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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Die Festbauten zum VII. Bundesschießen in München
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0334
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Die Festbauten zum VI6 deutschen Bundesschietzen in München.

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Die ^estbauten zum VH. deutschei: Buudesschießen
in Blüuchen.

Die in immcr kürzeren Jntervallcn stattfindenden
Kunst-, Gewcrbe- nnd Jndustrieausstellungen, sowie
die periodisch wiederkehrenden großen Volksfeste, bei
denen gcschossen, geturnt, gesnngen nnd sehr viel toastirt
wird, haben der Architektur unserer Tage Aufgaben
gestellt, deren mehr oder weniger geschickte Lvsung dieser
Art von Gelegenheitsarchitekturen bis jetzt keinen
bestinnnten Charakter zu geben vermochte. Anf der
cinen Seite ging man vielleicht in solchen Dingen etwas
zu nah an die wirkliche, monumentale Architektur heran
und gab einem Wesen, das blos Haut und Knochen,
zwischen beiden aber keine Musknlatur besaß, den
Anschein eines nach struktiven Prinzipien hergestellten,
für längere Zeitdauer berechneten Baues; andererseits
trugen diese Gelegenheitskinder der monumentalsten
Kunst ost allzusehr den Charakter eines vom Zimmer-
mann hergestellten Notdaches, das für einen Platzregen
oder allzuwarmen Sonnenschein einigen Schutz bieten
soll. Von den paar Fahnen und Schildereien, die bei
solchen Gelegenheiten z. B. die Schweizer Schießhallen
zieren, kann natürlich im Sinne einer wirklichen Deko-
ration nicht die Rede sein. Was nun die erstgenannte
Art der Festdekoration betrifft, welche *die monumen-
tale Kunst nachzuahmen versucht, so war dies ja auch
im 16. Jahrhundert in Jtalien dcr Fall, gegenüber
den Dekvrationen der Frtihrenaissance, deren hauptsäch-
liche Mittel in Grünem, Guirlanden, allerlei Tafeln
nnd dergleichen bestanden, wie denn ja z. B. Ferrara
beim Einzuge von Pius II. 1459 als „sonwnato
ä'üorda" bezeichnet wird.

Eine in ihrer Weise eigene Art der Dekoration
und des Festbaues bietet heute Münchens Theresienwiese,
auf der eine ganze Stadt in mehr oder weniger künst-
lerischer Weise sich erhebt. Die sämtlichen nachbe-
nannten Bauten sind nach Skizzen des durch seine treff-
lichen Zeichnungen bekannten Malers R. Seitz in
München von einem ebenso talentvollen Architekten,
G. Seidel, ausgeführt.

Das eigentliche Einlaßthor, an dem die Billet-
schalter sich befinden, ist durchaus schmucklos, jedenfalls
aber nicht für einen starken Menschenandrang berechnet.
Eine lange Reihe von Flaggenmasten führt zum Ein-
laßthore des inneren Festplatzes. Nechts und links,
vor dieser Pforte zum Sanctissimum liegen Schaubuden
— ein Anblick, den man füglich an eine andere Stelle
des Festplatzes hätte hinverlegen können, denn er be-
rllhrt geradezu unangenehm und sieht aus, als ob das
Bermieten des Platzes für dergleichen ambulante Unter-
nehmungen zu dcn bcstimmenden Faktoren des Ganzen
gehvrt hätte. '

Die Anlage der verschiedenen Gebäude um den
inneren Festplatz herum ist eine hufeisensörmige und
bietet in den Stilverschiedenheiten ihrer einzelnen
architcktonischcn Jndividuen, svwohl was dercn änßere
Erscheinung als ihre dem Zweck entsprechende Ein-
richtung betrifft, ein Bild großer Abwcchselung in
malcrischcr, nicht aber immer in stilistischer Hinsicht.
Den grvßten Teil der Peripherie nimmt die in spät-
gotischem Stile gehaltene, beinahe wie eine Zwingburg
aussehende Festhütte, man könnte sagen das Festkastell,
ein, die aus einem festen Mittelbau und zwei in
stunipfem Winkel daran stoßenden Flügeln besteht.
Nechts und links davon sind Wirtschaften aufgeschlagen,
und gerade gegenüber als Abschluß stehen die Schieß-
stände. Das Centrum der Anlage bildet der Gaben-
tempel. Gehen wir nun zur Betrachtnng der einzelnen
Gebäude über, so sei zunächst das Hauptthor erwähnt,
das in weitem Stichbogen den Weg überwölbt und
seitwärts von ziemlich massiven Türmen flankirt ist.
Eine Galerie läuft ringsum. Sämtliches Bnlkenwerk
ist rot angestrichen, und in den Feldern figuriren die
baherischen Rauten als etwas zu schwerwiegende Deko-
ration. Gerade aus im Vorblick steht der Gaben-
tempel, ziemlich hoch, auf einer Estrade. Es ist ein ein-
facher, sechsseitiger Kuppelbau mit Bogenfenstern, der
sonderbarerweise wie in Grünspan getaucht erscheint.
Auf den Zwickeln der Kuppel sind vergoldete Knöpfe
(der Zweck einer solchen Ornamentirung ist durchaus
unklar) in mehreren Reihen übereinander angebracht,
und statt der Laterne erhebt sich oben ein vergoldeter
Obelisk, an dessen einzelnen Seiten gewaltige Hirsch-
köpfe mit vergoldeten Geweihen befestigt sind. — Ein
solcher Obelisk, an dem „das Hirschalter" dnrch eine
Reihe von Geweihen illustrirt ist, aber einer von Stein,
steht im Park zu Nymphenburg, nnter schattigen grünen
Bäumen, nahe bei einem Teiche und wirkt so äußerst
malerisch. Dieses Monument der Zopfzeit aber auf
einen Kuppelbau als Äbschluß zu setzen, ist entschieden
keine gelungene Jdee. Die sämtlichen Geländer der
Estrade, sowie der dazu hinaufführenden Treppen, sind
aus vergoldetem Prügelholz, was wohl an gewisse spät-
gotische Ornamente erinnern soll.

Das Hauptstück ist die Festhallc, ein Bau, der
seinem Exterieur nach ganz andern Stürmen zu trotzcn
die Bestimmung haben könnte, als allenfalls jcnen,
die durch Schützenwein und bayerisch Bier hervorge-
rufen werden. Der Mittelbau zeigt einen gewaltigen
viereckigen Turm mit Ecktürmchen und steil aufsteigen-
dem Dache, auf dessen First der heilige Hubertus an-
betend vor einem Hirsche kniet. Das Thor, das fiir
tausende zum Ein- und Ausgang bestimmt ist, erscheint
allzu kleiu. Die, wie schon vorhin gesagl, in stumpfem
Winkel zum Mittelbau stehenden Flügel, sind nicdriger
 
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