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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 17.1882

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Woermann, Karl: Zur Pseudo-Grünewald-Frage
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5808#0106

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Nekrologe.

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entweder von Kranach selbst oder von seiner
Schule herrührten", und diesen Satz wiederholte er
wörtlich in einer seiner letzten Arbeiten, dem Artikel
über Grünewald in dem 1879 erschienencn zehnten
Bande der Allgemeinen deutschen Biographie. Es ist
daher klar, daß er von seiner früheren entgegenge-
setzten Ansicht, die er noch in seinem Artikel über
Kranach in dem zuletzt genannten Werke (Band IV,
1876, also drei Jahre früher) ausgesprochen, später
zurückgekommen war; nnd Ivenn auch noch ein Unter-
schied dazwischen besteht, ob man mit Woltmann sagt:
„Die Werke sind entweder von Kranach selbst oder
von seiner Schule", oder ob man mit uns sagt: „Sie
sind teils von Kranach, teils von seiner Schule", so
steht jeder dieser Ansichten der anderen doch offenbar
näher, als der von Niedermayer vertretenen. Wir
haben daher mehr Grund, uns auf Woltmann zu
berufen als er. Außer der Antorität Woltmanns,
die niemand höher hält als ich, führt Niedermayer aber
auch noch die Autorität Eisenmanns, die ich im
vollsten Maße anerkenne, gegen mich ins Feld. Es wäre
mir in der That schmerzlich, wenn Eisenmann, auf
dessen Urteil ich das größte Gewicht lege, noch jetzt an
der Ansicht festhiclte, daß es einen besonderen „Pseudo-
Grünewald" gäbe. Das thut er aber auch nicht. Eisen-
mann hat mich in einem eigens zn diesem Zwecke
geschriebenen Briefe vom 28. Dezember 1881, nachdem
er Niedermayers Artikel gelesen, ermächtigt und beauf-
tragt, in seinem Namen zu erklären, daß er in der
That längst zu der Uberzeugung gekvmmen, der von ihm
seinerzeit aushilfsweise aufgestellte Pseudo-Grünewald
sei kein anderer, als Lukas Kranach dcr ältere. Er
habe nur noch keine Gelegenheit gefunden, dieses ösfent-
lich auszusprechen. Karl Woermann.

Nekrologe.

Michacl Wagmüllcr P. Am Montag d, 26. Dez.
1881 Nachmittags 2 Uhr schied wieder ein namhafter
Münchener Künstler aus dem Leben: der Bildhauer
und Ehrenprofessvr Michael Wagmüller.

Derselbe war am 14. April 1839 in Karthaus
Prüll bei Regensburg geboren, von wo er frühzeitig
mit seinen Eltern nach München kam, wo sein Vater
eine kleine, wenig abwerfende Bleistiftfabrik über-
nahm. Mit nur mangelhafter Schulbildung ausge-
rüstet und durch die Ungunst der Verhältnisse angewiesen,
von seinem schmalen Verdienste auch nock seine Eltern
zu unterstützen, arbeitete Wagmüller bis zu seinem
16. Lebensjahre im Atelier des Bildhauers Anselm
Sickinger, aus dem auch der jüngst heimgegangene Knabl
hervorgegangen, und suchte dann Aufnahme an der
Akademie nach, mußte aber zunächst eine Abweisung er-
fahren. Erst als er schüchtern bemerkte, er wolle ja
nicht Maler, sondern nur Bildhauer werden, entsprach
man seiner Bitte. Jn dieser Zeit mußte er sich glück-

lich schätzen, von Professor Widnmann mit kleineren
Arbeiten betraut zu werden oder auch kleine eigene
Gedanken auszuführen. Seine erste größere Arbeit
waren drei Reliefs, „Glaube, Liebe und Hoffnung",
für das Mausoleum des Königs Maximilian II. in
der Theatiner Hofkirche zu München. An sie reihten
sich die beiden Giebelgruppen am bayerischen National-
museum und eine solche am Schulhaus im Rosenthal
daselbst, sowie die Caritasgruppe anf dem Kranken-
hause in der Vorstadt Haidhausen.

Jnzwischen hatte er im deutschen Kriege von
1866 seiner Militärpflicht Genüge zu thun, sah aber
keinen Feind, denn er verließ das Depot in Regensburg
nicht. Auch vier Jahre später während des großen
Krieges von 1870/71 hatte Wagmüller nur Gefangene
zu bewachen. — Eine mit dem englischen Jngenieur
Giles nach London unternommene Reise war für Wag-
müller vom günstigsten Erfolge begleitet; von Giles
in die Gesellschast eingeführt, modellirte er dort an
vierzig Büsten, daruntcr auch die des Sir Rvbert Owen.

Aber schon Las Jahr 1872 brachte ihm eine
empfindliche Geschäftsstockung. Ohne Aufträge, wie er
war, wendete er sich der Malerei zu, freilich ohne ins
Gewicht fallenden materiellen Gewinn.

Zlvei Jahre später brachen für Wagmüller hellcre
Tage an. Sie brachten ihm Aufträge des Königs für
den Linderhof, an welche sich später solche für das neue
Schlvß auf Herren-Chiemsee in großer Zahl anreihten.
Da gab es Einzelfiguren und Gruppen wie die Nep-
tunsgrnppe, die Rheintöchter und Amoretten, kolossale
Löwen und anderes zu schaffen, und dazwischen cntstand
eine Reihe von Büsten, wie die von Bllrgermeister
v. Steinsdorf, Generalmusikdirektor v. Lachner, Pro-
fessor Lindwnrm, Professor Lazarus, Hermann Knrz,
Paul Heyse, Direktor Gudden rc.

Wagmüller war ein unbestreitbar bedeutendes
Talent, das sich anfänglich und bis in die letzten Jahre
herein nur allzusehr der malerischen Behandlung zn-
neigte. Es mag hier an sein „Mädchen mit der
Eidechse", an sein „Mädchen mit dem Schmetterling",
namentlich aber an seine bereits erwähnte „Caritas"
am Haidhauser Krankenhaus erinnert werden. Auch
sein „Mädchen mit einem Kinde spielend" und sein
Denkmal für seine Tochter Michaeline, beide in der
Ansstellung von 1879 in München, zeigen diese Rich-
tung, die ihren Grund ohne Zweifel darin hatte, daß
Wagmüller Jtalien nicht kannte und was ihm hier in
München und in London, sowie später in Paris von
Antiken bekannt wurde, nicht zu schätzen wußte. Erst
in seinem Liebig-Denkmal, das er unvollendet zurück-
ließ, läßt sich ein Durchbruch zu der echt ptastischen Ein-
fachheit erkennen, die an seinem Konkurrenzentwurfe
für das Nationaldenkmal aus dem Niederwalde noch
schwer vermißt wurde.

Um so schmerzlicher ist der Berlust der Kunstwelt
durch seinen allzufrühen Heimgang: erst 42 Jahre alt,
konnte Wagmüller auf der nun einmal betretenen richtigen
Bahn noch das Bedeutendste leisten, nachdem er das in
ihm vorwaltende dekorative Element zurückgedrängt. —
Wagmüllers Tod ist auf ein Magenleiden zurückzuführen,
das nach derAusstellung von 1879, bei der er, wie bekannt,
I mit allerlei Widerwärtigkeiten zu känipsen hatte, immer
heftiger auftrat. Karl Albert Regnet.
 
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