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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Aus dem Wiener Künstlerhause
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0029

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Kunstlitterlüur.

dünkt uns kaum glaublich, klingt wenigstens etwas
naiv im Munde einer so überlegenen Persönlichkeit.
Jn Wahrheit ist es die ausgesprochene Tendenz, was
uns in dicsen Werken vor Augen steht. Gewiß handelte
der Künstler in der edeln Absicht, den Krieg als die größte
Plage der Menschheit darzustellen. Aber doch immer
in einer Absicht, welche über die Bestimmung der
Kunst hinausgreift; denn diese soll absichtslos sein in
ihrem Schaffen wie die Natur. Wir wollen indessen
von den Bildern nicht scheiden, ohne auch aus dieser
Serie einige der malerisch gelungensten zu bezeichnen.
Wir zählen dazu in erster Linie die Scene nach dem
Siege bei Schenova (Nr. 70) in herrlicher Winter-
landschaft mit Aussicht auf die Schneeberge des Schipka,
dann die kosakische Feldwache bei Rustschuk (Nr. 71),
ein Meisterwerk in der Wahrheit des Lokaltons und
der Luftperspektive, und die ergreifende Gruppe des mit
seinen Generälen auf dem Hügel vor Plewna der
Schlacht zuschauenden Kaisers Alerander (Nr. 72);
auf dieser lässig in den Feldstuhl hingelehnten, starr
in den Pulverdampf hinausblickenden Gestalt lastet
die Verantwortung mit furchtbarer Schwere: diesen
Eindruck weiß der Künstler mit den schlichten Mitteln
seiner Kunst jedem Beschauer tief ins Herz zu graben.

Auch der enorme Erfolg, welchen die Werke Were-
schagins erzielen, gehört mit zu ihrer Charakteristik; der-
selbe übersteigt, wie gesagt, alles bisher in Wien Dage-
wesene; an einem der Festtage bald nach Eröffnung der
Ausstellung wurden gegen 7000 Karten gelöst. Die
Künstlergenossenschaft wird davon den alleinigen mate-
riellen Nutzen ziehen, da ihr der Künstler mit größter
Liberalität die ganze Einnahme widmete und auch die
bedeutenden Transportkosten von Paris nach Wien trug.
Die Ausstellung erfreut sich besonders lebhaften Besuchs
in den Abendstunden von 6—9 Uhr, während welcher
die Räume mit elektrischem Licht (nach dem System
von Siemens L Halske in Berlin) erhellt werden.
Da wird oft aller sreie Verkehr in den Sälen zur Un-
möglichkeit, und die schaulustige Menge steht in 3—4
Reihen dicht gedrängt vor den Bildern, deren Gegen-
stand wohl hin und wieder ein improvisirter Cicerone
durch Vorlesen der betreffenden Katalogstelle den Um-
stehenden erläutert. Unter solchen Verhältnissen kann
von künstlerischem Genuß natürlich keine Rede sein.
Aber die Wirkung auf die Massen ist erreicht!

L.

Aunstlitteratur.

Meine Gemäldesammlung. Von Adolf Friedrich
Grafen vou Schack. Stuttgart, I. G. Cotta.
1881. V u. 338 S. 8.

Ein ganz eigenartiges, ungemein gehaltvolles Buch,
an dem Künstler und Kunstfreunde die gleiche Freude

5 t

haben werden! Der Autor schitdert uns darin die
Entstehung seiner berühmten Galerie, dieser hohen und
hoffentlich dauernden Zierde Münchens, aus deren
Kunstleben sie durch die unausgesetzte liebevolle Pflege
ihres Gründers und Besitzers während der letzten zwei
Dezennien hervorgegangen ist. Denn — um nur in
kurzen Wvrten an im Allgemeinen Bekanntes zu erinnern
— die größere Mehrzahl der in der Galerie Schack
befindlichen Originalgemälde gehört Meistern der MLn-
chener Schule oder doch solchen Künstlern an, welche
zu deni Kunstleben der Jsarstadt in geistiger Beziehung
stehen. Und das charakteristische Gepräge der Galerie
besteht vor allem darin, daß sie die Führer der beiden
Epochen unserer modernen deutschen Malerei, die Jdea-
listen der ersten Hälfte des Jahrhunderts (einen Cvr-
nelius, Genelli, Koch, Schwind, Führich, Steinle,
Preller) mit den Bahnbrechern der modernen maleri-
schen Richtung, den Poeten der Farbe (einem Lenbach,
Feuerbach, Böcklin, Makart) vereinigt und manche
dieser Meister in einer solchen Reichhaltigkeit vertreten
zeigt, wie dics eben nur cin mit Glücksgütern geseg-
neter, völlig frei schaltender Kunstfreund so zustande
bringen kann. Besonders gilt dies von Genclli,
Schwind, Böcklin und Feuerbach, welche ohne Schacks
Eingreifen niemals das geworden, wenigstens nie vor
der Öffentlichkeit geworden wären, was sie geworden
sind. Der Verfasser legt uns die Grundsätze dar,
welche ihn bei der Anlage seiner Samuilung und bei
der Wahl der Bilder, die er sehr häufig bei den
Meistern selbst bestellte, geleitet haben; er schildert uns
den oft intimen Verkehr mit den Künstlern, der bei
aller Hingebung au seine Lieblinge doch niemals in
kritiklose Begeisterung auslief; er legt dann Jnhalt und
Wert der Werke, gleichsam als geistiger Führer durch
seine Sammlung, den Lesern dar und bewährt sich in
allem von neuem als der feingebildete, edeldenkende,
von poetischer, hoher Auffassung der Knnst erfüllte
Mann, den wir aus seinen zahlreichen übrigen, ge-
lehrten und dichterischen Werken kennen. Da Schack im
Großen und Ganzen chronologisch vorgeht und innerhalb
der Zeitfolge die einzelnen Meister getrennt sür sich
behandelt, ist seine Geschichte der Galerie zugleich ein
Stück moderner deutscher Kunstgeschichte, reich an bio-
graphischen Details und interessanten Aufschlüssen über
die Entstehung der von ihm erworbenen Bilder. Von
den Abschnitten vorwiegend exegetischer Gattung sei
besonders auf das Kapitel über Schwind hingewiesen,
dessen Eigentümlichkeit als Maler kaum irgendwo besser
gewürdigt werden kann als in der Schackschen Samm-
lung (welche nicht weniger als 34 Bilder von ihm
besitzt) und der bisher keinen Jnterpreten gefunden
haben dürfte, der ihm so wie sein liebenswürdiger Gön-
ner nach allen Seiten hin gerecht geworden ist. Bei
 
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