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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Die Krugausstellung im Österreichischen Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0292

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579

Die Krugausstellung im Österreichischen Museum.

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ivurden die schlanken hohen Schnellen, die Ring- vder
Wurstkrüge, die Bartmänner, die Pilgcrflaschen, die
zierlichen Kaunen, die verschiedensten Trinkgefäße vom
niedlichen Kinderbecher bis zum gewaltigen Humpen
angefertigt. Jm Nassauischen blühten allein 16 Töpfer-
niederlassungen, unter denen Höhr und Grenzhausen die
bedeutendsten waren. Jn beiden Orten wird diese
Jndustrie bis zum heutigen Tage schwunghaft betrieben,
und neues sowohl wie altes finden wir auf unserer
Ausstellung. Aber die neuen giftigblauen Erzeugnisse
von Höhr, die sich im Sitzungssaale auf einem Tisch
zusammendrängen, können uns gegenüber den schönen
alten Krügen im Saal VI. wenig gefallen. Recht gut
sind dagegen die neuen Erzeugnisse vvn Grenzhausen.
Sie bleiben jedoch nicht allein bei dem alten nassau-
ischen Genre, welches sich durch hübsch verteilte kleine
Rosetten und sternartige Muster auszeichnet, sondern
haben sich auch jener Gattung bemächtigt, welche einst
in der Gegend von Aachen und Köln gepflegt wurde.
Die Arbeiten sind aus Stückformen gepreßt, schön ge-
gliedert, reich ornamentirt, einfarbig oder mit braunen,
blauen oder violetten Ornamenten versehen. Eine
Gattung ist jedoch in unserer Zeit gänzlich ausgestorben,
das gelblich weiße Steinzeug von Siegburg bei Köln.
Ein Schrank in der Mitte des Saales zeigt uns die
reizendsten Arbeiten dieser Töpfergilbe, welche, nachdem
sie in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ihre
Blüte erreicht hatte, im 30jährigen Kriege völlig zu
Grunde ging. Siegburg wurde von den Schweden
zerstört, und die ausgewänderten Töpfer fanden nirgends
mehr den feinen guten Thon, die Hauptbedingung für
die Erzeugung dieser Ware. Nirgends hat die zarte
nnd scharse Ausführung des plastischen Ornamentes
einen solchen Grad der Vollendung erreicht wie hier.
Nur niit den besten Metallarbeiten lassen sich diese
Kannen, Becher und Krüge vergleichen.

Nicht weit davon stehen die unter dem Namen
Kreußener Steinzeug bekannten Gefäße. So viele und
verschiedene Arbeiten dieser Gattung dürften wohl noch
in keiner Ausstellung beisanimen gewesen sein. Wenn
jemals die Zweifel berechtigt waren, daß die kleine
Stadt Kreußen südlich von Baireuth allein alle diese
Stücke verfertigt hat, so ist es hier der Fall. Einfache
und prächtige Arbeiten stehen hier in reicher Auswahl.
Freilich dürfeu wir nur im Geiste wählen; um so
rücksichtsloser berauben wir den Schrank fast seines
ganzen Jnhalts. Diese Krüge waren im 17. Jahr-
hundert in Franken, Sachsen, dem Voigt- und Eger-
lande offenbar ein beliebter Modeartikel. Wir sehen
hier, daß mit den in den keramischen Werken aufge-
zählten Ornamentmotiven dcr dekorative Schatz dieser
Gefäße noch lange nicht erschöpst ist. Denn wir sinden
neben den bekannten Apostel-, Jagd-, Kurfürsten- und

Planetenkrllgen nvch solche mit Brustbildern, meistens
einem Herrn und einer Dame, einige mit Reitern, andere
mit Päpsten und Kaisern, einen mit dem Bildnis des
Königs Karl von Schweden, mehrere mit dem Pelikan,
viele mit Wappen, unter denen das kursächsische besonders
häusig ist, manche wieder mit der Madonna oder
anderen Heiligen, und endlich eine Anzahl von Trauer-
krügen. Bei einem Leichenschmause nämlich ruhte der
gewohnte Krug, und an seine Stelle trat der Trauer-
krug mit ernsterer Ornamentirung, meist aus grauem
Steinzeug niit Rosetten in Weiß und Schwarz.

Nicht zahlreich sind dagegen die sogenannten Hirsch-
vogelkrüge in der Ausstellung vertreten. Sollen das
wirklich jene Werke sein, von welchen ein Zeitgenosse,
der Nürnberger Stadtschreiber Neudörfer sagt: „(Hirsch-
vogel) kam wieder hierher — machte wälsche Krug
und Bilder auf antiquitetische Art, als wären sie von
Metall gossen" —? Der Metallgnß ist an ihnen so
wenig imitirt wie die italienische Renaissance; allein
wie dem auch sei, es sind prächtige anheimelnde Ge-
sellen, und ihr Farbenschmuck ist bei aller Buntheit so
harmonisch und weich, daß jede moderne Fabrik sie sich
zum Muster nehmen sollte. Jn ihrer Gesellschaft be-
sindet sich mancher seltsame Sonderling aus dem 17.
und 18. Jahrhundert. Einladend schlägt da ein deutscher
Falstaff die Hände an den Bauch niit der gewiß Präcis
gehaltenen Aufforderung: „Willst du Wein, schenk dir
ein." Papageien stehen daneben, eine Eule, eine Sand-
uhr, ein Pulverhorn, ja sogar ein Totenkops — alles
Trinkgefäße — gewiß rätselhafte Erscheinungen für
unseren Kulturhistoriker der Zukunft!

Die intimen Beziehungen der Klosterleute zu den
Schätzen des Kellers haben von jeher zu mehr oder
minder gutmütigem Spotte Anlaß gegeben. Bis zu
einem gewissen Grade ließen sich's die frommen Herren
gern gefallen, und sie selbst beschenkten sich mit Wein-
flaschen in Form von Gebetbüchern und Brevieren.
Solche wurden sowohl in Steinzeug als auch in Metall
angefertigt, sind aber sehr selten geworden. Jn unserer
Ausstellung befindet sich eine Zinnflasche dieser Art.
Nicht weit von dieser steht ein Humpen, auf den ersten
Blick das Jnventarstück eines alten Rieseumärchens.
Er übertrumpft an Größe alle seine Kameraden, von
denen viele sich doch auch nicht spotten lassen. Es
sind meist Zuuftkrüge und Willkommbecher aus dem
17. Jahrhundert, und mancher hat bereits das Zipper-
lein im Fuße und kann nicht mehr gerade stek^en.

Wir sind bei unserem Rundgange durch die Aus-
stellung recht oberflächlich vorgegangen. Es war, als
wären diese alten Krüge noch immer nicht leer. Wie
sollten wir aber auch eine Sammlung von mehr als
tausend alten Stllcken, wozu noch so viele neue kommen,
in wenigen Zeilen eingehend würdigen? Der gründlich
 
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