daß der
Künstler sich ihretwegen absondere. Nur wenigen Be-
vorzugten ist der Zntritt in dieses Heiligtum genialen
Schaffens gestattet.

Längs der dem Gemälde gegenüber befindlichen
Wand, wo auch der Ofen angebracht ist, bilden eine
vorgeschobene Gardine, ein Divan und einige Fauteuils
eine behagliche Plauderecke, von der ans man die
große Leinwand in günstigen Lichtverhältnissen über-
schaut. Jm übrigen könnte das Atelier nicht einfacher
sein. Sein einziger Schmuck besteht in Skizzen, deren
Mannigfaltigkeit von dem rastlosen, sich selbst nie
genügenden Streben des Künstlers zeugt, und in
Studienköpfen, zu denen die urwüchsigsten Exemplare
der semitischen Race, die in Paris anfzutreiben sind,
Modell gesessen zu haben scheinen. Aus diesem Raume
ist alles streng verbannt, was sich nicht auf das Er-
eignis bezieht, das Munkaczy darzustellen unter-
nommen hat.

Jn einer hohen Halle von kiihneni architektoni-
schen Aufbau, die ihr Licht allein durch die offene
Thür enipfängt, sehen wir (am äußersten linken Ende
der Leinwand) Pontius Pilatus, der auf einem er-
habenen Sitze mit verschränkten Armen und vorge-
beugtem Haupt unschlüssig seinen Gedanken nachhängt.
Jhm zur Rechten hat der Rat der Ältesten und Schrift-
 
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