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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Schulze, Otto: Bauthätigkeit in Rom
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0318

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631

Korrespondenz aus Venedig.

632

Quartier des alten Ghetto abzubrechen, die Wasser-
leitung der Stadt zu verbessern und die schvn seit
vielen Jahren in Angriff genommene Via Nazionale,
Welche bis jetzt in gerader Richtung und in einer der
Hauptstadt angemessenen Breite von den Diokletians-
thermen — nächst dem Bahnhof — bis anf die Via
del Quirinale führt und sich von da in knrzem Bogen
nach der Piazza Venezia zieht, von hier mit 20 in
Breite nach den neuen Tiberbrücken — am jetzigen
Ghetto alla Regola — fortzusetzem Nimmt man
noch die gleichfalls auf dem Programm stehende Cen-
tralmarkthalle hinzu, so stellt dies für die nächste Zeit
eine Bauthätigkeit in Aussicht, die sich sehen lassen
kann; der „Popolo Romano" meint allerdings, daß
man, wenn man so viel Fleisch auf einmal aufs Feuer
setzen wolle, unter den kapitolinischen Kvchen niemanden
finden werde, der das Zündholz in Brand zu setzen
wage. Von den Hauptbauten dürften wohl in erster
Linie die als dringend nötig hingestellten Kasernen-
und Spitalbauten zur Ausführung gelangen. Die
Niederreißung des Ghetto wird erst vor sich gehen können,
nachdem für die dort wohnenden ca. 4000 Menschen
durch die an den projektirten und wie z. B. am Esquilin
schon in der Anlage begriffenen Straßenzügen sich rasch
entwickelnde Privatbauthätigkeit, der man jetzt mit allen
möglichen Konzessionen, z. B. Steuerfreiheit auf etwa
10—20 Jahre u. s. w„ entgegenkommt — Unterkunft
geschaffen ist. Durch die in der Nähe des Castello
S. Angelo (all' Orsv oder al Clementino) beabsichtigte
Tiberbrücke und die Regulirung der dortigen Straßen
muß auch in diesen Vierteln eine regere Bauthätigkeit
sich entwickeln, und der Römer rechnet schon mit Ver-
gnügen daraus, daß in 10—12 Jahren die Bevölkeruugs-
zahl der Stadt von 300 000 auf 400 000 Seelen ge-
stiegen sein werde.

Eine Sache sür sich bleiben bei dieser städtischen
Bauthätigkeit die sortdauernden Arbeiten am Tiber,
für welche die Kammer erst kürzlich nach kurzer Dis-
kussion eine zweite Auflage von 20 Millionen ge-
uehmigte, die zur Hälfte dem Staate, zu ^ der Stadt
und zu hz der Provinz zur Last fallen. Trotz gegen-
teiliger Ansichten, die hier nnd da laut werden, scheint
es also an Geld nicht zu mangeln; auch für Straßen-
und Brückenbauten im Königreich wurden in der
Kammersitzung vom 14.Mai 132000000 Lirebewilligt.

Otto Schulze.

Aorrespondenz.

Venedig, im Juni 1881.

Zu Anfang dieses Jahres fiel die Hülle, welche
bie ein ganzes Jahr währenden Dekorationsarbeiten

am Palazzo Cavalli (jetzt Franchetti) am Canal
grande, gegenüber der Akademie, verdeckte. Eiu Jahr
früher hatte man Gelegenheit gehabt, einige Wochen
hindurch das bis dahin von dem Architekten geleistete
zu beurteileu. Das Urteil fiel nicht gerade sehr günstig
aus. Man hatte eben noch zu sehr den malerischen
Eindruck der dem Campo zugekehrten Seite des Palastes
in Erinnerung mit dem schönen Gärtchen und seinen
schlanken Cypressen; und man sah nun eine neue, in
Backsteinbau ausgeführte große Fronte, in welcher wohl-
feilerweise die schlanken Fenster der Kanalfassade wieder-
holt waren, weshalb der Mangel einer die Wandfläche
unterbrechenden Loggia umsomehr auffiel.

Ganz absonderlich erschien dem Venetianer das
an der Ecke gegen S. Vitale in Form eines Turmes
sich anlehnende, aus einer Böschuug aufsteigende Trep-
penhaus mit seinen großen Loggicn an drei Seiten,
in welchem, so gut es ging, die Eigentümlichkeiten der
gegen den Kanal liegenden Loggia kopirt waren. Was
an dem rückwärtsliegenden Baukörper geschehen sollte,
war noch nicht abzusehen. Die endgiltige Beur-
teilung des nun von neuem enthüllten vollendeten
Baues mag andern zustehen. Mir gestatte man nur
darüber zu berichten, in welcher Weise das Neue sich
als malerisches Ganze in die unverglcichliche Perlen-
schnur der am Canal grande aufgerichteten Paläste
cinfügt.

Was an dem ganzen Werke zunächst freudig über-
rascht, ist, daß man bei der durchgäugigen Bemalung
alter Teile des Palastes auf den Effekt des Neuen
völlig Verzicht geleistet hat. Die gemalten Ornamente
nnd Friese, welche das ganze Gebäude bedecken, sind
in Tönen gehalten, Welche mit dem, scheinbar durch die
Zeit geschwärzten, Marmor übereinstimnien. Ja, man
hat vielleicht in dieser Zurückhaltung des Guten zu
viel gethan. Der dicht dabeistehende glührote Turm
von S. Vitale mit seinen weißen Streifen hätte wohl
den Dekoratoren den .Mut einslößen können, kräftiger
vorzugehen und sich nicht vor dem rosso äi Vono/.in zu
fürchten. Auch an der Kirche San Felice ist man mit voll-
stem kräftigsten Rot dreingegangen, als deren Bewurs
neuerdings wieder ganz in der alten Weise hergestellt
wurde. Außerdem hätten die Spuren ornamentaler Be-
malungan vielen Palästen Venedigs aus dem 15. Jahr-
hundert und aus frühererZeit, (wiePal. Pesaro da San
Benedetto, Pal. Goldoni a San Torria und vielen an-
deren) in ihren prachtvollen Goldtönen auf tiefstem Rot,
das oft durch Graublau und Schwarz gebrochen ist, als
Muster dienen können. Jmmerhin ist es für Venedig
ein künstlerisches Ereignis, daß man es wagte, ein so
kolossales Gebäude über und über zu bemalen und dabei
nach Kräften Len Stil der alten Fassadenmalerei nach-
zuahmen, ja daß Bauherr, Architekt und Unternehmer
 
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