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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 16.1881

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Rosenberg, Marc: Die badische Kunst- und Kunstgewerbe-Ausstellung in Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.5793#0355

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Die badische Kunst- und Kuiistgewerbe-Ausstellung in Karlsruhe.

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darstellend, welches zu den seltensten Stücken dieser Art
gehört. Der Weihwasserkübel von Reichenau, jetzt im
Besitze des Fürsten von Hohcnzollern in Sigmaringen,
scheint, anderen Annahmen entgegen, schon dem 9. Jahr-
hundert anzugehören. Die Wünde des romanischcn
Raumes sind bedeckt mit Kopien neu entdeckter Wand-
gcmälde auf Reichenau-Oberzell und der länger bekannten
im Jnsel-Hotel zu Konstanz. Es ist ungemein lehr-
reich, diese beiden Arbeiten, die jedensfalls erst unserem
Jahrtausend angehören, nebeneinander studiren zu
kvnncn.

Aus früherer Zeit ist ein Ncichenauer Reliquiar
mit dcn zwölf Aposteln, in Silber getrieben, noch
ganz im Stile der Antike, etwa aus dem sechsten Jahr-
hundert.

Ungemein zahlreich sind die Werke, die der spät-
gotischen Stilperiode, dem Übergange vom 15. zum
16. Jahrhundert, angehören, so Kruzifixe, unter wel-
chen einzelne, die vom Tppus abweichen, besonders
interessant sind, sowie Gobelins mit anmutigenSprüchen.
Einige große Buchdeckel mit Kreuzigungsgruppen und
Heiligen, fast in vollem Relief, zeigen zum Teil die
Fortsetzung des im Kreuze von St. Trutbert adoptirten
Kanons. Von zwei Trinkhörnern, jedenfalls als
Gegenstücke gearbeitet, ist das eine mit einem langen
TLvs verziert, wührend das andere mit den Attributen
der Narrenweisheit versehen ist. Die Zusammenstellung
einer Reihe von Monstranzen hat ergeben, daß fast
alle von einem Maße sind. Die reichste unter ihnen
kommt aus Überlingen, wo sich überhaupt ein ganz
seltener Schatz von Silbersachen erhalten hat.

Das 16. Jahrhundert ist, außer durch kirchliche
Geräte, besonders durch Stickereien vertreten, unter
welchen man Stücke allerersten Ranges, nicht nur der
Betrachtung, sondern auch des Studiums würdig vor-
sinden wird. Ein Antipendium (Graf Norman) z. B.
steht vielleicht einzig in seiner Art da.

Wie reich und von welcher Gediegenheit die kunst-
gewerbliche Produktion aus der Zeit des Überganges
vom 16. zuin 17. Jahrhnndert und speziell vor dem
Beginne unseres großen Religionskricges war, lehrt ein
Blick auf die hervorragendsten Arbeiten der Gold-
schmiedekunst und dcr Holzschnitzerei, welche hier ver-
treten und durch Jahreszahl oder andere Kennzeichen
als dieser Periode angehörig verbürgt sind. Ein
Kelch der katholischen Kirche in Karlsruhe, von einem
Metternich, Dekan in Speier gestiftet, später aber
in Brilssel aufbewahrt, sucht seinesgleichen. Mit dem
Bistum Speier fiel er an Baden und kam als Ge-
schenk des ersten Großherzogs Karl Friedrich an seincn
jetzigen Aufbewahrungsort. Die Pax von Überlingen,
von Ebenholz und Silber, sehr fein im Detail, wenn
auch etwas schwach in der Kvmpositivn, verdient auch

außerhalb der Grenzen des engeren Vaterlandes be-
kannt zu werden.

Von den Silberarbeiten des 17. und 18. Jahr-
hunderts sind gewissenhaft alle Stempel und Marken
gesammelt worden. Es hat sich daraus ergeben, daß
die bereits edirte Nürnberger Goldschmiedeliste noch
bedeutender Erweiterungen bedarf. Das Absatzgebiet
der Augsburger Arbeiten kann nach den Erfahrungen,
die hier zu sammeln sind, gar nicht weit genug ge-
zogen werden. Es sindet in Deutschland seine Gren-
zen nicht an den Fürstenhöfen, nicht an den Klöstern,
sondern fast einzig an den Städten, die ihr eigenes
Regiment führten.

Überlingen, Villingen, Gengenbach bewahren fast
nur Arbeiten der eigenen Stadt. Sie stehen nicht auf
der Höhe der guten Augsburger Arbeit, aber mit
Nürnberg und MUnchen können sie sich wohl messen.
Gerade Überlingen produzirt noch nach dem dreißig-
jährigen Kriege Arbeiten, welche von den Traditionen
der älteren Zeit nicht so sehr abweichen, wie es in
anderen Landesteilen der Fall ist.

Daß die Produkte der Frankenthaler Porzellanfabrik
hier vielscitig vertreten scin würdcn, stand zu erwarten,
aber auch Elsässer Fayencen und die vielen Porzellan-
fabriken Mitteldeutschlands sowie Steingutarbeiten sind
sehr gut repräsentirt. Eine Spezialität mit Proben
vom 16. bis zum 18. Jahrhundert bilden die Ofen-
kacheln, welche genügen werden, die Würdigung einiger
bekannter Meister zu erleichtern und vorzüglichen un-
bekannten Werken den Namen ihrer Verfertigcr wieder-
zugebcn.

Unter den Glasgemälden, deren Reihe schon mit
dem 14. Jahrhundert beginnt, befinden sich Arbeiten
von vorzüglicher Technik und nach Zeichnung aller-
crstcr Meister.

Der Ausstellungsraum schließt mit einem Zimmer,
ausgestattet in der nüchternen Gediegenheit des Em-
pirestils. Daran schließt sich in interesiantem Kon-
trast eine orientalische Abtcilung mit wunderbaren
Teppichen, Geräten und Kostümen. Wen das Studium
von Miniaturen intcressirt, der findet hier ein Material
beisammen, wie es ihm selten geboten werden kann.
Freiberg, Heidelberg, das Generallandesarchiv und die
Landesbibliothek in Karlsruhc, ciuzclne Stadtbiblio-
theken nnd zwei verständnisvolle Privatsammler haben
ihr Bestes hergegeben.

Ein knrzer populärer Führcr oricntirte vvrläusig
dcu Besucher; dann ward ein vvllständigcr Katalog mit
diplomatisch genau aufgenommenen Jnschriften und
Jahreszahlen, Stempcln und Zcichen ausgegebcn.

Marc Rosenberg.
 
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