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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Abrest, Paul d': Ausstellung im Versailler Schloß
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0043

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17. Iahrgang.

Beiträge

sind an j?rof. Dr. L. von
Lützow (Wien, There-

die verlagshandlung in
Leipzig, Gartenstr. 6,
zu richten.

2-1. November

Nr. 6.

Inserate

ü 26 pf. für die drei

188s.

Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst.



Ausstellung im Nersailler 5chloß.

Das Schloß von Versailles ist laut der darauf
prangendeu Jnschrift sämtlichen ruhmwürdigen Män-
nern Frankreichs gewidmet. Jn den Hallen dieses
mächtigen Gebäudes, welches so viele denkwürdige
Momente gesehen hat, sind in der That Frankreichs
große Krieger und hervorragendste Staatsmänner dnrch
Pinscl nnd Meißel der berühmtesten Meister der Kunst
verewigt. Wer sich daher fllr die Vorgänge der Ver-
gangenheit interessirt und auch einen Funken von Ber-
ständnis für Kunst besitzt, der darf nnr dann ungestraft
dic Füße über die Schwelle des Palais setzen, wenn
er über genügende Zeit verfügt. Stunde um Stunde
verfliegt, und wenn der Hüter mit dem Dreispitz auf
dem Kops und der blendend roten Weste das übliche
„Geschlossen" ins Echo hineinruft, verläßt man die
Säle mit der allersestesten Absicht, den Besuch bald-
möglichst zu erneuern. Namentlich üben die an den
Wänden hängenden Bilder ihre Zauberkraft, wenn
man sich in die Memoiren der Zeit Ludwigs XIV.
oder Napoleons I. vertieft hat. Da beleben sich die
Persönlichkeiten, und man glaubt Zeuge der Ereignisse
zu sein, die sich auf der Leinwand gewissermaßen ab-
spielen — und die Stimmung erhöht noch ein Blick
auf jenen herrlichen Park, dem selbst das fahle Novem-
berlicht und die rauhe Herbstbrise die Poesie nicht zu
rauben vermögen, in die seinsandigen, heute tiefbe-
schattetcn Alleen, wo Ludwig XIV. mit scinen Kava-
lieren lustwandelte, wo die Maintenon mit ihrem
Beichtvater die Ausrottung der Hugenotten plante, und
Maric Antoinette Musik, politische Jntriguen nnd

Milchmaierei bunt durcheinander in ihrem kleinen, dem
Richtbeil geweihten Köpfchen mischte.

Doch wenn die Versailler (nicht zu vergessen, daß
der Hauptort des Seine und Oise-Departements eine
Stadt von 40 000 Einwohnern geworden ist) auf ihr
Schloß ungemessen stvlz sind, so liegt ihncn nicht
weniger daran zu beweisen, daß sie nicht ganz und
gar den vergangenen Jahrhunderten angehören, sondern
mit ihrer Zeit leben und vorwärts streben. Sie be-
gnügen sich nicht mit den künstlerischen Kleinodien, welche
den Namen großer Meister, der Puget, der Lebrun, der
Vanloo, der Joseph und Horace Vernet, der David
und Gros tragen, sie räumen so oft wie möglich
ihren lebenden Landsleuten den herrlichen Rahmen dcs
Prachtbaucs Ludwigs XIV. ein als Ausstcllungsstättc
sür Bilder und Statuen unbeschadet der Porzellan- und
Glasmalereiarbeiten, die hier recht eigentlich zu Hause
sind, in Anbetracht der nächsten Nähe der weltberühm-
ten Fabrik von Ssvres, die jetzt von dem Kunstkritiker
und Romanschriftsteller Champfleury geleitet wird.

Eine Gesellschaft uä boo, welcher ein aufgeklärter
Kunstkenner vorsteht, legt in dieser Beziehung von einer
geradezu fabelhaften Thätigkeit Zeugnis ab. So wurden
heuer allein zwei höchst gelungene Ausstellungen in den
Parterreräumen des Schlosses veranstaltct; die eine hatte
einen allerdings mehr lokalen, die andere aber einen
allgemeinen Charakter. Jm Frühjahr stellte man in
den Sälen des Erdgeschosses eine Reihe vonSkizzen und
Kupserstichen aus, welche auf Versailles' größte Epoche
unter dem Sonnenkönig Bezug hatten, jetzt im Spät-
herbst ist es eine sehr reichhaltige Sammlung von Ge-
mälden und Pastellbildern lebender Meister, sehr junger
 
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